Migration in Zahlen
Fijáte 288 vom 2. Juni 2003, Artikel 6, Seite 6
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Migration in Zahlen
Eine im März 2003 veröffentlichte Studie der Internationalen Organisation für Migration (IOM) über das Migrationsverhalten der GuatemaltekInnen präsentiert ein soziodemographisches Panorama, das frühere Erhebungen um einiges übersteigt, und das die starke Abhängigkeit der nationalen Wirtschaft von Geldsendungen (remesas) aus dem Ausland aufzeigt. Die IOM wurde 1951 als Gegenstück zum UNHCR, dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, gegründet. Aufgrund der Tatsache, dass es sich hierbei um ein privatwirtschaftliches Dienstleistungsunternehmen handelt, das inzwischen diversen Staaten ein sog. "Migrationsmangement", also eine Migrations-Kontrolle nach rein ökonomischen Kriterien anbietet, sind die Angaben sicherlich mit Vorsicht zu geniessen. Zwischen 1960 und 2002 sind 1,24 Mio. GuatemaltekInnen ausgewandert: 95% gingen in die Vereinigten Staaten (ein Drittel davon wohnt in Los Angeles, Kalifornien), 2,1% nach Mexiko und 1,2% nach Kanada. 88% der in den USA lebenden GuatemaltekInnen sind arbeitstätig. Insgesamt sind über 90% der MigrantInnen zwischen 15 und 44 Jahre alt, also eine Altersklasse mit einem ungeheuren Arbeitskräftepotential. 36% aller in Guatemala lebenden Familien haben Angehörige, die emigriert sind, sechs von zehn dieser Familien leben auf dem Land. 41,1% der MigrantInnen arbeiteten früher in Guatemala in der Landwirtschaft, was den Eindruck vermittelt, dass die guatemaltekischen Bauernfamilien mehr MigrantInnen ,,produzieren" als andere Sektoren. Die Mehrheit der MigrantInnen sind Männer (72,2%). Dies wird von Fachleuten darauf zurückgeführt, dass traditionell auch in Guatemala selber eher die Männer reisen, und die Gefahren für eine Frau, die allein unterwegs ist, als zu gross eingeschätzt werden. Aus den ländlichen und vorwiegend von Indígenas bewohnten Regionen sind bloss 16% der MigrantInnen Frauen, während es aus den urbanen Regionen 40% sind. Die Studie bietet entgegen vorheriger Informationen neue Aspekte über MigrantInnen und ihre Familien an: Viele Personen, die ihr Glück im Norden versuchen, kommen nicht aus armen Familien und die meisten von ihnen haben einen gewissen Bildungsgrad. Tatsächlich können 86% der MigrantInnen lesen und schreiben, was über dem Durchschnitt der Zurückgebliebenen liegt (in Guatemala beträgt der Analphabetismus 30%, d.h. 70% können lesen und schreiben). Mehr als 7´000 guatemaltekische MigrantInnen haben einen Universitätsabschluss. Dies ist im Verhältnis zum Gesamt der MigrantInnen eine kleine Zahl, betrachtet man sie jedoch unter dem Blickwinkel ,,Guatemala bildet aus, andere Länder profitieren davon" bedeutet es für Guatemala einen wichtigen Wissensverlust. Insgesamt sind rund 19´000 LehrerInnen und/oder Personen mit einem höheren Schulabschluss ausgewandert. Auf der anderen Seite trägt sicher die bessere Schulbildung dazu bei, dass die Leute in der Migration eine Verbesserung ihrer Lebenssituation sehen, da sie sich in anderen Ländern mehr Chancen auf berufliche Aus- und Weiterbildung erhoffen. Die berufliche Realität für MigrantInnen in den Vereinigten Staaten sieht laut IOMStudie folgendermassen aus: 27% der arbeitenden MigantInnen sind HandwerkerInnen, 22% arbeiten im Bereich Service/Verkauf, ebenfalls 22% sind unqualifizierte Arbeitskräfte (worunter wohl auch die Hausangestellten fallen, die Red.) und 14% arbeiten in der Landwirtschaft. Die Migrationsbewegung begann in Guatemala in den 70er Jahren, ausgelöst u.a. Nach oben |
durch das Erdbeben 1976. In den 80er Jahren vervierfachte sich die Anzahl der MigrantInnen, Auswanderungsgründe waren die wirtschaftliche Situation und die politische Gewalt im Land. Ihren Höhepunkt erreichte die guatemaltekische Migration aber in den 90er Jahren. Zwischen 1995 und 2002 suchten über 90 ´000 GuatemaltekInnen jährlich (250 pro Tag) ihr Glück im Norden, v.a. in den USA. Zwei Drittel der MigrantInnen bezahlten einen ,,Koyoten", der ihnen die Reise organisieren sollte. Pro Person verdienen die Koyoten im Durchschnitt 3´282 US-$. Für das Jahr 2002 rechnet man, dass die Koyoten über 190 Mio. US-$ am Migrationsgeschäft verdienten. 93,3% der migrierten GuatemaltekInnen stehen in Kontakt zu ihren Familien im Heimatland. Kommunikationsmittel Nummer Eins ist das Telefon (88,4%), 8,4% schreiben regelmässig Briefe und nur 0,5% benutzen Email, um mit den Liebsten zu Hause zu kommunizieren. 80% der MigrantInnen schicken Geld nach Hause: 43,5% tun das monatlich, je 14% zwei- bzw. dreimonatlich und weitere 14% überweisen ein Mal jährlich Geld in die Heimat. Umgekehrt erhalten über 600´000 guatemaltekische Familien Geld aus dem Ausland, auf alle Haushalte verteilt gäbe das eine Summe zwischen 1´500 und 2´000 US-$ pro Haushalt und Jahr. Im Jahr 2001 überwiesen die im Ausland lebenden GuatemaltekInnen 1,179 Mio. US-$ in bar, als Haushaltsgeräte oder Kleider. Im Jahr 2002 stieg dieser Betrag auf 1,217 Mio., was 5% des Bruttosozialproduktes ausmacht und mehr ist, als über den Verkauf von Kaffee, Zucker, Bananen und Kardamom eingenommen wurde. Die Ergebnisse der Studie widersprechen der allgemeinen Annahme, dass die remesas in erster Linie für den Kauf von Konsumgütern ausgegeben werden. Nicht einmal die Hälfte (49%) wird dem Konsumrausch geopfert, sondern in die Deckung der Grundbedürfnisse (Erziehung, Gesundheit, Wohnung) investiert. Die Tatsache wiederum, dass bloss 1,6% der Gelder in den Aufbau eines eigenen Geschäfts oder Unternehmens fliessen, zeigt auf, wie wenig die remesas dazu beitragen, Bedingungen zu schaffen, die längerfristige Einnahmen für das Land bedeuten. Dies heisst, dass die makroökonomischen Auswirkungen der Migration nicht von Dauer sind und von den legalen und arbeitsmarkttechnischen Bedingungen in den Vereinigten Staaten abhängen. |
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