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Die Stille ist oft stärker als jedes Wort

Fijáte 290 vom 30. Juli 2003, Artikel 1, Seite 1

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Die Stille ist oft stärker als jedes Wort

Monseñor VGGerardiNF und alle, die wir beim REMHI mitgearbeitet haben, haben gesehen, dass die Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses und Suche nach Wahrheit unabdingbar sind, um einen wirklichen Frieden zu erreichen. Wir dachten, dass die Verantwortlichen erschüttert sein würden, wenn sie sich bewusst werden, was sie angerichtet haben. Leider war dies nicht so, sie wurden noch härter. Genau daran scheitert der Friede in Guatemala! Versöhnung darf nicht dazu dienen, die Leute zum Schweigen zu bringen und die begangenen Verbrechen zu verschweigen. Deshalb beschreiten wir den Weg der Wahrheit. Wahrheit bedeutet: Nichts Verschweigen, nicht "Schwamm drüber" und Neuanfang, nicht Vergessen. Es ist nicht dieser ironische Friede, die ironische Versöhnung, von denen die VGVereinigten StaatenNF sprechen, nach allem, was sie im VGIrakNF angerichtet haben. Eine Versöhnung, die auf der Wahrheit basiert, erlaubt das Verzeihen, die Konversion, aber auch die Verfolgung der Gerechtigkeit als Fundament des Friedens. Versöhnung ist die einzige Form für ein weiteres Zusammenleben in den Gemeinden, doch leider hat sie noch nicht überall stattgefunden. Vielleicht ist die Versöhnung im Kleinen, auf Gemeindeebene einfacher, weil die Leute wissen oder nachvollziehen können, was geschehen ist. Vielleicht hilft es ihnen auch, die wirkliche Verantwortung an andere, höhere und entferntere Ebenen delegieren zu können. Frage: Wie wird in den Gemeinden, in denen Sie arbeiten, das nationale politische Panorama wahrgenommen, wie reagiert man darauf? R.P.: Die Leute sind frustriert und deprimiert über die politische Situation. Die Zeit des relativen Friedens war viel zu kurz. Für mich begann der Friede im Dezember 1996 mit der Unterzeichnung der Abkommen und war im April 1998 mit der Ermordung von Bischof Gerardi zu Ende. Es gibt keine Worte, um zu beschreiben, was die guatemaltekische Gesellschaft gegenüber der aktuellen Regierung fühlt, die bei ihrer Machtübernahme öffentlich verkündete, die Friedensabkommen als Staatsabkommen anzuerkennen. Präsident Portillo übernahm in seinem Diskurs sämtliche Empfehlungen des REMHI und der VGCEHNF. Wir glaubten, eine neue Morgenröte würde in Guatemala beginnen, und es war frustrierend zu merken, dass dies nicht so ist. Die Auswüchse der VGKorruptionNF sind unglaublich. Man hätte sich früher fragen sollen, wovon die Leute, die früher vom Krieg, von den Erpressungen und Entführungen profitiert haben, später leben werden... Frage: Welche Protestformen würden Sie der guatemaltekischen Bevölkerung empfehlen, um sich gegen die aktuelle Korruption und Militarisierung auszusprechen? R.P.: Es ist schwierig zu sagen, ob die Probleme in Guatemala durch Protestaktionen gelöst werden können. Ich glaube, man muss neue, kreative Formen des Handelns finden, um die notwendige Aufmerksamkeit zu bekommen. Es gibt verschiedene Formen des Engagements, und ich bewundere den titanischen Kampf der sozialen und Menschenrechtssektoren, die alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen. Die Verbindungen und Verknüpfungen der sozialen Organisationen müssen verstärkt und ausgedehnt werden, und alles, was seit der Unterzeichnung der Friedensabkommen gewachsen ist, muss sich potenzieren. Guatemala durchläuft eine düstere Phase. Die Wahlen stehen an, und es sieht nicht wirklich nach Veränderung aus. Im Moment geht es darum, diese düstere Zeit durchzustehen und darauf zu warten, dass irgendwo das Licht durchbricht. Derweil ist es wichtig, begonnene Engagements weiterzuführen, aufmerksam zu sein, sich nicht einschüchtern lassen. Beispiele wie das von VGHelen MackNF machen Mut. Man muss sich weiterhin dem Frieden verpflichten. Frage: Wie wird die Bevölkerung im VGQuichéNF im November wählen? R.P.: Keine Ahnung! Das ist abhängig davon, was in den nächsten Monaten noch alles geschieht. Ich glaube, die Leute sind gescheit genug, sich nicht durch Geschenke und leere Versprechen manipulieren zu lassen. Das einzige Problem ist, dass es keine wirkliche Alternative gibt, für die zu wählen sich lohnt. So werden sie sich für das kleinste Übel un-

ter der zur Auswahl stehenden Parteien entscheiden. Frage: Von wegen "gescheit genug" ­ bei den letzten Wahlen konnte man feststellen, dass die vom Krieg am schlimmsten getroffenen Gemeinden die FRG von VGRíos MonttNF gewählt haben! R.P.: Ja, aber seither hat sich einiges verändert. Das Erstarken der PAC zeigt, wo diese Stimmen angesiedelt waren, und dass es nicht die Opfer waren, die die FRG gewählt haben. Der General hat seine alten Beziehungen ausgespielt, um Stimmen auf dem Land zu gewinnen. Zu dieser Zeit haben ihm die Leute den alten Spruch "Ich lüge nicht, ich stehle nicht" noch abgenommen, aber heute glaubt ihm das niemand mehr. Frage: Seitens der Bevölkerung gibt es aber keinen grossen Protest gegen seine Kandidatur als Präsident. Widerstand dagegen spielt sich nur auf der legalen Ebene ab. R.P.: Stimmt, es gibt keinen grossen Protest. Das hat aber nicht damit zu tun, dass die Leute nicht gegen seine Kandidatur wären, sondern damit, dass niemand in der Lage ist, einen solchen Protest zu mobilisieren. Es gibt keine Persönlichkeit, die einen solchen Protest ins Leben ruft und die Leute hinter sich bringen könnte. Das ist das grosse Problem in Guatemala. Und die wenigen Leute, die das gekonnt hätten, haben ihre sämtlichen Ideale verloren und sind von der Regierung vereinnahmt worden. Besten Dank für das Gespräch!


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