guatemala.de > Guatemalagruppe Nürnberg e. V. > Fijate
Fijáte
 

Lesbenbefreiung: Teil einer neuen Nation?

Fijáte 280 vom 12. März 2003, Artikel 1, Seite 1

PDF Original-PDF 280 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 --- Nächstes Fijáte

Lesbenbefreiung: Teil einer neuen Nation?

Die InitiantInnen sind sich des langen Kampfes und der zu erwartenden Widerstände gegen die Einführung einer solchen Verfassungsänderung bewusst und haben AnwältInnen engagiert, die Langzeitstrategien entwickelt haben. Ausserdem verbreiten sie den Gesetzesentwurf in den verschiedenen Organisationen und versuchen Kongressabgeordnete für ihre Sache zu gewinnen, indem sie die Parteien mit Öffentlichkeitskampagnen in der Wahlperiode unter Druck setzen.

Unterschiede zwischen den Organisationen, Unterstützung und Solidarität

"Einheit in der Verschiedenartigkeit" ist einer der Slogans, der Schwule, Transvestiten, Transsexuelle, Bisexuelle und Lesben verbindet und gleichzeitig die verschiedenen Bedürfnisse zum Ausdruck bringt.

Männer und Frauen anderer sexueller Ausrichtung als der Heterosexualität werden in Schulen, Spitälern oder bei der Arbeit diskriminiert. Wegen der verstärkten Sichtbarkeit erleiden Schwule und Transvestiten mehr diskriminierende Witze, Schikanen und physische Übergriffe in der Öffentlichkeit. Lesben hingegen werden vorerst totgeschwiegen und existieren nur als sexuell stimulierendes Futter für heterosexuelle Männer, oder als Zielscheibe für sexuelle Anspielungen und Übergriffe durch Angehörige und Bekannte. Lesben und bisexuelle Mütter werden regelmässig die VGKinderNF weggenommen, meist von vormaligen Partnern oder von Verwandten der Kindsväter.

Die unterschiedlichen Diskriminierungsformen führen auch zu verschiedenen Organisationsformen jeder Identitätsgruppe. Transvestiten organisieren Sicherheits- und Unterstützungsnetzwerke gegen Polizeigewalt, Strassengewalt und generellen Missbrauch. Schwule Männer organisieren sich mehrheitlich rund um die HIV/AIDS- Präventionsarbeit, teilen sich aber auf in immer mehr Untergruppen: junge Schwule, schwule Arbeiter, linke Schwule, etc. Im gegenseitigen Kontakt bilden sie sich weiter, organisieren 'gay pride'-Demos und feiern ihre Vielfarbigkeit. Auch Bisexuelle und Transsexuelle fangen an, ihre Identitäten zu verteidigen, auch wenn sie sich bisher nicht in konkreten Interessensgruppen organisiert haben.

Lesbenalltag und Lesbenbefreiung

Nach Jahren von Schwerpunktstreitereien und vereitelten Versuchen, sich unabhängig von der Schwulenbewegung zu organisieren, haben es die Lesben mit Aktivitäten und Kampagnen geschafft, ihren Platz in der politischen Szene zu sichern. 1995 wurde die erste Lesbenorganisation gegründet, Mujeres Somos, und 1999 Lesbiradas.

Für Lesben gibt es viele persönliche Hindernisse, sich zu organisieren. So etwa ein verinnerlichter Lesbenhass oder die Zersplitterung der Gesellschaft, die Kultur der Gewalt und die Angst, sich zu organisieren, in Erinnerung an den Krieg. Als psychische Folgen der Geheimhaltung, welche die Angst beinhaltet, Familie, FreundInnen, die Wohnung oder die Arbeit zu verlieren, leiden viele unter Depressionen, Paranoia und schlechter VGGesundheitNF. Dazu kommen die Geschlechterunterdrückung ganz allgemein, die finanzielle Abhängigkeit von männlichen Familienmitgliedern oder Ehemännern und die Gefahr, die minimale Versorgung und den Unterhalt zu verlieren.

Kollektive Hindernisse für die Organisation sind fehlende Finanzen und daher das Angewiesensein auf freiwillige Helferinnen, die nur beschränkt Zeit aufwenden können, um sie der Organisation zu widmen. Dazu fehlen die Räumlichkeiten, was wiederum die Schwierigkeit mit sich bringt, neue Frauen oder die Öffentlichkeit zu erreichen.

Auch fehlen in Guatemala Modelle lesbischer Organisationen, auf die sich neue Gruppen beziehen könnten. All dies führt zu einer verstärkten Abhängigkeit von den Mitteln schwuler Organisationen.

Zur Zeit arbeiten die Mitfrauen von Lesbiradas bei sich zu Hause. Sie treffen sich regelmässig, organisieren Anlässe und Aktivitäten und sammeln Geld, um ein eigenes Büro eröffnen zu können. In der Zwischenzeit, auch ohne eigenes Büro, verfolgt Lesbiradas ihre Aufklärungskampagnen weiter, um die Sichtbarkeit von Lesben in der guatemaltekischen Gesellschaft zu stärken.

Unterschiede in der Unterschiedlichkeit

Respekt und Wertschätzung von Unterschieden innerhalb der Lesbenbewegung sind Teil des Kampfes. Klassen- und Ideologieunterschiede führen immer wieder zu komplizierten und rigiden Trennungen in der Lesbenszene. Da Lesbiradas versucht, politisch progressiv Einfluss zu nehmen, bindet sie Lesben verschiedenster politischer Hintergründe und sozialer Schichten ein, mit dem Ziel, die Wertvorstellungen der Lesbenbewegung zu diskutieren und zu stärken.

Die Gruppe ist sich der Notwendigkeit bewusst, mehr Kontakt zu Lesben aus ländlichen Gegenden, die meist in noch grösserer Isolation leben, aufzubauen. Während Indígenafrauen auch in Lesbiradas in der Minderheit sind, gibt ihnen die urbane Umgebung, im Gegensatz zur Realität ihrer Schwestern auf dem Land, doch relativ mehr Freiheiten.

Persönliche Unterschiede bestimmen auch die politische Bandbreite der Lesbenbewegung. Alle müssen voneinander lernen, lesbische Mütter, behinderte und chronisch kranke Lesben, Maya-Lesben, VGGarífunaNF-Lesben, junge Lesben, arme Lesben, Lesben aus dem Hinterland, Lesben im Gefängnis, etc.

Die Rolle der Solidarität

AktivistInnen für sexuelle Vielfalt werben um breite moralische und politische Unterstützung, Begleitung von MenschenrechtsaktivistInnen und finanziellen wie technischen Support für ihre Organisation und ihre Aktivitäten. Sie fordern die internationale Solidaritätsbewegung auf, die spezifischen Probleme von Lesben, Schwulen und Transvestiten ernst zu nehmen und in ihr Engagement für Menschenrechte zu integrieren. Vorurteile, Diskriminierung und Verbrechen aus Hass gegen Homosexualität sind weltweit verbreitet, genauso wie die Notwendigkeit, Kräfte über politische und kulturelle Grenzen zusammen zu schliessen im Kampf gegen die Vorherrschaft des Patriarchats. Friedensförderungsbestrebungen von guatemaltekischen Lesben und Schwulen sollen zusammen mit anderen Bewegungen mithelfen, eine neue und bessere Welt zu schaffen.


PDF Original-PDF 280 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 --- Nächstes Fijáte