US-Militärhilfe an Lateinamerika
Fijáte 287 vom 18. Juni 2003, Artikel 1, Seite 1
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US-Militärhilfe an Lateinamerika
Seit über einem Jahrhundert unterstützen die Vereinigten Staaten die Sicherheitskräfte und Armeen in Lateinamerika und der Karibik. Ihren Höhepunkt erreichte die US-Militärhilfe während des Kalten Krieges. Auch heute noch besteht eine enge Beziehung zwischen der US- und den lateinamerikanischen Armeen. Was sich seit dem Kalten Krieg hingegen verändert hat, sind die Gründe für diese Unterstützung sowie die Möglichkeiten der Öffentlichkeit, die militärische Zusammenarbeit zu überwachen. Vom 6. 9. Mai fand in Chiapas, Mexiko, ein internationales Treffen "Gegen die Militarisierung" statt. Mehr als 900 TeilnehmerInnen berichteten über ihre Erfahrungen und Strategien gegen die schleichende oder galoppierende Militarisierung in ihren Ländern. Der nachfolgende Text ist eine Zusammenfassung einer auf der Webseite des Treffens zu findenden Übersicht über die US-Militärhilfe an Lateinamerika. Der Artikel stammt aus dem Jahr 1999, wobei die konkreten Zahlen irrelevant sind und es vielmehr um die Logik und Strategie geht, unter der diese Militärhilfe stattfindet. Heute läuft die US-Militärhilfe an Lateinamerika und in die Karibik unter unterschiedlichen Namen und Programmen, was es schwierig macht, sich einen Überblick zu verschaffen. Sie wird durch verschiedene Regierungskanäle geschleust, durch zahlreiche Gesetze ermöglicht, durchläuft unterschiedliche bürokratische Prozesse, wird von mehreren Kongressinstanzen überwacht und mit mehr oder weniger Offenheit publik gemacht. Seit den 90er Jahren, als die USA begannen, den Deckmantel ihrer Unterstützung von "Sicherheit" auf "Drogenbekämpfung" umzubenennen, wurden neue Institutionen geschaffen und noch mehr Programme eingeführt, was eine Kontrolle zusätzlich erschwert. Grob kann unterschieden werden in "traditionelle Militärhilfe", die durch den Kongress verabschiedet wird und entsprechend klare und strenge Richtlinien umfasst, und in Programme, die vom Verteidigungsministerium, dem Pentagon, ausgeführt und finanziert werden. Diese Unterteilung ist mehr als eine gesetzliche Spitzfindigkeit, sie hat auch einen Einfluss auf die öffentlichen Kontrollmöglichkeiten. Noch bis vor kurzem lief die Militärhilfe fast ausschliesslich über das vom Kongress verabschiedete "Gesetz über die Auslandshilfe", z.B. der Waffenverkauf, die Ausbildung von ausländischem Militär, etc. Das Verteidigungsministerium seinerseits finanzierte die Errichtung von US-Militärbasen, den Unterhalt von Infrastrukturen wie der Escuela de las Américas (an der zahlreiche lateinamerikanische Foltergeneräle ausgebildet wurden), oder die Ausbildung des Comando Sur, einer Eingreiftruppe zur Wahrung der US-amerikanischen Interessen in Lateinamerika. Im Rahmen der "traditionellen Militärhilfe" wird die Unterstützung an Bedingungen und Restriktionen geknüpft. Z.B. an das Zertifizierungsverfahren über Drogen, gemäss dem die Subventionen gekürzt oder gestrichen werden können, wenn ein Land nicht im von den USA angeführten Kampf gegen den Drogenhandel kooperiert. (Guatemala wurde vor kurzem die Zertifizierung entzogen, die Unterstützung jedoch nicht (siehe ¡Fijáte! 277), die Red.) Auch Verstösse gegen die Menschenrechte durch Armeen können dazu führen, dass die Entwicklungs- bzw. Militärhilfe gekürzt wird. Im Gesetz über die Militärhilfe sowie im Waffenausfuhrgesetz gibt es verschiedene Mechanismen und Programme, die den Verkauf, die Schenkung oder Vermietung von in den USA fabrizierten Waffen begünstigen. Das Programm zum Verkauf von Militärgütern ins Ausland (FMS) ist der Hauptkanal, über den die USA Waffen an ausländische Regierungen verkaufen. Ein Land, das Waffen über das FMS kauft, muss nicht direkt mit dem Waffenhersteller verhandeln. Das US-Verteidigungsministerium fungiert bei diesen Geschäften als Zwischenhändler und verkauft dabei nicht selten gleich noch seine Dienste für Unterhalt und Ausbildung. Gemäss Schätzungen der US-Regierung haben die lateinamerikanischen und karibischen Länder im Jahr 1998 Waffen, Trainings- und Unterhaltsleistungen im Wert von 163 Mio. US-$ gekauft. Auch der Verkauf von High-tech-Waffen, wie z.B. moderne Jagdflugzeuge, laufen, nachdem im Jahre 1997 ein entsprechendes Waffenausfuhrverbot aufgehoben wurde, über das FMS-Programm. Bei einem anderen Programm, das den direkten Waffenhandel zwischen Hersteller und Käufer ermöglicht, vergibt das Aussenministerium Lizenzen, ohne jedoch weiter zu verfolgen, was mit den unter diesen Lizenzen verkauften Waffen geschieht. Ein weiteres Programm zur ausländischen Militärunterstützung vergibt Kredite und Darlehen, damit über das obengenannte FMS US-amerikanische Waffen gekauft werden können. Während der 80er Jahre wurde der grösste Teil der Militärhilfe an Lateinamerika über dieses Kreditprogramm getätigt. Selbstverständlich gibt es auch Ausnahmegesetze, mit denen die US-amerikanische Regierung in "unvorhergesehenen Notfällen" Militärhilfe gewähren kann. Laut Gesetz ist die Bekämpfung des Drogenhandels ein möglicher Notfall solcher Art, wofür das Verteidigungministerium jährlich bis zu 75 Mio. US-$ einsetzen kann. Der Kongress hat keine Einflussmöglichkeit auf diesen Fonds, daraus getätigte Ausgaben müssen jedoch 14 Tage im Voraus angemeldet werden. Im Jahre 1998 gingen 600'000 US-$ aus diesem Fonds nach Guatemala, über 41 Mio. nach Kolumbien. Ein weiteres Gesetz regelt den Verkauf bzw. die Schenkung gebrauchter Militärutensilien an ausländische Ar- Nach oben |
meen. 1997 bot man den lateinamerikanischen Ländern, speziell Argentinien und Mexiko, gratis und franko gebrauchte Militärutensilien im Neuwert von mehr als 87 Mio. US-$ an. Mit dem Programm zur Förderung der Aus- und Weiterbildung ausländischer Militärs (IMET) wird Personen aus über 110 Ländern eine Ausbildung in 150 verschiedenen Militärakademien angeboten. Eine davon ist die bekannte Escuela de las Americas. Mit diesem Programm werden auch US-amerikanische Militärberater in die ganze Welt exportiert, um Kriegsführung zu lehren. Ein Unterprogramm des IMET bietet Kurse in nicht-kombatanten Fächern an, wie Administration (von Militärbudgets), Umgang zwischen Militär und Zivilbevölkerung oder Gesetzesanwendung. Diese Kurse stehen in Ausnahmefällen auch ausländischen ZivilistInnen offen. Obwohl sein Budget von der traditionellen Militärhilfe getrennt ist, hat das Pentagon immer eigene Ressourcen für die Kooperation mit lateinamerikanischen Armeen ausgegeben. Die US-amerikanischen Militärbasen, die regelmässigen gemeinsamen Militärübungen sowie die Entsendung von Truppenkontingenten haben den Kontakt zu den lokalen Armeen garantiert und den Austausch von Erfahrungen und Technik ermöglicht. Im Rahmen dieser "humanitären Einsätze" werden jährlich über 50'000 US-amerikanische Soldaten nach Lateinamerika geschickt, um Brunnen, Strassen oder Brücken zu bauen. In Guatemala fand zwischen 1999 und 2001 unter dem Namen Nuevos Horizontes eine solche "Übung" statt. Das Pentagon hat seine eigenen Drogenbekämpfungsprogramme, in die in den letzten Jahren zu "Ungunsten" der direkten Militärunterstützung, immer mehr Geld floss. Diese Programme unterscheiden sich nicht sehr von denen der traditionellen Auslands- bzw. Militärhilfe, unterstehen aber noch weniger einer Kontrolle als jene. Seit der US-amerikanische Kongress 1989 das Pentagon mit der Drogenbekämpfung beauftragt hat, wird nun diese Form von Militärhilfe direkt aus den Töpfen des Pentagon finanziert. Schlussfolgerung: Dieser Streifzug durch die US-amerikanischen Militärhilfeprogramme zeigt, dass auch über zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges eine enge und aktive Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen und karibischen Armeen besteht. Besorgniserregend ist, dass es fast keine Kontrollund Überwachungsmechanismen gibt, weil die Unterstützung auf unterschiedlichen Ebenen und unter verschiedenen Namen läuft. Dies führt dazu, dass kontroverse Militäroperationen wie grosse Truppenverschiebungen, fragwürdige Trainingshandbücher oder ganze Programme über Jahre hinweg im Verborgenen stattfinden können. Es ist nicht nur unbekannt, WORIN die USamerikanische Militärhilfe besteht, sondern man weiss auch nicht, AN WEN genau sie geht. Und was nach dem Kalten Krieg als eine fragwürdige Politik gegolten hat, bekommt mit dem "Kampf gegen den Terrorismus" eine neue Legitimation. Es ist also davon auszugehen, dass mindestens die Zahlen in diesem Artikel längst überholt sind und nach oben korrigiert werden müssen. |
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