Stimmungsmache im Wahljahr: Presse und Regierung zerstritten
Fijáte 279 vom 26. Feb. 2003, Artikel 4, Seite 4
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Stimmungsmache im Wahljahr: Presse und Regierung zerstritten
Zwar versprach Präsident Portillo bei seinem Amtsantritt, bei ihm würde "alles anders" sein, inklusive seine Beziehung zur Presse, die er durch Offenheit und Freundschaft geprägt wissen wollte. Noch vor einem Jahr sagte er, er erwarte nicht, dass die Presse ihm nach dem Mund spreche, ihre Aufgabe sei es, konstruktiv zu kritisieren und zur freien Meinungsbildung beizutragen. Unterdessen verweigert er der Presse den Zugang zu Veranstaltungen, bei denen er auftritt und lanciert Verleumdungs- und Drohkampagnen. Die Vereinigung Guatemaltekischer JournalistInnen (APG) ist besorgt, ist doch zu erwarten, dass die schlechte Stimmung zwischen Regierung und Presse mit dem Fortschreiten des Wahljahres zunimmt. Im Oktober 2002 denunzierten die guatemaltekischen Tageszeitungen Prensa Libre und elPeriódico, dass die Regierung der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) eine Kampagne gegen die unabhängige Presse vorbereiten würde, um die wiederholte Kritik der Printmedien an der Regierung zu diskreditieren. Im November waren die ersten Zeichen dieser Diffamierungskampagne dann zu spüren: Zum ersten Mal in der sechsjährigen Existenz der Zeitung wurden die Büros von elPeriódico von Angestellten der Steuerbehörde heimgesucht, die eine genaue Untersuchung der Buchführung der Zeitung vornehmen wollten. Das selbe passierte bei den Tageszeitungen Nuestro Diario, einem Tochterunternehmen von Prensa Libre. Im Dezember erhielt der Direktor von el Periódico, José Rubén Zamora eine Vorladung vor Gericht, wo er hätte Rechenschaft ablegen müssen über die Recherchen zu einem Artikel über die in Guatemala existierenden Parallelmächte und über die angebliche Teilhabe des obersten Rechnungsprüfers, Carlos de León, an einem korrupten Bauunternehmen, das einen staatlichen Auftrag nicht erfüllt hatte. Am 16. Januar 2003 zitierte die Sonderstaatsanwältin für Korruption, Karen Fischer, Zamora als 'gewöhnlichen Bürger', damit er seine Aussagen mache, ansonsten werde er mit Gewalt vor Gericht gebracht. Am selben Tag beschuldigten die Steuerbehörden Zamora der Steuerflucht und der Geldwäscherei. Die drei Zeitungen ihrerseits argumentierten, dass die Anschuldigungen der Steuerbehörden gegen Zamora erfolgten, bevor die Überprüfung der Rechnungsbücher überhaupt abgeschlossen gewesen sei, und dass die Angestellten der Steuerbehörden im Falle von Nuestro Diario versucht hätten, Buchhaltungsdokumente aus den Büros der Zeitung mitzunehmen, was gegen das Gesetz verstosse. Laut Zamora wurde er von der Staatsanwältin Fischer an Tagen vorgeladen, an denen das Gericht offiziell gar nicht arbeitet, wohl in der Hoffnung, dass er nicht erscheinen würde. Zamora hat ausserdem noch zwei Klagen am Hals von Jacobo Salán Sánchez und Francisco Ortega Menaldo, zwei pensionierten Militärs und engen Beratern Präsident Portillos, die er in einer Reportage in elPeriódico mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung gebracht hatte. In einer Presseerklärung zeigte sich die JournalistInnenvereinigung Guatemalas (APG) besorgt über den "Fall Zamora", der zu einem gefährlichen Präzedenzfall werden könne, bringe er doch die Einhaltung der von Guatemala mitunterzeichneten Deklaration von Chapultepec in Gefahr, in der es heisst: "Kein Journalist kann gezwungen werden, seine Informationsquellen bekannt zu geben". Die betroffenen Zeitungen ihrerseits reichten am 16. Januar 2003 bei der Interamerikanischen Pressegesellschaft (SIP) eine Klage gegen die guatemaltekische Regierung wegen Bedrohung und Diffamierung der unabhängigen Presse ein. Auch Präsident Portillo nahm in seinem dritten Regierungsbericht, den er Anfang des Jahres ablieferte, Stellung zu seiner Beziehung zur Presse: "Die Medien sind in den Händen von Privatpersonen, die bei ihrer Berichterstattung nicht unbedingt die Interessen der Öffentlichkeit berücksichtigen." Immer wieder war von Portillo in den letzten Monaten zu hören, die Presse konspiriere für einen möglichen Staatsstreich und paktiere mit dem Präsidentschaftskandidaten der PAN, Oscar Berger. Nachdem im Januar die in einer US-amerikanischen Zeitung veröffentlichte Meldung von den guatemaltekischen Medien übernommen wurde, Präsident Portillo habe eine Uhr im Wert von 30'000 US-$ gekauft, war dessen Geduld endgültig am Ende: "Das Verbreiten solcher Meldungen ist Teil der Wahlkampagne, die für elPeriódico, Prensa Libre und Siglo XXI bereits voll im Gange ist. Doch wir dürfen uns nicht täuschen lassen: Solche Reportagen sind typisch für eine Presse, die sich in den Dienst eines politischen Projekts gestellt hat. Die selben UnternehmerInnen, welche die Aktienmehrheit dieser Zeitungen besitzen, haben ihre eigenen politischen Projekte und stören sich an einem Präsidenten, der sich nicht ihren Direktiven unterstellt." Nach oben |
Die von Portillo gezogene Konsequenz war, die Presse explizit von diversen Anlässen wie Eröffnungen von Schulen oder Marktplätzen auszuschliessen, die er sonst immer als Anlass für seine Medienauftritte nutzte. Auch verweigerte er nach wichtigen Treffen, z.B. mit dem US-amerikanischen Botschafter der Presse jegliche Information. Der FRG-Abgeordnete Haroldo Quej seinerseits sagte, ihm sei von der Partei verboten worden, an einem der von Prensa Libre regelmässig veranstalteten Pressefrühstücke teilzunehmen. Auch wenn die Spannung in den letzten Wochen etwas nachgelassen hat (die Steuerbehörden haben die Büros von elPeriódico wieder verlassen, Karen Fischer hat einen schriftlichen Bericht von Zamora akzeptiert und besteht nicht auf ihrer Vorladung), muss man im Verlaufe dieses Wahljahres wohl noch mit einigen Unstimmigkeiten zwischen der Regierung und den Medien rechnen. Gemäss Zamora ist das aber nichts Neues: "Schon zu Zeiten von Jorge Serrano und später während der Regierungszeit von Alvaro Arzú wurde die Presse beschuldigt, Parteipolitik zu betreiben, das Sprachrohr der Drogenhändler oder des Privatsektors zu sein, je nach dem, was den Regierenden gerade gelegen kam. Heute ist es die Regierung Portillo, die glaubt, dass die Presse in diesem Wahlprozess ihr grösster Gegner ist, nicht, weil wir Parteipolitik machen, sondern weil wir über Korruptionsfälle berichten, in welche Mitglieder der Regierungspartei verwickelt sind, was natürlich unangenehm für die FRG werden kann." Auch Gonzalo Marroquín, Direktor der Prensa Libre, versteht seine Arbeit nicht als Parteipolitik: "Unsere Aus- drucksformen als Kommunikationsmedien können ganz unterschiedlich sein. Aktivismus ist Teil der Meinungsfreiheit, und man kann uns deswegen nicht diskreditieren." Bezüglich des Vorwurfs, dass sich die Presse für den PAN-Kandidaten Oscar Berger stark mache, meinte Marroquín: "Wir bevorzugen gar niemanden. Wir veröffentlichen Tatsachen und Meinungsumfragen. Diese Umfragen lassen wir übrigens von den selben Meinungsforschungsinstituten machen wie bei den letzten Wahlen und damals war die FRG auch zufrieden damit!" Etwas anders sieht es die unabhängige Journalistin und Medienkennerin Iduviana Hernández. Die Presse favorisiere manchmal bewusst, manchmal unbewusst die Kandidatur von Berger, da er eine ähnlich FRG-feindliche Haltung vertrete wie die Presse selber. Weiter dürfe man auch die bestehende Verbindung zwischen der Presse und dem Unternehmenssektor nicht übersehen. Es sei eine unleugbare Tatsache, dass die Medien nur dank der Werbung überlebten, was den UnternehmerInnen eine gewisse Macht über sie gebe. In Guatemala sei die Presse traditionellerweise konservativ und identifiziere sich eher mit dem ökonomischen Konservatismus der UnternehmerInnen denn mit dem politischen Konservatismus einer FRG, meinte die Fachfrau Hernández. Die Ernennung von Luís Rabbé, dem umstrittenen Ex-Kommunikationsminister zum PR-Verantwortlichen der FRG-Kampagne zeigt laut Iduvina Hernández, dass die FRG klar auf dem Konfrontationskurs mit der Presse fährt. Im Endeffekt sei Rabbé aber nur der Handlanger des mexikanischen Medienmoguls Angel Gonzáles, auch Besitzer der meisten guatemaltekischen Fernsehsender. Dieser Gonzáles habe noch nie einen Verlierer unterstützt, und es sei durchaus möglich, dass er, falls sich Berger wirklich als ein veritabler Kandidat entpuppe, Rabbé und die FRG wie eine heisse Kartoffel fallenlasse. Der Presse wirft Hernández auch vor, oftmals nicht unterscheiden zu können zwischen Editorialjournalismus und Informationsaufbereitung. Vor allem elPeriódico überschreite manchmal die Linie und seine Editoriale trügen häufig aktivistische anstelle analytischer Züge. Damit habe sich die Zeitung klar zu einer politischen Akteurin gemacht. Edmundo Urrutia von der Vereinigung für soziale Investigationen und Studien (ASIES) hat eine einfache Erklärung dafür: "Die Presse hat die Rolle übernommen, zu kontrollieren, zu überwachen, überall dort den Finger drauf zu halten, wo etwas krumm läuft, weil es keine politische Partei gibt, die das macht. Um dieses Vakuum zu füllen, schiesst die Presse oftmals über´s Ziel hinaus und übt einen unproportional starken politischen Einfluss aus." |
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