Trotz aller Berichte: Drohungen gehen weiter
Fijáte 283 vom 23. April 2003, Artikel 3, Seite 4
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Trotz aller Berichte: Drohungen gehen weiter
Guatemala, 17. April. Am 7. April, noch während er sich in Genf für die Schaffung der CICIACS einsetzte, wurde das Haus von Mario Polanco und seiner Partnerin, der ANN-Kongressabgeordneten Nineth Montenegro, überfallen. Montenegro ihrerseits nahm zur Zeit des Überfalls die vom guatemaltekischen Unternehmensrat verliehene Auszeichnung als "Leaderin des Jahres 2002" entgegen. Unbekannte Männer fragten die Hausangestellte der beiden nach Polanco und als sie erfuhren, dass der Gesuchte nicht zu Hause sei, stürmten sie herein und nahmen nebst Computern auch sämtliche anderen Elektro- und Haushaltsgeräte mit. Die Computer enthielten wichtige Information über die Arbeit der Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM) und der von Montenegro und der GAM durchgeführten Studien über Budgetverschiebungen und Geldtransfers, vor allem ins Verteidigungsministerium. Obwohl die öffentliche Version die eines gewöhnlichen Einbruchs ist, sind Polanco und Montenegro davon überzeugt, dass es in erster Linie um die Daten auf den Computern und um eine Einschüchterung ging. Einige Tage vor dem Überfall auf das Haus Polanco/Montenegro wurde in Comanchá, Quiché, der Maya-Priester Diego Xon Salazar mitten in der Nacht von schwerbewaffneten Männern aus seinem Haus entführt und zwei Tage später erschossen aufgefunden. Xon Salazar war Mitglied der Bewegung Uk'ux Mayab'Tinamit und der Akademie der Maya-Sprachen, nahm an den Versammlungen der nationalen Menschenrechtsbewegung (MNDH) teil und war langjähriges Mitglied der GAM. Xon Salazar erhielt bereits im März 2002 Drohungen, als er öffentlich auf die Wiederorganisierung der ehemaligen Zivilpatrouillen (PAC) im Quiché aufmerksam machte. Die GAM wirft den örtlichen Behörden vor, die Drohungen gegen Xon Salazar nicht ernst genommen und ihm den nötigen Schutz verweigert zu haben. Die Organisation schliesst nicht aus, dass die PAC für den Mord verantwortlich sind. Am 4. April wurde der Vertreter des Menschenrechtsprokurators (PDH) von Puerto Barrios, Waldemar Barrera, in seinem Auto überfallen, wobei ihm Dokumente gestohlen wurden, die mit seiner Arbeit zu tun hatten. Nach oben |
Zwei Tage später wurde auch das Büro der PDH überfallen und verschiedene Archive, Dokumente und Computer gestohlen. Andere Wertgegenstände, wie z. B. eine Kamera, wurden von den ,Dieben' nicht mitgenommen. Im letzten Jahr untersuchte diese Menschenrechtsombudstelle mehr als 90 Fälle, in welche zum Teil auch Mitglieder der Gemeindebehörde und der staatlichen Sicherheitskräfte verwickelt waren. Zu den bekanntesten Fällen gehören die Ermordung des Journalisten Mynor Alegría und die im Rahmen einer Drogenfahndung durchgeführte Razzia im Dorf Chocón, bei der zwei Menschen von Mitgliedern der speziellen Drogenfahndungseinheit (DOAN, unterdessen aufgelöst) ermordet wurden. In diesem Fall wurden am 10. April sechzehn an der Razzia beteiligte DOANMitglieder zu je 25 Jahren unumwandelbarer Haft verurteilt. Ein weiterer Einschüchterungsversuch ist die Entführung des 16-jährigen Sohns von CNOC-Koordinator Rafael Chancavac. Der Jugendliche verschwand am 4. April nach dem Schulunterricht. In den Tagen zuvor hatte die Familie mehrere telefonische Drohungen erhalten, in denen es hiess "Rafael hat eine Schuld zu begleichen". Auch die Direktorin der Nachrichtenagentur CERIGUA berichtet von erneuten Drohungen und Überfällen, ebenso der Generalstaatsanwalt Carlos de León Argueta und zahlreiche andere ExponentInnen von Justiz, Menschenrechtsorganisationen oder Presse. Es ist offensichtlich und wird durch genaustens belegte Berichte sowie die täglichen Vorkommnisse bestätigt: Die Menschenrechtssituation in Guatemala verschlimmert sich. Einzig als makabrer Scherz kann es deshalb interpretiert werden, dass Präsident Portillo im Sitz der OEA mit dem "Freiheits-Preis" des International Center, einer US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation, ausgezeichnet wurde. - Und zwar für seinen unermüdlichen Einsatz für den Schutz der Menschenrechte in Guatemala! |
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