Krise? Was für eine Krise?
Fijáte 285 vom 21. Mai 2003, Artikel 2, Seite 2
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Krise? Was für eine Krise?
Ein Artikel von Grahame Russell & Annie Bird (Rights Action) Guatemala, 12. Mai. Im Juli 2001 begann Grahame Russel einen Artikel über Menschenrechtsverletzungen in Guatemala wie folgt: "Obwohl es schmerzvoll und traurig ist, ist die erneute Repressionswelle, die durch Guatemala tobt, keine Überraschung. Unterdrückung, Verarmung und Rassismus sind an der Tagesordnung und endeten nicht einfach mit der Unterzeichnung des letzten "Friedens"-vertrages im Dezember 1996." Diese Einleitung können wir so stehen lassen, denn auch heutzutage bestehen Repression und Straflosigkeit unvermindert fort. Laut Amnesty International hat jede grössere Menschenrechtsorganisation im vergangenen Jahr ernsthafte Übergriffe erlitten. Die aktuelle Situation ist keine Krise. "Krise" suggeriert etwas, das sich vom Normalzustand unterscheidet. Doch Unterdrückung und Immunität gehören zur Normalität und sind historisch verankerte Aspekte des Alltags in Guatemala. (Dagegen wären Demokratie und der Respekt der Menschenrechte und der Gesetzgebung eine Krise). Machtbeziehungen (wirtschaftlicher, politischer und militärischer Art) sind seit langem auf lokaler, nationaler und globaler Ebene eine Selbstverständlichkeit. Die Wurzeln der Repression, des Rassismus, der Ausbeutung und der Straflosigkeit ziehen sich durch die Jahrhunderte von Europäischem Kolonialrassismus und -ausbeutung und der Dominanz von wirtschaftlichen Interessen und militärischen Interventionen der USA. Erinnert sei an das Erbe des Militärputsches von 1954, orchestriert von US-Regierungsbehörden, um nordamerikanische Wirtschaftsinvestitionen voranzutreiben. Seit 1954 haben die guatemaltekischen Regime mit US-Rückendeckung ein ausbeuterisches Entwicklungsmodell beibehalten, Unterdrükkung und Straflosigkeit als Werkzeuge nutzend. Das Treffen der Konsultivgruppe "business as usual" Die Konsultivgruppe (GC) wurde nach der Unterzeichnung der letzten Friedensabkommen (1996) gegründet und ist zusammengesetzt aus Ländern und internationalen Finanz- und Regierungsorganisationen, die angeblich den Friedensprozess in Guatemala unterstützen. Zu den Mitgliedern gehören Argentinien, Österreich, Belgien, Kanada, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Mexiko, die Niederlande, Norwegen, Spanien, Schweden, die Schweiz, Grossbritannien, die Vereinigten Staaten, die Vereinten Nationen (UN), die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID), die Weltbank (WB), und der Internationale Währungsfond (IWF). Der Grossteil etwa ¾ der finan- Nach oben |
ziellen Unterstützung gewährt die GC in Form von Darlehen. Die meisten Projekte, in die diese Kredite investiert werden, sind Entwicklungsprogramme, die von BID, WB und IWF für ganz Lateinamerika ausgearbeitet und implementiert werden. Dazu gehören ländliche Vermarktungsprogramme, die Privatisierung der Gesundheitsdienste, der Bildung, des Strassenbaus, der Wasserversorgung etc. Das Armutsniveau in Guatemala und in ganz Amerika ist gleichgeblieben oder gar gestiegen. Bei ihrem letzten Treffen in Washington D.C. im Februar 2002, identifizierte die GC die Erfüllung der Friedensverträge, die Respektierung der Menschenrechte und die Beendigung der Straflosigkeit als die Bereiche, in denen sie Fortschritte sehen wollte. Es ist keine Überraschung, dass kein solcher erkennbar ist, obwohl die Darlehenshöhe, die der guatemaltekischen Regierung durch die GC gerade im letzten Jahr zugestanden wurde, höher als in den vorhergehenden Jahren war. Seit 1986 die formellen Wahlen eingeführt wurden, sind Wahlkampfjahre begleitet von wachsender Gewalt und chronischer Manipulation von Regierungsprogrammen, vor allem von sogengannten Sozialfonds, von denen die meisten von WB und BID entworfen und gestattet werden. Ein Bericht des Guatemaltekischen Bischofsrates vom 9. Mai 2003 bestätigt dies für die Aktualität und begründet die Forderung des Kollektivs Sozialer Organisationen (COS), zu dem mehr als 20 Vereinigungen zählen, dass die GC im Wahljahr keinerlei Mittel zur Verfügung stellen solle. Obwohl einige nordeuropäische Regierungen diesem Vorschlag zustimmten, wurde er von der BID, die die Versammlung der GC einberuft und die Agenda beschliesst, abgelehnt. Die politische, militärische und wirtschaftliche Macht in Guatemala kommt nicht und kam nie durch demokratische Prozesse und Verbindungen zur Bevölkerung zustande. Die Macht entsteht vielmehr durch die militärischen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen, die die nationalen Machthaber mit einer Reihe von globalen Akteuren (Regierungen, inter-gubernamentalen Insti- tutionen, Unternehmen, Banken) pflegen. Viele dieser Akteure sind Mitglied eben jener Konsultivgruppe. Trotz Rassismus, Ausbeutung und Mangel an Demokratie und Gesetzgebung, trotz Repression und Immunität, behält die gesamte Liga der globalen Akteure ihre "business as usual"-Beziehung zu allen Sektoren der guatemaltekischen Wirtschafts-, Politik- und Militärelite bei und stützt diese. So lange, wie Menschenrechtsgruppen ihre Aufmerksamkeit weiterhin eng auf die Politik und die Aktionen von nationalen Akteuren innerhalb Guatemalas richten, werden wir nicht erlauben, dass Unterdrückung und Straflosigkeit als "business as usual" durchgehen kann. Die GC sollte bei ihrem Treffen den Fokus nicht darauf richten, was die guatemaltekische Regierung in dieser Frage tut oder nicht tut. Statt dessen sollte sie ein Auge darauf werfen, inwiefern die internationale Gemeinschaft mit Hilfe von zahllosen Geschäftemachereien auf allen Ebenen zur Straflosigkeit der entsprechenden Machthaber in Guatemala beiträgt. |
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