Doch ein Schritt voran?
Fijáte 281 vom 26. März 2003, Artikel 5, Seite 4
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Doch ein Schritt voran?
Guatemala, 18. März. Nach 51 Tagen "permanenter Versammlung" haben die guatemaltekischen LehrerInnen nun den Schulbetrieb wieder aufgenommen. Während schliesslich auch vom Verfassungsgericht der Streik als illegal beurteilt worden und den DozentInnen ein Ultimatum von fünf Tagen zur Rückkehr in die Schulen gesetzt worden war, kam es nach zähen Verhandlungen zwischen der Nationalen LehrerInnenvereinigung ANM und der Regierung doch zu einer Einigung, die letztendlich neun Punkte umfasst. Dazu gehört eine Gehaltserhöhung um 150 Quetzales (ca. US$ 19) je nach Besoldungsstufe kann dies mehr sein für die mehr als 80´000 staatlich angestellten LehrerInnen und weitere 9´000 Verwaltungsangestellte des Erziehungsministeriums (MINEDUC) ab dem 1. März. Vereinbart wurde auch eine Haushaltserhöhung des MINEDUC um Q 780 Mio. (ca. US$ 100 Mio.). Um die "verlorene" Unterrichtszeit wieder aufzuholen, müssen die LehrerInnen jeden Tag eine Stunde länger arbeiten. Eine aus beiden Parteien bestehende Kommission soll darüber entscheiden, wie mit dem noch ausstehenden Gehalt vom Februar und den angedrohten Entlassungen und arbeitsrechtlichen Sanktionen gegen die Streikenden umgegangen werden soll, die im Grunde durch das akzeptierte Ultimatum vom Verfassungsgericht bereits zugesprochen bzw. aufgehoben sind. Eine weitere zu bildende, integrierte Instanz wird damit beauftragt, sich um die Verbesserung diverser Regierungsprogramme im Bildungssektor zu kümmern. Dazu gehören Stipendien, Schultaschen, Lehr- und Lernmaterial und Transportbeihilfen. Bis zum 30. April soll eine Arbeitsgruppe aus ANM und MINEDUC ein Programm für die fachliche Entwicklung und Überarbeitung des Curriculums sowie der Professionalisierung des Lehrkörpers vorlegen. Zwei weitere Punkte der Vereinbarungen sind die Beteiligung der ANM an der Aufstellung des Haushaltsplans des MINEDUC für 2004 und die Erarbeitung eines Chronogramms für den weiteren Verlauf des Dialogs, um die Erfüllung der Abkommen voranzutreiben. Die finanziellen Mittel für die angekündigten Massnahmen sollen durch entsprechende Überweisungen von Seiten der staatlichen Institutionen UCEE (staatliche Baubehörde), FONAPAZ (Friedensfonds), FIS (Sozialfonds) und dem Landwirtschaftsministerium beschafft werden. Bildungsminister Torres zieht auch den Rückgriff auf die Finanzen der Alphabetisierungsprogramme in Betracht. Die Regierung wurde bei der Unterzeichnung des Abschlussdokuments durch die Minister für Bildung, Mario Torres, für Arbeit, Victor Moreira, und für Finanzen, Eduardo Weymann, vertreten. Neben den sieben RepräsentantInnen der ANM signierten zudem die beiden Ehrenzeugen Monseñor Quezada Toruño der Katholischen und Vitalino Similox der Evangelischen Kirche. Nach oben |
Ungeachtet dieser Abmachungen kreiert Präsident Portillo mal eben das "System für die Dezentralisierung der Bildung" SIDEGE. Darin sollen die bisherigen selbstverwalteten PRONADE-Schulen (und u.a. deren Etat) aufgehen. Den dann in "Bildungsvereinigungen" organisierten Eltern als einziger Kontrollinstanz käme mithin die Einstellung und Entlassung des Lehr- und Verwaltungspersonals sowie die Unter- und Instandhaltung des Schulbetriebs zu. Für Moisés Fuentes von der ANM stellt das SIDEGE Teil der Privatisierung des Bildungssektors dar, das zusätzlich politisches Manöver der Regierungspartei sei, um parteigetreue Elternvereinigungen zu schaffen und damit die Aktionen der Lehrerschaft der letzten Wochen zu bestrafen. Auch die Eltern sind gegen den neuen Plan und nicht bereit, die Verantwortung des Staates zu übernehmen. Zudem wäre gerade die in den ländlichen Gebieten betroffene Bevölkerung durch dieses aufgezwungene unentgeldliche Ehrenamt über alle Massen belastet. Bei der symbolischen Schuljahreseröffnung auf dem Platz der Konstitution, bei der auch der vier während des Streiks durch Unfälle verstorbenen LehrerInnen gedacht wurde, betonte die ANM, dass die Wiederaufnahme des Unterrichts kein Nachgeben ihrerseits bedeute, sondern dass die LehrerInnen im Zweifel wieder zu Massnahmen greifen würden. Zudem rief die Vereinigung die LehrerInnen zum Gewerkschaftsbeitritt in allen 22 Departements auf, um schliesslich eine nationale magisteriale Föderation zu bilden und den Privatisierungsplänen zu entgegnen. Der verspätete Schulbeginn führte die aktuelle katastrophale Situation des Schulsystems vor Augen: Es mangelt vielerorts an den grundsätzlichsten Dingen, oft findet der Unterricht in privaten, nicht adäquaten Räumen statt. Zwar ist mit der erreichten Einigung der erste Schritt für die seit Jahren notwendige Instandsetzung des Bildungssystems in Angriff genommen worden. Doch hat sich die Diskussion über die ursprünglich bereits vor einem Jahr eingereichten 33 Forderungen der LehrerInnen letztlich doch auf die ökonomische Ebene beschränken lassen. Dazu kommt sicherlich auch die fehlende politische Anbindung und der Mangel einer mittel- und langfristigen Strategie, mit welcher das strukturelle Problem der öffentlichen Bildung möglicherweise gelöst werden könnte. |
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