Lieber bar auf die Hand oder als Sachschaden?
Fijáte 285 vom 21. Mai 2003, Artikel 7, Seite 5
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Lieber bar auf die Hand oder als Sachschaden?
Guatemala, 10. Mai. Guatemala und Escuintla waren die ersten Departements, in denen am 2. Mai mit der Auszahlung der ersten Rate von Q 1747,20 (rund 220 US-$) an die Ex-PAC begonnen wurde. Im Gegenzug mussten die Begünstigten ein Dokument unterzeichnen, womit sie sich verpflichten, keine juristischen Massnahmen zu ergreifen und nicht an Protestaktionen teilzunehmen, um auf diese Weise noch mehr Geld für ihre "Dienste" zu erpressen. Falls sie gegen diese Abmachung verstossen würden, müssten sie das erhaltene Geld zurückgeben (!) und bekämen auch den zweiten Teil der Zahlung nicht. Bereits im Vorfeld des "Tages X" kam es zu kleineren Zwischenfällen: In Huehuetenango stürmten Hunderte von Ex-PAC die örtliche Steuerbehörde (SAT), weil sie, trotz gegenteiliger Ankündigungen in den Medien, glaubten, sie müssten ihre Steuer-Identitätsnummer vorweisen, um ihr Geld ausbezahlt zu bekommen. Der Andrang führte in den Büros der SAT zum Totalchaos und Personen, die dort ihre Angelegenheiten regeln wollten, beklagten sich über die Aggressivität der Ex-PAC, die ihnen den Zutritt zum Gebäude verwehrten. Am 5. Mai sollte auch andernorts mit der Zahlung der Entschädigungsgelder begonnen werden. In den Departements San Marcos und Suchitepéquez jedoch hiess es seitens des für die Auszahlung verantwortlichen Friedenssekretariats (SEPAZ), es gäbe "Probleme mit den Listen". In San Marcos z.B. figurierten 52'000 Personen auf den Listen und behaupteten somit, den Ex-PAC anzugehören. Dies sei unmöglich, liess das SEPAZ verlauten, diese Listen müssten noch einmal überprüft werden, bevor mit den Auszahlungen begonnen werden könne. In Suchitepéquez, wo auch (noch) nichts ausbezahlt wurde, ergriffen die erzürnten Ex-PAC handfeste Massnahmen: Nachdem das Gerücht kursierte, dass nur ein verschwindend kleiner Teil der in den Listen eingetragenen Ex-PAC begünstigt würden, nämlich diejenigen, die der Regierungspartei FRG angehören, wurden in der Gemeinde Chicacao kurzerhand das Gemeindehaus, ein Museum, die Markthalle, die Feuerwehr, das Haus und das Fahrzeug des Bürgermeisters und das Fahrzeug eines ehemaligen Militärkommissars in Brand gesteckt. Die Frau des Bürgermeisters erlitt dabei einen Herzinfarkt und verstarb. In San Francisco Zapotitlán nahmen die Ex-PAC den Departementsgouverneur, Fernando Tercero, als Geisel und liessen ihn erst wieder frei, als er verprach, dafür zu sorgen, dass die 4000 Ex-Patrouillisten der Gemeinde zu ihrem Geld kommen. Nach oben |
Dabei wird Tercero wohl noch einige Probleme zu bewältigen haben, bekam er doch von der Regierung nur die Schecks für 1616 Ex-PAC, während sich im ganzen Departement 37'000 Personen auf die Liste gesetzt haben. Offenbar begannen auch in Huehuetenango die Auszahlungen nicht termingemäss, worauf am 9. Mai rund 1500 Ex-PAC das Gemeindehaus besetzten und die 26 Angestellte den ganzen Tag als Geiseln festhielten. Derweil annullierte Präsident Portillo das am 9. April erlassene Regierungsdekret über das Nationale Entschädigungsprogramm für die Opfer der Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen während des bewaffneten Konflikts (siehe ¡Fijáte! 283) und ersetzte es durch ein neues. Dieses neue Gesetz sieht nicht, wie das andere, die Schaffung eines speziellen Wiedergutmachungs-Sekretariats vor, das dem Präsidenten unterstellt wäre, sondern delegiert die entsprechenden Aufgaben an eine Wiedergutmachungs-Kommission. Dieser Kommission angehören sollen VertreterInnen des Finanz- und des Landwirtschaftsministeriums, der Präsidentschaftskommission für Menschenrechte (COPREDEH), des Friedenssekretariats und als VertreterInnen der Opfer je eine Person einer Indígena-, einer Frauen- und einer Menschenrechtsorganisation. Die Tatsache allein, dass Portillo bereits nach einem Monat sein ursprünglich erlassenes Dekret einer Änderung unterzieht, lässt berechtigten Zweifel aufkommen am politischen Willen der Regierung, nicht nur die Täter (und sich selber als Opfer darstellenden Ex-PAC) sondern auch die wirklichen Opfer des Krieges zu entschädigen. |
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