Überfall auf Büros der PDH
Fijáte 293 vom 10. Sept. 2003, Artikel 4, Seite 3
Original-PDF 293 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 --- Nächstes Fijáte
Überfall auf Büros der PDH
Guatemala, 3. Sept. Unbekannte sind in den Morgenstunden des 26. August in die zentralen Büros des Menschenrechtsprokurats (PDH) in der Hauptstadt eingedrungen und haben wichtige Akten sowie Computer durchsucht bzw. mitgenommen. Durchsucht wurden u.a. die Büros der Abteilung für laufende Ermittlungen, für Arbeitsrechte (wo unter anderem der Fall des Sozialversicherungsinstituts IGSS behandelt wird) sowie der Computer- und Technikraum der Institution. Ebenfalls hatten die Eindringlinge Zugang zu den Listen der Freiwilligen für die Beobachtung und Überwachung des Wahlverlaufs vom 9. November. Laut Berichten von Ombudsmann Sergio Morales sind die Eindringlinge durch ein Fenster eingestiegen und haben die Einrichtungen der Büros zerstört und auf einigen Schreibtischen ihre Fäkalien hinterlassen. Morales kritisierte die Staatsanwaltschaft, dass sie vier Stunden nachdem sie über den Einbruch informiert wurde, immer noch nicht am Tatort erschienen war, um ZeugInnenaussagen und Beweismittel aufzunehmen. Dieser Überfall sei eine deutliche Warnung an die Institution und bedeute eine schwere Menschenrechtsverletzung, sagte der Ombudsmann. Es sei bereits der vierte Überfall dieses Jahres auf seine Institution, zuvor seien die regionalen Büros in Escuintla, Izabal und Quiché betroffen gewesen. Morales erinnerte auch an die Drohungen gegen MitarbeiterInnen und an die Ermordung von Josué Israel López in Chimaltenango im April dieses Jahres. Guatemaltekische MenschenrechtsaktivistInnen haben sich einstimmig mit der PDH und deren MitarbeiterInnen solidarisiert und fordern eine sofortige Untersuchung des Überfalls durch die zuständigen Behörden. Mario Polanco von der Menschenrechtsorganisation GAM hegt die Befürchtung, dass Angestellte der PDH, die für die Sicherheit der Büros verantwortlich waren, in den Überfall verwickelt sind bzw. in direktem Kontakt zu den klandestinen Gruppen stehen, die in jüngster Vergangenheit für eine zunehmende Anzahl Überfälle und Drohungen gegen Menschenrechtsorganisationen verantwortlich sind. Miguel Ángel Albizúres von der Allianz gegen Straflosigkeit bezeichnet den Überfall als eine Warnung an die nationale Menschenrechtsbewegung, die sich wiederholt für die Auflösung dieser klandestinen Gruppen ausgesprochen hat und die Einsetzung einer speziellen Kommission für deren Untersuchung und Bekämpfung (CICIACS) fordert. Die Myrna Mack-Stiftung bezeichnet in einer Presseerklärung den Überfall auf die PDH als besonders gravierend, handelt es sich doch um eine durch die Verfassung geschützte Institution, die den offiziellen Auftrag hat, die Menschenrechte in Guatemala zu verteidigen und zu schützen. Seit Sergio Morales als Leiter der PDH eingesetzt wurde, konnte diese ihre Position stärken und bewies sich als standhaft und nicht korrumpierbar. Mit der Lancierung des Vorstosses zur Einsetzung der CICIACS habe die PDH einen wunden Punkt des guatemaltekischen Machtsystems getroffen. Auch die Hartnäckigkeit, mit der die PDH die Vorfälle vom 24. und 25. Juli und weitere im Zusammenhang mit der Wahlkampagne der FRG begangenen Menschenrechtsverletzungen verfolgt, beweist, dass sie sich trotz Drohungen nicht einschüchtern lässt und den eingeschlagenen Weg weitergehen will. Entsprechend ist es gemäss der Myrna Mack-Stiftung nicht weiter verwunderlich, dass nun die PDH selber zum Angriffsziel wird und fragt: "Wer profitiert denn von der Zerstörung und der Entwendung dieser Akten?" Auf Antrag der FRG erliess der guatemaltekische Kongress einstimmig eine Resolution, in der sie den Angriff auf die PDH verurteilt. Das Innenministerium und die Staatsanwaltschaft werden aufgefordert, "rigorose Untersuchungen zu führen, um die Verantwortlichen ausfindig zu machen". Auch international wurde der Überfall verurteilt und eine sofortige Untersuchung gefordert. Die zentralamerikanischen Kollegen von Morales, die in diesen Tagen zu ihrem jährlichen Arbeitstreffen zusammenkommen, haben dies spontan nach Guatemala verlegt als Zeichen ihrer Solidarität. Deutliche Wor- Nach oben |
te fand auch der Vertreter der Europäischen Union in Guatemala, Phillipe Combescot. Er bezeichnete die von der Regierung gestützten und gedeckten klandestinen Strukturen als die Verantwortlichen für den Überfall auf die Menschenrechtsinstitution. Das Ziel der Aktion sei gewesen, die Beweise zu zerstören, die eine Beteiligung der FRG an den Aktionen vom 24./25. Juli zu Gunsten der Präsidentschaftskandidatur von Ríos Montt belegen. Diese Aussage des EU-Kommissärs trübte die gegenseitige diplomatische Beziehung und hatte zur Folge, dass Aussenminister Edgar Gutiérrez ein Treffen mit einer extra angereisten EU-Delegation zur Beobachtung des Wahlprozesses kurzerhand absagte. Auch Präsident Portillo weigerte sich, mit der Delegation zusammenzutreffen, so dass diese unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren musste. Sergio Morales scheint sich von dem Überfall nicht einschüchtern zu lassen und veranstaltete am 29. August eine Pressekonferenz, an der er den Präsidenten Alfonso Portillo, seinen Vize Juan Francisco Reyes López, den Innenminister José Adolfo Reyes Calderón und den Polizeidirektoren Raúl Manchamé dafür verantwortlich machte, dass es kein Eingreifen bzw. Stoppen der Ereignisse seitens der Regierung bei den Ausschreitungen vom 24./25. Juli gab. Mo- rales übergibt seine Untersuchungsergebnisse der Staatsanwaltschaft, damit diese die entsprechenden rechtlichen Schritte gegen die vier einleiten könne. Derweil laufen die Untersuchungen im "Fall PDH". Die Staatsanwaltschaft teilt offenbar die Einschätzung von Mario Polanco, dass Sicherheitsagenten in den Überfall verwickelt sind und forderte Haftbefehle für vier bei der PDH angestellte Wächter. Jedoch glaubt die Staatsanwaltschaft nicht an ein politisches Motiv für den Überfall. Sie hält an der These des "gewöhnlichen Diebstahls" fest und glaubt, mit der Verhaftung der vier Sicherheitsbeamten den Fall bereits halb gelöst zu haben. |
Original-PDF 293 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 --- Nächstes Fijáte