Neues Krimikapitel im Pavoncito
Fijáte 283 vom 23. April 2003, Artikel 6, Seite 5
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Neues Krimikapitel im Pavoncito
Guatemala, 16. April. Die Versicherungen des Regierungsministeriums, die Situation in der Haftanstalt Pavoncito voll im Griff zu haben, wurde nicht nur durch Aussagen des stellvertretenden Direktors des Gefängnisses widerlegt, laut derer die vom Gericht angeordnete Verlegung von zwei Häftlingen nicht möglich sei, da jene als "cholos" bekannten Inhaftierten die Einrichtung unter ihrer Kontrolle hätten und keinerlei Garantie gewährleistet werden könne, dass die Wächter, der Bürgermeister oder ein Justizvertreter Einlass bekämen. Am 18. März war in der Kapelle des Gefängnisses die Leiche eines Internierten gefunden worden. Medizinische und polizeiliche Untersuchungen sprachen gegen die erste Vermutung, dass er sich erhängt hätte und stellten fest, dass er von dem als "Mike aus Arizona" bekannte Häftling und vier weiteren Mitinsassen ermordet worden war. Die Inhaftierten erlaubten nicht, dass die Staatsanwälte den Leichnam selbst aus dem Gebäude holten, dieser wurde statt dessen an der Eingangstür überreicht. Doch dies war wohl nur das Vorspiel zum nächsten Akt: Mitte April endete eine Polizeirazzia im Pavoncito in einer Schiesserei zwischen Sicherheitskräften und Häftlingen, die vier Tote und 19 Verletzte hinterliess. Es ging wohl zu wie im Krimi: Auf der Suche nach vier seit Wochen verschwundenen Insassen und aufgrund der Information, dass am 20. April ein dem im Dezember ähnlicher Gefängnisaufstand stattfinden sollte (¡Fijáte! 277), kamen etwa 500 AgentInnen der Nationalen Zivilpolizei morgens um 5 Uhr in Bussen und LKWs mit ausgeschalteten Lichtern auf dem Gelände der Haftanstalt an, bevor 50 Mitglieder der Schnellen Eingreifgruppe das Gebäude umstellten und ihre AK-47 abfeuerten nur fünf Minuten später wurden sie von den Schüssen der Häftlinge empfangen. Nach 10 Minuten warf die Polizeiliche Spezialeinheit (FEP) Tränengasbomben, um der Schiesserei ein Ende zu bereiten. Auf Geheiss des Vize-Regierungsministers Alfredo Cáceres wurde der Presse und VertreterInnen des Menschenrechtsprokurats (PDH) der Zugang zum Tatort verwehrt, wo die Polizei diverse Waffen, waffenähnliche Gegenstände sowie Drogen sicherstellte. Schon im Vorfeld zeigte die PDH Behinderungen durch die örtlichen Autoritäten bei ihrer Arbeit im Fall Pavoncito an, wobei sie prüfen wollten, wie eine Inspektion in dieser Haftanstalt durchführbar wäre. Doch vom zuständigen Friedensrichter, dem Staatsanwalt und anwesenden Polizeiagenten wurde ihnen der Zutritt nicht gestattet. Die 550 Pavoncito-Insassen wurden inzwischen in die Gefängnisse in Escuintla und Chimaltenango verlegt, die jedoch weder adäquat ausgestattet sind noch den (Sicherheits-)Anforderungen entsprechen. Nach oben |
Die Staatsanwaltschaft ist derweil weiter mit der Suche nach den vier verschwundenen Häftlingen und den Ermittlungen im Pavoncito beschäftigt. Mit Hilfe der Polizei wurden unter den Bodenplatten im Gefängnis bereits einige Hinweise gefunden, auch vergrabene Knochen kamen zum Vorschein, ob diese menschlich sind, wird derzeit untersucht. Bereits im letzten Jahr wurden von der Mission der Vereinten Nationen für Guatemala (MINUGUA) und der Kommission des Gefängnissystems diverse Vorschläge zur Lösung der anhaltenden Krise der Gefängnissituation eingereicht. Doch diese blieben in den Berichten lediglich schriftlich festgehalten und fanden bis heute keinerlei Umsetzung. Für Regierungsminister José Adolfo Reyes Calderón besteht nun doch erst einmal Anlass, die seit Mitte Februar freie und nur durch einen provisorischen Leiter gefüllte Position der Direktion des Gefängnissystems mit Hilfe einer "dringenden Ausschreibung" neu zu besetzen. Ebenso wichtig ist die längst fällige Verabschiedung des neuen Strafgesetzes, die aber auch nicht ohne Absicht vom Kongress hinausgezögert wird. |
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