Franja Transversal del Norte Entwicklung oder Ausbeutung?
Fijáte 324 vom 15. Dez. 2004, Artikel 1, Seite 1
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Franja Transversal del Norte Entwicklung oder Ausbeutung?
Mit der Ankündigung und beginnenden Umsetzung der verschiedenen regionalen Infrastrukturprojekte, die im Rahmen des Plan Puebla Panamá (PPP) realisiert werden, ist auch die Ausbesserung und Erweiterung der Strasse, die den Pazifik und den Atlantik im Norden Guatemalas verbindet, als politisches und finanzpolitisches Thema wieder auf dem Tisch. Was die einen als Fortschritt und Entwicklung propagieren, wird vor allem aus Umwelt- und Antiglobalisierungskreisen sehr kritisch hinterfragt. Sowohl Inforpress Centroamericana in seiner Nr. 1587 wie auch die Crítica Global, das Bulletin der Mesa Global de Guatemala haben sich der Franja Transversal del Norte (FTN), wie diese Verbindungsstrasse heisst, angenommen. Wir haben diese beiden Artikel in einem zusammengefasst. Das Projekt Am vergangenen 20. September bestätigte das präsidiale Sekretariat für Planung und Programmierung die wirtschaftliche, technische und soziale Durchführbarkeit des Projekts der Franja Transversal del Norte (FTN). Das Projekt besteht in der Ausbesserung und Erweiterung der bereits existierenden Strasse zwischen der Finca Gracias a Diós im Departement Huehuetenango an der Grenze zu Mexiko und der im Departement Izabal liegenden Stadt Modesto Méndez, an der die Hauptstrasse von der Hauptstadt in den Petén und die Strasse zum Atlantikhafen in Puerto Barrios vorbei führt. Die Strasse mit einer Länge von 263 km soll zweispurig ausgebaut und asphaltiert werden. Laut einer technischen Studie, die vom Ministerium für Infrastruktur und Wohnungsbau (MICIVI) durchgeführt wurde, liegen im Einzugsgebiet der FTN 152 Dörfer, welche 5% der nationalen Bevölkerung (545'000 Personen) und 10% des Territoriums (10'091 km²) umfassen. Gemäss MICIVI gehört der Ausbau der FTN zur Mesoamerikanischen Initiative für Verkehrsintegration im Rahmen des Plan Puebla Panamá (PPP) der für Guatemala den Bau oder die Verbesserung von insgesamt 2'171 km Strasse und 16 Brücken vorsieht. Budgetiert ist der Ausbau der FTN mit rund 200 Mio. US-$, gemäss MICIVI müssen die Gelder für dieses Megaprojekt mehrheitlich aus dem Ausland kommen. Ebenfalls wird es eine ausländische Firma sein, die mit der Planung und der Ausführung des Baus beauftragt wird, womit also das Geld auch wieder ins Ausland abfliesst. Im besten Fall werden ein paar guatemaltekische Strassenbauarbeiter einen miserablen Lohn erhalten. Profit und deshalb auch Interesse an dem Projekt haben in erster Linie die bereits in Guatemala ansässigen transnationalen Unternehmen, die multilateralen Banken und Organisationen wie die Interamerikanische Entwicklungsbank, die Weltbank und der Internationale Währungsfond, die seit über 15 Jahren die Entwicklungs- und Finanzpolitik Guatemalas ,,begleiten". Sie propagieren das Argument, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, um so die Armut zu bekämpfen, in der die Bevölkerung lebt. Ein Blick zurück Ersonnen wurde das Projekt der FTN Ende der 50er Jahre im Rahmen der von den USA dirigierten Konterrevolution. Mit Einverständnis der jeweiligen zivilen und militärischen Regierungen war die FTN weit mehr als ein simples Kolonisierungs-Projekt. Die Idee bestand darin, die Region zu bevölkern und landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Begonnen wurde mit der Kolonisierung der Ixcán-Region: Indígenas aus Huehuetenango gründeten mit Unterstützung von MissionarInnen des Maryknoll-Ordens 1969 die Kooperative Ixcán-Grande. Die Regierung ihrerseits ,,verteilte" mit Unterstützung der staatlichen US-amerikanischen Entwicklungshilfe (US-AID) Parzellen an landlose BäuerInnen aus dem ganzen Land, auch sie mit dem Ziel, die an Mexiko grenzende Zone zu bevölkern und somit zu ,,sichern". Bald wurde die Region zu einer der am stärksten vom bewaffneten Konflikt betroffenen, das Interesse des Militärs an guten Strassen war entsprechend gross. Derweil wurden die Entwicklungsprojekte eingefroren und die Bevölkerung, die auf die technische und ökonomische Hilfe angewiesen war, wurde ihrem Schicksal und dem Krieg überlassen. Eine andere Art der Kolonisierung begann mit der Vergabe von Lizenzen für Öl-Bohrungen und Minenbau in der Urwaldregion. Rund um diese Industrien bildeten sich Dörfer und Siedlungen. Mit der Unterzeichnung des Abkommens über die Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung im Jahre 1993 kehrten Tausende von Familien aus dem mexikanischen Exil in die Region zurück. Auch ihnen wurde Land versprochen. Eine Eigenart der staatlichen Agrarpolitik in Gebieten wie der FTN ist, dass die BesitzerInnen von Parzellen gezwungen sind, das Land zu bearbeiten, was in diesem Gebiet in erster Linie die Rodung des Urwald bedeutet. Tun sie dies nicht, wird ihnen die Parzelle, von der sie oft keinen Titel besitzen, wieder enteignet. ,,Der Fortschritt kommt dahin, wo die Strassen hinführen" Dies ist die Begründung, mit der heute der Ausbau der Franja Tranversal del Norte vorangetrieben wird. Gemäss MICIVI ist die FTN eines der wichtigsten Projekte in Oscar Bergers Regierungsplan. Man beruft sich dabei auf die Friedensabkommen, in denen festgehalten wurde, dass die während des Krieges stark betroffenen Departements wie Alta Verapaz und Quiché (und somit auch der Ixcán), gefördert werden müssen. Nach oben |
So erhofft man sich mit dem Ausbau der Strasse auch wirtschaftlichen Fortschritt für die Region. ,,Ist erst mal die Strasse gebaut, kommt der Rest von selber", heisst es im MICIVI. Gemeint ist damit Bildung, Gesundheit und Reichtum. Doch wie sehen die wirtschaftlichen Möglichkeiten entlang der FTN aus und wen begünstigen sie? Die landwirtschaftliche Produktion konzentrierte sich lange Zeit auf den Anbau von Mais, Bohnen, Reis, Kaffee, Kardamom, Kakao, Kautschuk, Zitrus- und andere "Tropen"- Früchte wie Papaya und Ananas. Während die ersten drei Produkte vor allem für den Eigenkonsum und den Verkauf auf dem regionalen und nationalen Markt angebaut wurden, kultivierte man die anderen Produkte für den Export. Vor allem der Kaffee war ein wichtiger Exportartikel, doch mit dem Zerfall des Kaffeepreises seit dem Jahr 2000 ist dieser Handel weitgehend zusammengebrochen. Dies führte dazu, dass sich die Leute in der Region neue Überlebensstrategien ausdenken mussten, was in vielen Fällen die Migration in den Norden bedeutet. Gleichzeitig hat aber in der Zone der illegale Handel zugenommen, sei dies der Menschenhandel, der Drogenhandel oder der illegale Handel mit Tropenholz. Dazu kommt der zwar legale, aber in erster Linie ausländische Firmen begünstigende Handel mit Mineralien, Holz und Öl, der mit dem Ausbau der FTN intensiviert werden wird. Die Region um die FTN gehört zu den reichsten im Land in Sachen Biodiversität. Mit ihrem feuchtwarmen Klima beherbergt sie eine für Guatemala einzigartige Flora und Fauna und ist neben der Sierra de Los Chuchumatanes und den Urwäldern des Petén eine der wichtigen ,,Lungen" des Landes und Mittelamerikas überhaupt. Der Ausbau dieses ,,trockenen Kanals" (in Anlehnung an den Panamákanal, der ja ebenfalls den Kontinent in Ost-West-Richtung durchzieht) hat nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt und die Produktion. Er wird auch Einfluss auf die Landbesitz- und die demographischen Verhältnisse haben. Mit dem Bau von sogenannten Handelszentren direkt an der FTN, wo arbeitsplatzschaffende Maquilas angesiedelt werden, findet eine interne Migration statt, und wer nicht unmittelbar im Einzugsgebiet der FTN lebt, wird wohl noch mehr abgeschnitten sein als bisher. Zukunftsperspektiven Die Gretchenfrage lautet, was die guatemaltekische Regierung für politische und rechtliche Massnahmen ergreifen wird, um den gänzlichen Ausverkauf dieser Region zu verhindern und ein ökologisches Paradies zu erhalten. Und was wird die Bevölkerung unternehmen, um ihr Land und die sie ernährende Natur zu verteidigen? Gemäss Mesa Global gibt es bisher keine organisierten Bestrebungen seitens der im Einzugsgebiet der FTN lebenden Bevölkerung, wie es das z.B. in San Marcos oder Izabal im Zusammenhang mit den Gold- und Nickelminen gibt. In ihrem Bulletin macht sie deshalb auf einige Punkte aufmerksam, die bei der weite- ren Verfolgung des Projekts im Auge behalten und verteidigt werden müssten: - Respekt der sozialen, kulturellen und biologischen Diversität. Keine Privatisierung der Biodiversität, Respektierung des geistigen Eigentums, strikte Regulierung über genetische Versuche und Verbot der Produktion oder des Handels von transgenetischen Produkten. - Garantie auf Selbstversorgung, speziell im Fall des Wassers: Keine Privatisierung von und kein Handel mit Wasser. Schutz und Pflege der Quellen und Flüsse, Zugang zu Wasser für alle BewohnerInnen der Region. Keine Wasserverschmutzung. - Schutz der Wälder und des Klimas: Keine Abholzung bzw. eine Aufforstung der abgeholzten Wälder. Spezielle Pflege der Wälder, aus denen Quellen entspringen. Keine Monokulturen in den aufgeforsteten Gebieten. Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs bei der Nutzung der Wälder zur Selbsversorgung, Nutzung kann auch Pflege sein. - Recht auf Nahrungssicherheit: Garantie, dass jede Person über die Nahrung verfügt, die sie für ihre Entwicklung braucht. Transparenz über die Zusammensetzung von Lebensmitteln, Förderung einer diversifizierten Landwirtschaft, ohne genetisch veränderte Produkte und ohne Giftstoffe. - Wirtschaftliche Gerechtigkeit: Förderung von KleinproduzentInnen durch Kredite, direkter Zugang zum Markt ohne Zwischenhändler. Einhaltung des Artikels 169 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Rechte der indigenen Bevölkerung, Einhaltung der nationalen Gesetze bezüglich Dezentralisierung und Entwicklungsräten. Förderung von demokratischen Strukturen auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene. |
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