Öl im Dschungel
Fijáte 304 vom 25. Feb. 2004, Artikel 1, Seite 1
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Öl im Dschungel
Nachspiel einer journalistischen Recherche Vor rund drei Jahren (¡Fijáte! 231/ 31. März 2001) veröffentlichten wir eine Reportage von Andreas Boueke über die Machenschaften der BASIC RESOURCES im Petén und Alta Verapaz. Was seither in den betroffenen Gemeinden geschehen ist und wie es seinem damaligen Informanten, dem Bauer und Hühnerzüchter Cristobal Peréz ergangen ist, beschreibt Boueke im folgenden Artikel. Wir danken dem Autor für die Abdruckerlaubnis des Artikels und des Interviews mit Menschenrechtsombudsmann Sergio Morales. Am 26. November 2000 explodierte für die einflussreiche Ölfirma BASIC RESOURCES eine publizistische Bombe. Die guatemaltekische Zeitung elPeriódico veröffentlichte auf ihrer Titelseite einen Bericht über verschmutzte Bohrlöcher in der Umgebung der Urwaldgemeinde Rubelsanto. Eine mehrseitige Fotoreportage deckte die Ausbreitung von Ölteppichen im Dschungel auf. Daraufhin berichteten auch europäische Medien über die Ölpest, die sich jahrelang unbemerkt ausgebreitet hatte. Verursacher dieser Verschmutzung waren Firmen wie Elf Aquitaine und Hispan Oil, die während der achtziger Jahre in Rubelsanto nach Öl gebohrt hatten. Doch als BASIC RESOURCES später die Förderungskonzessionen übernahm, musste sich die Firma vertraglich dazu verpflichten, alte Umweltbelastungen zu säubern. Aber die Jahre vergingen und niemand kümmerte sich um den giftigen Dreck. Die Bürokraten in dem zuständigen Ministerium für Energie und Minen drückten beide Augen zu. Das konnten sie sich leisten, weil die Ölindustrie und das Ministerium in Guatemala eng miteinander verquickt sind. Zum Beispiel ist die Leiterin der Umweltabteilung der grössten Ölfirma, Mireya Achila, die Schwester von Raul Achila Serrano, dem ehemaligen Energieminister und hoher Funktionär von SHELL. Der Onkel der beiden Geschwister, Jorge Serrano Elías, war einer der korruptesten Präsidenten (1991-1993) der kurzen demokratischen Geschichte Guatemalas. Solche familiären und ökonomischen Verstrickungen gehören zum politischen Alltag in Mittelamerika. So war es für BASIC RESOURCES ein leichtes, die Verschmutzung einfach zu ignorieren. Natürlich sind auch die Beziehungen zwischen den Geschäftsleuten der Medienlandschaft und den Ölmagnaten bestens. Zum Beispiel ist Antonio Minondo, der derzeitige guatemaltekische Geschäftsführer der grössten Ölfirma, Grossaktionär von Siglo XXI, einer der wichtigsten Tageszeitungen. In diesem Blatt also wird man vergeblich nach kritischen Berichten über die Ölindustrie suchen. Als die Redaktion der Zeitung elPeriódico den Mut aufbrachte, Fotos von Öllachen im Urwald zu veröffentlichen, reagierten die Verantwortlichen von BASIC RESOURCES hektisch und drastisch. Hunderte Arbeiter wurden eingestellt und Dutzende Maschinen in den Regenwald geschafft, um die Verschmutzung zu beseitigen. Die monatelang andauernden Aufräumarbeiten verschlangen Millionensummen. Nach Verhandlungen mit dem Energieministerium und einer deutlichen Verschärfung der Naturschutzkontrollen kam es zu personellen Veränderungen bis in die Geschäftsführung von BASIC RESOURCES. Wenig später verkaufte der US-amerikanische Energiekonzern ANADARKO PETROLEUM COOPERATION seine Mehrheitsanteile an dem Unternehmen. Heutiger Betreiber ist der französische Ölmulti PERENCO. Für die BewohnerInnen des Urwalddorfes Rubelsanto bedeuteten diese Ereignisse eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenssituation. Ihr Grundwasser war seit über einem Jahrzehnt durch Öl verseucht worden. Die Menschen litten an Krankheiten und Mückenplagen, ihre landwirtschaftliche Produktion und die Tierwirtschaft waren beeinträchtigt. Nach der Säuberung verbesserte sich die Gesundheitslage deutlich. Der Ertrag der Ernten stieg. Bei den Aufräumarbeiten bekamen viele Männer der Region zumindest zeitweilig eine Anstellung. Einer jedoch wurde nie berücksichtigt. Im Gegenteil, der Familienvater Cristobal Peréz erhielt zahlreiche Morddrohungen. Es kursierten Gerüchte, auf seinen Kopf sei eine hohe Belohnung ausgesetzt worden. Einen Anschlag überlebte er schwer verletzt. Seine älteste Tochter wurde vergewaltigt. Schliesslich musste er Rubelsanto verlassen, um andernorts den kargen Lebensunterhalt seiner Familie zu verdienen. Wie konnte es dazu kommen, dass ein mittelloser Mann wie Cristobal Peréz zu einem einflussreichen Gegner der grossen Ölfirma geworden war? Wieso überhäufte ihn der Konzern plötzlich mit Vorladungen und Gerichtsterminen? Er hatte kein Verbrechen begangen, nichts Unrechtes getan. Er hatte nur die Wahrheit gesagt. Er hatte es gewagt, Umweltverbrechen öffentlich zu machen. In einem Land wie Guatemala wird solche Zivilcourage nicht belohnt. Im Sommer 2000 sprach Cristobal Peréz in einem kurzen Interview von der Verschmutzung im Regenwald. Damals wusste er noch nicht, dass diese Aussagen sein Leben verändern würden. "In der Nähe vom Bohrloch 102 gibt es ein überschwemmtes Ölbecken," schimpfte er da- mals. "Es liegt versteckt im Wald. Die Chefs aus der Hauptstadt kommen nie dorthin. Während der Regenzeit wird das Öl überall hingespült. Das Flusswasser wird verseucht. Leute, die flussabwärts wohnen, trinken das Wasser. Aber die Verantwortlichen vom Umweltschutz kümmern sich nicht darum." In den Tagen nach dem Interview half Don Cristobal bei den Recherchen zur Aufdeckung der Ölpest. Nach oben |
Hätte er das nicht getan, wäre es wohl bis heute nicht zu den Aufräumarbeiten an zahlreichen Stellen im Regenwald gekommen. "Ich bin sehr stolz auf das, was ich getan habe. Ich habe diese Möglichkeit, etwas für meine Gemeinde und mein Land zu tun, gerne genutzt. Ich würde es heute wieder tun, denn an den Konsequenzen der Verschmutzung leiden vor allem die Kinder." Wäre Don Cristobal nicht der entscheidende Informant gewesen, hätte sich der Ölkonzern wahrscheinlich Millionensummen sparen können. Zwei Jahre lang wurden riesige Mengen Sand bewegt, tonnenweise ölbindende Chemikalien eingesetzt und grossflächig verseuchter Urwaldboden abtransportiert. Tausende Bäume wurden gepflanzt. Die Tiere des Urwalds kehrten zurück. Doch Cristobal Peréz musste für diese Erfolge einen hohen persönlichen Preis zahlen. "Anfangs hatte ich grosse Angst. Ich wurde immer wieder bedroht. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich an den Ombudsmann für Menschenrechte und die Kommission der Vereinten Nationen zu wenden. Dort bekam ich wertvolle Unterstützung. In der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft hingegen wurde mir gesagt, ich hätte mich halt nicht auf einen Streit mit einem millionenschweren Konzern einlassen sollen. Sie meinten, ich sei selber Schuld an der Bedrohung." Das Amt des Ombudsmannes für Menschenrechte in Guatemala ist eine staatliche Institution, die jedoch unabhängig von der Regierung arbeitet und aus dem Ausland finanziert wird. Ihr Leiter, der Ombudsmann Sergio Morales, hat nur wenig Einfluss auf politische Entscheidungen, in Einzelfällen aber kann er öffentlichkeitswirksam auf Korruption und Umweltverbrechen aufmerksam machen. So konnte er auch Cristobal Peréz helfen, wodurch er ihm womöglich das Leben gerettet hat. Der Kleinbauer musste das Dorf Rubelsanto verlassen, aber seine Frau und seine vier Kinder wohnen noch immer dort. "Wenn ich zu Besuch nach Hause komme, habe ich weiterhin grosse Angst," sagt Cristobal Peréz. "Ich fürchte, jemand könnte kommen, um mich zu töten. Sie haben es ja schon einmal versucht." Doña Reyna, die Frau von Cristobal Peréz, hat sich in Rubelsanto mit einem kleinen Geflügelhandel eine Lebensgrundlage aufgebaut. "Aber ich weiss nicht, wie lange wir noch hier bleiben werden. Wir haben Angst vor den Leuten der Ölfirma," sagt sie. "Sie lassen uns nicht in Ruhe und reden schlecht über uns. Trotzdem denke ich, es war gut so. Die Firma hat viel in die Säuberung investieren müssen. Deshalb sind die Chefs hier vor Ort so wütend auf Cristobal. Doch eines Tages muss jeder mal sterben. Wenn man stirbt, weil man die Wahrheit gesagt hat, dann ist das gut so." Von seinen NachbarInnen bekommt Cristobal Peréz nur wenig Unterstützung. Zwar freuen sie sich darüber, dass ein Teil der Verschmutzung beseitigt worden ist, doch viele trauen sich nicht, in der Öffentlichkeit mit Cristobal Peréz gesehen zu werden. In der Region ist der Einfluss der Ölfirma grösser als der der Polizei oder staatlicher Behörden. So bringen nur wenige BewohnerInnen von Rubelsanto den Mut auf, über weitere verschmutzte Flächen zu sprechen. Einige berichten im Schutz der Dunkelheit, dass die Bagger der Firma längst nicht alles saubergemacht haben. Einer der Bauern sagt: "In der Umgebung der Produktionsanlage liegen immer wieder tote Tiere, vor allem Vögel. Das Gas in der Luft und das Öl auf dem Boden richten viel Schaden an." In der Produktionsanlage fliesst Öl aus allen Bohrlöchern der Region durch Pipelines zusammen. Von der Strasse aus kann man sehen, wie an der Spitze eines etwa vierzig Meter hohen Turms Tag und Nacht giftiges Gas abgefackelt wird. Vor zwei Jahren hat die Firma eine Mauer gebaut, um die Anlage vor neugierigen Blicken zu schützen. Doch wer sich auf den Weg durch den Dschungel macht, kann unbemerkt bis zur Mauer vordringen. Erst geht es einen steilen Hügel hinab durch ein Gestrüpp tropischer Pflanzen. Kleine Echsen, die wie erstarrt auf grossen grünen Blättern liegen, schauen den Eindringlingen hinterher. Am Fuss des Hügels geht es weiter über ein Feld, auf dem einige magere Rinder grasen. Schon hier riecht die Luft deutlich nach Gas und Öl. Ein paar hundert Meter weiter muss man durch ein sumpfiges Gebiet waten. Das Wasser reicht bis zu den Knöcheln. Danach beginnt erneut ein Gestrüpp voller Dornen, Lianen und Insekten, diesmal aber ist kein Tier zu sehen, kein Vogel zwitschert. Im Licht der aufgehenden Sonne glänzen die Pfützen auf dem Boden in öligen Farben. Der Bauer bricht einen Ast ab und steckt ihn tief in den Boden. Als er ihn herauszieht, ist der Ast schwarz wie Asphalt. Aus dem Loch dringt ein beissen- der Ölgestank. "Dieser Schmutz ist schon seit Jahren hier. Nie hat sich jemand darum gekümmert." Fünf Meter von der Mauer der Anlage entfernt tut sich ein etwa dreissig Quadratmeter grosses Loch auf, randvoll mit altem, hartem Öl. "Dieses Bekken wurde vor langer Zeit mit Öl gefüllt," erinnert sich der Bauer. "Der Regen hat die Verschmutzung über eine grosse Fläche ausgebreitet. Die Mauer wurde erst vor kurzem gebaut. Dabei hat bestimmt jemand das alte Becken gesehen, aber es wurde nicht sauber gemacht. Natürlich habe ich Angst, hier zu stehen. Das Gas ist gefährlich. Die von der Firma verbieten es den Leuten, hierher zu kommen. Wenn uns einer der Wächter sieht, könnten wir Probleme bekommen. Mit uns armen Bauern machen die reichen Geschäftsleute, was sie wollen. Unser Schicksal ist denen völlig egal. Aber irgendjemand muss ja was sagen. Sonst wird diese Ölverschmutzung nie beseitigt." Die Ölindustrie in Guatemala wird mehr und mehr zu einem der einflussreichsten Machtfaktoren innerhalb der Gesellschaft. Solange sich die Politik mehr für gute Beziehungen zu ausländischen Investoren als für eine Bewahrung der ökologischen Schätze des Landes interessiert, können Firmen wie PERENCO weitgehend ungestört schalten und walten. In dieser Situation sind engagierte Menschen wie Cristobal Peréz Sand im Getriebe, die mit Hilfe der Medien und internationaler Solidarität punktuell Erfolge erzielen können. |
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