Zwei "immune" Männer bald vor Gericht?
Fijáte 303 vom 11. Feb. 2004, Artikel 6, Seite 6
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Zwei "immune" Männer bald vor Gericht?
Guatemala, 06. Feb. Kaum zwei Wochen nach Amtsübergabe sieht sich Ex-Präsident Alfonso Portillo an verschiedenen Fronten sich öffnenden Prozessen gegenüber, die ein Gerichtsverfahren gegen ihn zur Folge haben können. In Panama beschloss die Finanzanalyseabteilung (UAF), Informationen von vierzehn offenen Konten über US-$ 50 Mio., die tatsächlich in Verbindung mit dem ehemaligen guatemaltekischen Staatsoberhaupt stehen, an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. In Guatemala wurde mittlerweile das Urteil eines Richters von Oktober 2003 annulliert, der entschieden hatte, den bald zweijährigen ,,Fall Panama" zu den Akten zu legen, währenddessen Generalstaatsanwalt Carlos de León Argueta, durch sich häufende Beschuldigungen in die Enge getrieben, er habe den Ex-Präsidenten gedeckt, sich ebenfalls dazu genötigt sah, den Fall wieder aufzunehmen. Sogleich ernannte er eine neue Staatsanwältin im ,,Fall Panama" für zuständig. Enge Mitarbeitende des ehemaligen Staatschefs und Portillo selbst beharren auf der Version, dass er Opfer eines Komplotts von mächtigen Wirtschaftsgruppen geworden sei, die dem neuen Präsidenten Berger nahe stehen und mit dem vorherigen auf Kriegsfuss standen. Schon vor dem formalen Amtswechsel hatte eine Gruppe von RechtsanwältInnen, angeführt von den ehemaligen Präsidenten des Höchsten Gerichtshofes (CSJ), Ricardo Sagastume Vidaurre und Oscar Barrios Castillo eine Verfassungsbeschwerde eingereicht (vgl. ¡Fijáte! 301). In dieser führen sie aus, dass ehemalige Präsidenten und Vizepräsidenten nicht die Immunität geniessen sollten, die ihnen durch ihre ,,automatische" Inkorporation in das Zentralamerikanische Parlament (PARLACEN) zugesprochen wird. Schliesslich seien sie nicht in diese Ämter gewählt worden. Portillo beantragte daraufhin beim PARLACEN die Beschleunigung seiner Vereidigung. Unterdessen berichtete die USamerikanische Zeitschrift Newsweek, dass die nordamerikanische Untersuchungskommission, die sich der Ermittlungen gegen den ehemaligen Präsidenten Nicaraguas Arnoldo Alemán widmet, ihre Untersuchungen auf Portillo und diesem Nahestehende Ex-Vizepräsident Francisco Reyes, dessen Sohn Juan Francisco Reyes Wild, Juan Antonio Riley und dem ehemaligen Privatsekretär von Portillo, Julio Girón ausgeweitet habe. Grundlage sind die bekannten Indizien wegen Konteneröffnungen und Unternehmensgründungen in Panama. Die ehemalige Staatsanwältin des ,,Falls Panama", Karen Fischer, die zu denen gehört, die die Ermittlungen in den USA und in Panama vorantreiben, sagt dazu: ,,Der Knackpunkt dieser Delikte ist nicht die Konteneröffnung, sondern den unsauberen Ursprung des Geldes zu beweisen und zudem das Erscheinen von vermutlichen Strohmännern und Freunden des Ex-Präsidenten aufzuklären; es ist dabei nicht notwendig, dass die Konten auf dessen eigenen Namen laufen." Laut Fischer wird es schwierig sein, dass die Ermittlungen in Guatemala erfolgreich verlaufen, solange Generalstaatsanwalt de León und die von diesem ernannte Staatsanwältin, Blanca Stalling, sich des Falles annähmen. Nach oben |
Auf diese Feststellung laufen auch die heissen Diskussionen in den guatemaltekischen Tribunalen und in der Zivilgesellschaft hinaus, die dem Staatsanwalt eine ineffiziente Amtsführung vorhält und dessen Entscheidungen im ,,Fall Panama" als Tropfen sehen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die Amtsenthebung des Chefs der Staatsanwaltschaft habe sich in den letzten Monaten zum öffentlichen Anliegen verwandelt, seine Amtsausübung habe schliesslich viel zu wünschen übrig gelassen. Dabei seien vornehmlich die Ermittlungs- und Gerichtsprozesse der Verantwortlichen von Korruptionsfällen zu nennen, so Mario Polanco von der Menschenrechtsorganisation GAM. Das Fehlen von konkreten und eindeutigen Ergebnissen, zum Teil in Fällen gesellschaftsweiter Bedeutung, wie die Vergehen von öffentlichen Funktionären und Unternehmern, rechtfertige laut Nery Rondenas vom Erzbischöflichen Menschenrechtsbüro, de León einem Gerichtsprozess zu unterziehen. Die Liste der von der Staatsanwaltschaft ungeklärten Fälle kann sich sehen lassen. Sie umfasst den Betrug um 1,6 Mrd. Quetzales des Bankiers Francisco Alvarado Macdonald, die Unterschlagung von 90 Mio. Quetzales durch Ex-Innenminister Byron Barrientos, die Hinterziehung von 239 Mio. Quetzales im Sozialversicherungsinstitut IGSS und schliesslich die Unterschlagung von 50 Mio. Quezales durch den Ex-Präsidenten des Nationalen Kreditinstituts CHN Armando Llort. Nach anfänglichen Unklarheiten ist jetzt auch der Weg frei für eine Ermittlungskommission gegen de León, die sich aus Mitgliedern des Kongresses zusammenstellt und die Absetzung des Generalstaatsanwalts zur Folge haben kann. Eine Zweidrittelmehrheit im Kongress - 105 der 158 Abgeordneten - ist notwendig, um die Immunität des Staatsanwaltes aufzuheben. |
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