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Ein einziger Fall nur!

Fijáte 283 vom 23. April 2003, Artikel 1, Seite 1

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Ein einziger Fall nur!

Heute kommen wir wieder zusammen und bringen je eine Menge individueller und gemeinsamer Erfahrungen mit. Dazu gehört sicher die Erkenntnis, dass die VGStraflosigkeitNF nur bekämpft werden kann, wenn es Veränderungen auf struktureller Ebene gibt. Das Menschenrechtsprokurat nimmt auf struktureller Ebene eine wichtige Rolle ein, kann sie doch nebst den Untersuchungen, die sie führt, auch Anklägerin sein. Dieses Mandat der PDH gilt es auszunutzen und zu stärken, und dazu dienen uns sicher die internationalen Institutionen und deren Berichte. Frage: Maria-Eugenia, du hast vorhin gesagt, dass du hier bist, um Geld für die Arbeit der PDH aufzutreiben. Wie willst du die Internationale Gemeinschaft davon überzeugen, dass sie Geld investieren soll, wenn die Gefahr besteht, dass die PDH unter einem nächsten Leiter wieder ganz andere Wege einschlägt? M.-E .de S.: Der aktuelle Ombudsmann, Sergio Morales, hat sich dazu verpflichtet, die Ausbildung der MitarbeiterInnen der PDH zu verbessern. Dazu gehört u.a. die Erarbeitung von Stellenprofilen. Zur geplanten Umstrukturierung gehören auch interne Weiterbildungen. Im Moment haben wir ein Jahresbudget von 10'000 Quetzales (ca. 1200 US-$) für Organisationsentwicklung und Weiterbildung für die ganze Institution! Diese 10'000 Quetzales reichen vielleicht knapp, damit der Ombudsmann und seine engsten MitarbeiterInnen grob die gemeinsamen Arbeitsziele definieren können. Wir erhoffen uns, dass nach dem Weggang von MINUGUA dieser Budgetposten der PDH etwas mehr Beachtung erfährt. Im Rahmen des Weggangs von MINUGUA ist uns natürlich sehr daran gelegen, noch möglichst viel von ihr zu profitieren, und die Übernahme einzelner Arbeitweisen ist für unsere MitarbeiterInnen bereits eine Art Weiterbildung. Weiterbildung und Spezialisierung muss aber institutionalisiert werden. Momentan befinden wir uns in einem Teufelskreis: Die Bevölkerung hat kein Vertrauen in uns, weil unsere MitarbeiterInnen zuwenig ausgebildet sind, und wir haben kein Geld, um ihnen diese Ausbildung zu ermöglichen. Frage: Die USA stehen voll hinter dem Projekt der CICIACS. Was steckt da für ein Interesse dahinter? M.P.: Die Idee der CICIACS nahm im Januar 2002 in Europa Gestalt an, bei einem Treffen verschiedener VertreterInnen guatemaltekischer Organisationen in Den Haag. Als wir nach Guatemala zurückkehrten, haben wir zu recherchieren begonnen, um herauszufinden, ob eine solche Kommission irgendwo schon einmal erwähnt wurde. Wir haben den Bericht der VGWahrheitskommissionNF durchgekämmt und nichts gefunden. Im VGFriedensabkommenNF über die Menschenrechte fanden wir einen Hinweis. Dann haben wir erfahren, dass es in VGEl SalvadorNF eine solche Kommission gegeben hat, und diese diente uns ­ bis hin zum Namen ­ als Vorbild. Wir begannen dann, im Rahmen unserer Reisen ins Ausland mit anderen Personen über die Idee zu sprechen. Als erste hat VGHelen MackNF in VGWashingtonNF den dortigen Menschenrechtsorganisationen das Projekt vorgestellt, und diese waren sofort begeistert. Auch die Gespräche mit USamerikanischen RegierungsvertreterInnen waren erfolgreich. Wir lösten ihnen nämlich ein grosses Problem: Ihre Angst, dass über Guatemala ein Haufen 'Terroristen' in ihr Land kämen. Ein Bin Laden,

falls er noch lebt, könnte locker einem guatemaltekischen Ex-General ein paar Millionen auf den Tisch werfen, und dieser organisiert ihm so viele guatemaltekische Pässe wie er nur will. Auch in Guatemala gibt es eine Reihe kleiner Monster, die von den USA grossgezogen und gehätschelt wurden und die sie jetzt nicht mehr unter Kontrolle haben. Nun suchen sie einen Weg, um diese Leute auszuschalten, und da kommt ihnen unser Vorschlag einer CICIACS gerade gelegen. In diesem Fall haben sie uns als ihre Alliierten auserwählt...Ihre Begeisterung ging soweit, dass Hamilton, der Anfang des Jahres als neuer US-Botschafter nach Guatemala kam, begann, für unser Projekt Lobbyarbeit zu machen. M.E. de S.: Die Frage der US-amerikanischen Interessen ist auch auf institutioneller Ebene sehr wichtig. Die PDH muss per VGVerfassungNF und Mandat unabhängig sein, um ihre Arbeit objektiv machen zu können. Deshalb ist es uns auch wichtig, dass die internationale Gemeinschaft nicht nur finanziell sondern auch moralisch hinter der CICIACS steht. Dass die Vereinigten Staaten unser Vorhaben unterstützen, ist natürlich sehr wichtig, soll es erfolgreich sein. Frage: Das klingt ja alles wunderbar, aber kürzlich wurde die Meldung veröffentlicht, dass die PDH und Edgar Gutiérrez am 13. März einen Vertrag über das Funktionieren der CICIACS unterzeichneten und kurz darauf im Kongress ein Gesetzesentwurf vorlag, der, bei Annahme, diesen Vertrag nichtig machen würde (siehe ¡Fijáte! 282). Ist das der Beginn eines administrativen Geplänkels, das dazu führt, dass die CICIACS nie zu arbeiten beginnt? M.P.: Wir haben im Vorfeld versucht, alle möglichen und unmöglichen Szenarien durchzuspielen, die der CICIACS in den Weg gestellt werden könnten. In Guatemala gibt es drei Möglichkeiten, um ein Gesetz in Kraft zu setzen: Per Gesetzesvorschlag, der vom Kongress angenommen werden muss, per Regierungsabkommen oder per Legislativabkommen. Wir wussten, dass es ein ziemliches Risiko sein würde, 113 Personen ­ von denen einige ins VGorganisierte VerbrechenNF involviert sind ­ einen Gesetzesvorschlag zu präsentieren, weil im Kongress nicht ein Gesetz als ganzes, sondern Artikel für Artikel angenommen wird, und diese können einzeln modifiziert werden. Bei einem Regierungsabkommen hingegen reicht es, wenn der Präsident das Abkommen unterschreibt, am nächsten Tag im Regierungsorgan publiziert, und schon tritt das Gesetz in Kraft. Das Problem mit einem Regierungsabkommen ist, dass am näch-

sten 14. Januar ein neuer Präsident das Amt antritt. Wenn diesem ein Abkommen nicht passt, unterschreibt er einfach ein weiteres Dokument und setzt es damit ausser Kraft. Deshalb setzen wir auf das Legislativabkommen: Dieses wird auch vom Kongress angenommen, aber es wird als Ganzes verabschiedet. Was am 13. März versucht wurde ­ und ich sage das als Vertreter einer sozialen Organisation, María Eugenia ist da vielleicht anderer Meinung ­ ist Teil der Manipulationen, an die wir seit langem gewöhnt sind. Ich traue Gutiérrez nicht uneingeschränkt und kann mir gut vorstellen, dass er den Vertrag vom 13. März mit der PDH unterschrieben hat, um hier in Genf gut dazustehen. Unterdessen haben wir aber ­ auch hier in Genf ­ soviel Druck ausgeübt, dass er seinen ominösen Gesetzesentwurf wieder zurückziehen musste. Jetzt sieht es so aus, als ob Gutiérrez mit der UNO und der OAE ein Dokument erarbeitet, das dem Kongress als Legislativabkommen unterbreitet werden soll, wie wir uns das vorgestellt haben. Frage: Es heisst, dass es schon über 70 Fälle gibt, die der CICIACS zur Untersuchung vorgelegt werden sollen. Um was für Fälle handelt es sich dabei? M.P.: Diese über 70 Fälle müssen erst noch dokumentiert werden. Wahrscheinlich sind es sogar mehr. Dann muss entschieden werden, ob sie sich eignen, der CICIACS vorgelegt zu werden. Um diese Arbeit zu machen, haben wir die sechs Monate Zeit, die es noch dauern wird, bis die CICIACS zu arbeiten beginnt.

M.-E. de S.: Diese 77 Fälle sind eine Auswahl aller Anzeigen, die von der PDH entgegengenommen wurden. Natürlich gäbe es noch viel mehr Fälle. Aber für mich geht es nicht um die Anzahl der Fälle, die wir vorlegen können. Mein höchstes Glück wäre es, einen einzigen Fall durchziehen zu können! Ein Fall, an dem wir die VGklandestinen StrukturenNF aufzeigen können, der zeigt, wer die Verantwortlichen sind, ein Fall, der korrekt geführt wird und der uns erlaubt, demokratisch und juristisch die Personen zu verurteilen, die ausserhalb des Gesetzes funktionieren. Dies wäre ein grosser Sieg für den guatemaltekischen Staat und wäre der Beginn einer Ära, in der alle Welt wüsste, dass in Guatemala solche Verbrechen verfolgt und bestraft werden. Ein einziger Fall nur!


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