Wahlbarometer
Fijáte 284 vom 7. Mai 2003, Artikel 10, Seite 6
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Guatemala, 2. Mai. Mitte Mai wird das Oberste Wahlgericht (TSE) offiziell die diesjährige Wahl-"Saison" eröffnen. Ungeachtet der Tatsache, dass eigentlich erst ab diesem Moment auch mit der Wahlpropaganda begonnen werden darf, ist der Zirkus schon in vollem Gange. Hier ein paar Streiflichter aus der Show: Schon seit Monaten wird in der Partei der Nationalen Allianz (PAN) ein Machtkampf ausgetragen zwischen dem von der finanzkräftigen Oligarchie getragenen Präsidentschaftskandidaten Oscar Berger und dem Generalsekretär der Partei, Leonel López Rodas, die je einen Teil der Parteimitglieder hinter sich scharen. Ob es um die Person des Vizepräsidentschaftskandidaten, um das Datum der Parteiversammlung oder um mögliche Allianzen mit anderen Parteien geht, die beiden geraten sich jedes Mal in die Haare, was zweifellos auch ihre Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung und in der eigenen Parteibasis ins Wanken bringt. Berger, ehemaliger Bürgermeister der Hauptstadt und Präsidentschaftskandidat der PAN 1999, hat sich nach längerer Überlegung inzwischen zu seinem Austritt aus der PAN und einem Anschluss an die Grosse Nationale Allianz (GANA) der beiden Parteien Partido Patriota von ExGeneral Otto Pérez Molina und Harris Whitbeck und des Movimiento Reformador, dessen bisheriger Spitzenkandidat der Unternehmer und Handelskammervorsitzende Jorge Briz ist. Beide Parteien sind offenbar dazu bereit, ihre Spitzenkandidaten (Whitbeck und Briz) zu Gunsten von Berger zurückziehen. Noch vor Bekanntgabe von Bergers Rücktritt deklarierten die sieben Mitglieder des PAN-Vorstandes (CEN) den Posten der Präsidentschaftskanditatur der Partei als vakant. Ausserdem wurde Berger untersagt, das Logo der Partei zu benutzen, öffentliche Veranstaltungen im Namen der PAN zu realisieren und warnten ihn, dass er sich im Zweifel der Amtsanmassung, des Ungehorsams und unrechtmässiger Aneignung haftbar mache. Berger betonte, dass er weiterhin zu Gunsten des Landes arbeiten werde und ihm nicht daran gelegen sei, die rund 79 Tausend PAN-GenossInnen zu enttäuschen, die ihn für die Präsidentschaftskanditatur der PAN gewählt hatten. Bei der Pressekonferenz war er in Begleitung von dem Unternehmer Eduardo González, der wiederholte, dass er Bergers Gefährte im Gespann sein werde, also als Vizepräsident kandidiere. Lopéz Rodas versicherte unterdessen, dass die PAN weiterhin solide arbeiten werde und wies darauf hin, dass zwar ein Präsidentschaftskandidat wichtig jedoch nicht fundamental für jene Arbeitspläne der Partei sei, mit denen vor drei Jahren begonnen wurde. Ebenfalls im Gespräch, sich der GANA anzuschliessen, sind die Unionistas von Ex-Präsident Alvaro Arzú. In diesem Fall bräuchte Berger eine ziemliche Portion Flexibilität, waren doch die Differenzen mit ihm ein Grund, weshalb sich die Unionistas von der PAN abgespaltet haben. Die GANA ist nicht in erster Linie als eine Allianz von Parteien sondern vielmehr als eine Allianz verschiedener Sektoren und Familien, die das traditionelle Kapital repräsentieren. Selbstverständlich hat sich die Allianz-Frage zu einem neuen Stein des Anstosses zwischen Berger und López Rodas entwickelt. Während 10 der 15 Mitglieder der Parteiführung sich gegen eine Allianz aussprachen, beharrt Berger darauf, dass es die Parteibasis sei, die diese Entscheidung treffe. Um seine Kandidatur im Namen der GANA zu unterstützen sei es ohne Bedeutung, welcher Partei sie angehörten. Am 26. April stellte die URNG offiziell ihre Kandidaten für Präsidentund Vizepräsidentschaft vor. Die Namen der beiden kursierten schon seit längerem und wurden nun von Generalsekretärin Alba Estela Maldonado offiziell bestätigt: Rodrigo Asturias Amado (alias Gaspar Ilom) als Präsident und der Kongressabgeordnete Pablo Ceto als Vizepräsident. Nach oben |
Die beiden müssen jedoch noch an der nationalen Parteiversammlung vom 1. Juni von der Parteibasis bestätigt werden. Gemäss Asturias basiert sein Regierungsprogramm auf den Friedensabkommen, wobei er vier Prinzipien besonders hervorhebt: Seriöse und umsetzbare Vorschläge anstelle von leeren und unverantwortbaren Versprechen, eine Regierung mit ethischen, ehrlichen und transparenten Grundsätzen, die der Gesellschaft verpflichtet ist, die Konkretisierung eines nationalen Projekts, das die am meisten Benachteiligten mitberücksichtigt sowie die Förderung der Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheiden und die Schaffung von sozialen Kontrollmechanismen. Ceto seinerseits betonte, die Partei sei nicht vom "Allianzen-Fieber" angesteckt und würde keinen Pakt mit der "Mafia und mit den Gangstern, die das Land privatisieren", schliessen, womit er einen Seitenhieb auf die PAN und die FRG landete. Auf lokaler Ebene sei die URNG jedoch an Allianzen interessiert. Deutlich äusserte sich Generalsekretärin Maldonado auch zur Frage der finanziellen Entschädigung an die Ex-PAC: Dieses Versprechen der FRG habe einen wahltaktischen Hintergrund und die Regierung der URNG würde auf keinen Fall solche Entschädigungen weiter ausbezahlen. Die FRG gab bekannt, ihre auf den 3. Mai angesagte Parteiversammlung, an der auch die KandidatInnen für Präsident- und Vizepräsidentschaft bestimmt werden, auf den 23. Mai zu verschieben. Die Begründung der Parteiführung, dass zuerst die lokalen Versammlungen durchgeführt werden müssten, an denen die VertreterInnen für die nationale Versammlung gewählt werden, klingt vom demokratischen Standpunkt her logisch. Die Vermutung, dass vielmehr juristische Probleme hinter der Verschiebung stekken, wird von Haroldo Quej Chen, Sekretär für Organisatorisches, bestritten, das Kandiatenduo klar: Efraín Ríos Montt und Edín Barrientos, bisheriger Agrarminister. Der Bürgermeister von Quetzaltenango, Rigoberto Quemé Chay, nahm das Angebot verschiedener BürgerInnenkomitées an und wird als ihr Präsidentschaftskandidat antreten. Auch sein Ziel ist es, eine Allianz mit anderen Gruppierungen einzugehen, vor allem braucht er eine eingeschriebene Partei, die ihn portiert. Diesbezügliche Gespräche führte er bereits mit der ANN und der URNG, entschieden sei jedoch noch nichts. Quemé Chay, der in Xela wegen seinem Regierungsstil durchaus schon ins Kreuzfeuer der Kritik kam, zählt auf die Unterstützung von rund 20, in der Bewegung für interkulturelle Solidarität zusammengeschlossenen Volksorganisationen. Er betonte, er werde nicht ins Ausland reisen, um Geld für seine Wahlkampagne zu erbetteln und sich so schon im Voraus zu kompromittieren. Sein grosser Trumpf wird wohl sein, dass er die Indígenaorganisationen hinter sich hat, denn, wie Rosalina Tuyuc über seine Kandidatur sagte: "Er ist eine Hoffnung für die Indígenas, die schon lange nicht mehr an die traditionelle Politik glauben". |
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