LehrerInnenproteste: Keine Lösung in Sicht
Fijáte 280 vom 12. März 2003, Artikel 9, Seite 6
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LehrerInnenproteste: Keine Lösung in Sicht
Guatemala, 7. März. Selbst gegen Ende der siebten Streikwoche der gesamten staatlichen Lehrerschaft zeichnet sich noch nicht einmal ein erster Konsens zwischen Regierung und DozentInnen ab. Letztere erfahren dagegen massive Unterstützung von allen Seiten der Gesellschaft: An den Forderungen, Demonstrationen, Besetzungen von strategischen Verkehrspunkten wie Grenzübergängen, Erdölinstallationen und Flughäfen, beteiligt sich derweil das ganze Land, so z.B. auch die Kirchen, und in Sololá unter Leitung des indigenen Bürgermeisters 72 comunidades. Provoziert wird diese Solidarität zudem durch die andauernden repressiven Massnahmen der Regierung, die weiter mit Entlassungen und Anklagen droht, bislang das Gehalt für den Februar nicht ausgezahlt hat und gar in Aussicht stellt, den Belagerungszustand auszurufen, was die Aufhebung jeglicher Garantien für die gesamte Gesellschaft zur Folge hätte. Während sich Präsident Alfonso Portillo seit Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigt und seine Kommentare nur im Radio oder bei exklusiven Presseterminen verlauten lässt, weiss er Zivilpolizei, Militär und selbst die Ex-PAC's als getreue Handlanger, die, so im Petén, den LehrerInnen eigene Ultimaten zur Wiederaufnahme des Unterrichts stellen, bevor zu Massnahmen gegriffen werde. An einem mehr als 300km langen Nationalen Marsch der Magisterialwürde von Ixtahuacán, Huehuetenango, in die Hauptstadt, der in Erinnerung an den von staatlichen Sicherheitskräften niedergeschlagenen Protestmarsch der Bergwerksarbeiter 1975 durchgeführt wurde, nahmen an die 8´000 Menschen teil, die von der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Wasser und Schlafplätzen alimentiert wurden. Anschliessend sammelten sich diverse soziale Sektoren am 3. März zur Massendemonstration, um mit vereinten Kräften die Lösung im Bildungs- und Agrarbereich sowie der Kaffee- und Landkrise einzufordern und gegen die Preiserhöhung von Kraftstoffen und, als Folge davon, des Transportwesens zu protestieren. Verschiedene Lösungsmodelle für den Bildungssektor wurden von den beteiligten Seiten eingereicht. Die LehrerInnen, die ihre Vorschläge offensichtlich in funktionierender Basisdemokratie erarbeiten, fordern eine Angleichung der Staatsausgaben für den Bildungssektor mindestens an den lateinamerikanischen Durchschnitt, also eine Erhöhung der aktuellen 1,7% auf 4,2% des BIP. Ihre Ansprüche auf 100% Gehaltserhöhung sind inzwischen auf Q 250 (ca. US$ 32) monatlich gesunken. Nach oben |
Doch das Angebot der Regierung von einem jährlichen Bonus von Q 1´500 in zwei Raten oder Q 100 im Monat, also ihrem allerersten Vorschlag gleich, sei eine Demütigung des Lehrkörpers, forderte dieser doch keine persönliche, gehaltstechnische, sondern eine grundsätzliche Verbesserung des gesamten Bildungssektors, also eine gesicherte, langfristige Etaterweiterung des Ministeriums. Dass sich dessen Chef, Bildungsminister Torres, dagegen wehrt und gegen die agiert, die sich um das Wohl seines Ressorts bemühen, erscheint ironisch. Alvaro Colóm von der Partei UNE schlug zur Finanzbeschaffung die eigentlich seit sechs Jahren anstehende Auflösung des Präsidialen Generalstabs (EMP) vor. Rodolfo Paiz der Demokratischen Einheit spielte indes mit dem Gedanken der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1%, was einen 'Gewinn' von Q 1 Milliarde im Jahr hiesse. Doch die Verhandlungen über die für einen Notstandsplan erforderlichen Überweisungen verschiedener Ministerien von insgesamt Q 810 Mio., wie die Opposition bereits vorgeschlagen hatte, scheiterten an den für eine Abstimmung notwendigen 75 % der Kongressstimmen: Ausreichend FRG-AnhängerInnen hatten rechtzeitig den Saal verlassen. Präsident Portillo hat so seine eigene Einstellung und Auffassung der Situation: "Wenn ich bis Freitag (7.März, sein letztes Ultimatum, die Red.) keine Antwort erhalte, werde ich eine richtige Reform des Bildungssektors durchziehen, d.h. eine totale Dezentralisierung und PRONADE-Schulen (selbstverwaltete, die Red.) im ganzen Land. Wir haben Toleranz und Respekt gezeigt und Opfer im Fiskalbereich geleistet. Mehr können wir nicht tun. Das Land braucht eine grosse Veränderung hinsichtlich der Bildung und ich bin bereit, diese zu vollbringen, komme, was wolle." |
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