Ein Schritt in Richtung Entmilitarisierung
Fijáte 289 vom 16. Juli 2003, Artikel 10, Seite 6
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Ein Schritt in Richtung Entmilitarisierung
Guatemala, 27. Juni. Seit dem 25. Juni gibt es in Guatemala eine Alternative zum obligatorischen Militärdienst. Die Annahme des Gesetzes über einen staatsbürgerlichen Dienst ist das Resultat eines langen Verhandlungsprozesses zwischen der Regierung und Organisationen des zivilen Sektors und erfüllt einen weiteren Punkt der Friedensabkommen. Das neue Gesetz verpflichtet alle BürgerInnen zwischen 18 und 24 Jahren, sich freiwillig zu einem staatsbürgerlichen sozialen oder militärischen Einsatz zu melden. Wer dies nicht tut, wird, je nach Bedarf, zugeteilt. Zuständig für diese Zuteilung ist der Vorstand des staatsbürgerlichen Dienstes, präsidiert vom Innenministerium und zusammengesetzt aus VertreterInnen der Ministerien für Landwirtschaft, Kommunikation, Verteidigung, Erziehung, Kultur und Sport, Umwelt und Gesundheit. Ebenso sind in diesem Gremium die Akademie für Mayasprachen, die Versammlung der Maya-Vereinigungen, diverse Jugendorganisationen und die Universitäten vertreten. Der neue staatsbürgerliche Dienst dauert 18 Monate und wird entlohnt. Noch nicht ausgearbeitet ist das Reglement, welches die Sanktionierung im Falle von Missachtung des Gesetzes oder Dienstverweigerung vorsieht. Klar ist aber bereits, dass GesetzesbrecherInnen kein Anrecht auf einen Job in der öffentlichen Verwaltung haben. Und während die einen der Meinung sind, dass es schon Strafe genug sei, zugeteilt zu werden und somit das Recht auf freie Wahl zu verlieren, warnt der Psychologe Marco Antonio Garavito davor, repressive Strafen einzuführen und empfiehlt, diese auf sozialer oder erzieherischer Ebene anzusetzen. Laut Jorge Morales von der Witwenorganisation CONAVIGUA fordern soziale Organisationen seit 1993 die Schaffung eines staatsbürgerlichen Dienstes als Alternative zum Militärdienst. Die während der 80er Jahren übliche gewaltsame Rekrutierung junger Männer war Ausdruck einer extremen Diskriminierung der indigenen Bevölkerung, waren es doch in erster Linie auf dem Land lebende Indígena-Männer, die zum Militärdienst eingezogen wurden, während Ladinos und der Oberschicht angehörende Indígenas verschont blieben bzw. sich freikaufen konnten. Für Morales ist die Schaffung des Gesetzes ein Schritt in Richtung Entmilitarisierung. Als sehr wichtig stuft er dabei die Tatsache ein, dass nicht mehr das Militär für die Einberufung der Rekruten in den Dörfern zuständig sein wird, sondern der Vorstand des staatsbürgerlichen Dienstes. Bedauerlich findet er jedoch, dass das Gesetz keinen Einfluss auf die Gestaltung der militärischen Ausbildung hat, sondern dass diese weiterhin in der alleinigen Verantwortung der Armee liegt. Nach oben |
Armeesprecherin Oberst Edith Vargas versichert gegenüber Inforpress Centroamericana, dass diese neue Option nicht zu einem Nachwuchsproblem in der Armee führen werde. Die Jugendlichen seien sich der Vorteile bewusst, die der Militärdienst mit sich bringe wie z.B. die Möglichkeit, eine Ausbildung bis hin zum Erlernen eines Berufes und Gesundheitsversorgung zu erhalten, ,,Luxusgüter", zu denen sie im zivilen Leben oft keinen Zugang haben. Auch der Psychologe Garavito glaubt nicht daran, dass das neue Gesetz das apathische Verhältnis der Jugend zur staatsbürgerlichen Beteiligung verändern wird. ,,Wir sind eine Gesellschaft, die nicht an Gesetze glaubt", erklärt er und ist sich sicher, dass auch in diesem Fall die ärmere Bevölkerung die ,,leidtragende" ist, während die Reichen die Ressourcen und Beziehungen haben, das Gesetz zu umgehen. Die Idee des staatsbürgerlichen Dienstes sei sicher positiv, doch müsste sie begleitet werden von einer Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagne, damit die Bevölkerung die positiven sozialen Elemente erkennen könne, meint Garavito. Ansonsten sei zu befürchten, dass so etwas dabei herauskäme, wie bei den seit einiger Zeit obligatorischen Alphabetisierungskampagnen, an denen AbiturientInnen teilnehmen müssten und die in vielen Fällen anstatt zu einem sozialen Bewusstsein zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt hätten. Man kann gespannt sein auf die ersten Statistiken über die Umsetzung des neuen Gesetzes, die hoffentlich auch Fragen beantworten wie: Wie viele junge Frauen melden sich freiwillig zum Militärdienst? Wie viele Männer werden ihren Einsatz über das Erziehungs-, Gesundheits- und Kulturministerium absolvieren können und wie viele Frauen den ihren über das Landwirtschafts-, Verkehrs- und Kommunikationsministerium? Aus welcher Bevölkerungsschicht stammen die Menschen, die einen staatsbürgerlichen Einsatz leisten? Welche Art von Einsatz ist für wen karrierefördernd? |
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