Sicherheitsmassnahmen
Fijáte 308 vom 21. April 2004, Artikel 7, Seite 5
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Sicherheitsmassnahmen
Nachbarschaftshilfe Mit Ricardo Arturo Sandoval hat der dritte Vize-Innenminister sein Amt aufgenommen. Die Bezeichnung seines Amtes ist wechselseitiges Programm: "Vizeminister für Kommunale Unterstützung". In seiner Zuständigkeit liegt die Pflege enger Beziehungen mit RegierungsvertreterInnen der Departements, Menschenrechtsorganisationen und der Aufruf der kommunalen Unterstützung für die Sicherheitskräfte. Vor allem letzteres wurde in den vergangenen Tagen in der Öffentlichkeit heiss diskutiert. Der Regierungsplan besteht darin, dass die NachbarInnen motiviert werden, darüber zu informieren, wie und wo Kriminelle zu finden sind. Die Idee, Polizei- und SicherheitsagentInnen in eine solche Berührung mit der Bevölkerung zu bringen, beruht auf der Absicht der Nationalen Zivilpolizei (PNC), InformantInnen zu haben, die DelinquentInnen denunzieren. Angehörige von Pro-Justiz-Gruppen fordern den Innenminister dazu auf, erst einmal das Vertrauen in die Polizei wieder herzustellen, bevor die Bevölkerung gegeneinander aufgehetzt wird. Die Befürchtung, dass manch eineR die Regierungsaufforderung der Denunzierung dazu missbraucht, mittels Falschinformationen missliebige NachbarInnen zu belasten, liegt nahe. Die Intention, die Kommunikation zwischen Nachbarschaft und Sicherheitskräften zu fördern, ist derweil nicht neu. Im Jahr 2002 wurde versucht, eine so genannte Gemeindepolizei einzuführen, ein Projekt, das nach knapp 2 Jahren als gescheitert gelten kann. Ebenso besteht die Gefahr, dass die Verantwortlichen solcher Operationen repressive Massnahmen ergreifen und ihre Autorität missbrauchen könnten, wie man das aus Kriegszeiten von der Armee her gewohnt ist. Für den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, welchen Berger zu verfolgen vorgibt, steht dieser Plan in totalem Widerspruch. Auch wenn die Regierenden mit ihrem Vorschlag vermeintlicherweise die Arbeit der Polizeikräfte in Bezug auf die Identifizierung von vermutlichen Kriminellen erleichtern soll, muss die Massnahme eher für einen Beweis der Ineffizienz der Institution hinsichtlich der Öffentlichen Sicherheit interpretiert werden. Das Problem müsste auf struktureller Ebene angegangen werden, beruht ein Erfolg doch weniger auf der Existenz von InformantInnen als vielmehr auf einer effizienten polizeilichen Ermittlungspolitik. Geld gegen Waffen Mit der Idee, die guatemaltekische Gesellschaft zu entwaffnen, will Präsident Oscar Berger den Plan "Geld gegen Waffen" ins Leben rufen. Zwischen 500 und 1´000 Quetzales (60 bis 120 US$) will er für jede abgegebene Waffe bezahlen, unabhängig davon, wer die Waffe abliefert. Es werde auch nicht nachgeforscht, woher die Waffe stamme, erklärte er das niederschwellige Programm. Gemäss Otto Pérez Molina, präsidialem Sicherheitskommissar, sind im Land etwa 500'000 unregistrierte Pistolen im Umlauf (im Gegensatz zu 60'000 registrierten), entsprechend rechnet er mit einem Erfolg der Programmes. Die Kommentare von Sicherheitsfachleuten aus der Zivilgesellschaft zum Programm "Geld gegen Waffen" gehen von "naiv" bis "kontraproduktiv". Kritisert wird der Zeitpunkt, zu dem das Programm durchgeführt wird, die Tatsache, dass keine vorherige oder begleitende Sensibilisierungskampagne geplant ist, und dass nicht, wie in anderen Ländern, Lebensmittel sondern Bargeld im Tausch gegen die Waffen geboten wird, mit dem jederzeit neue gekauft werden können. (In einer späteren Aussage räumte Innenminister Arturo Soto ein, anstelle von Geld könnten auch Haushaltsgeräte als Tauschobjekte für die Waffen in Betracht gezogen werden.) Weiter kritisieren Fachpersonen, dass sich ein grosser Teil der illegalen Waffen in Händen von Personen befindet, die dem organisierten Verbrechen nahe stehen und die keinerlei Interesse daran hätten, die Waffen abzugeben, bzw. lediglich ihre Zweitoder Drittwaffe abgeben würden. Die KritikerInnen des Programms fordern, dass zusätzlich die Gesetze und Bedingungen bezüglich dem Besitz und dem Tragen von Waffen verschärft sowie Massnahmen ergriffen werden, damit eine bessere Kontrolle darüber herrscht, wer eine Waffe trägt. Nicht selten käme es nämlich vor, dass autorisierte Waffenträger (z.B. Polizisten oder Sicherheitsagenten) ihre Waffe verkaufen, um sie nachher als "gestohlen" zu melden. Tourismuspolizei "Guatemala soll ein Land sein, dass für TouristInnen und die Bevölkerung im allgemeinen sicher ist". Unter diesem Motto soll die Tourismuspolizei personell und institutionell gestärkt werden und in Zukunft dauerhaft Tourismusorte wie Antigua Guatemala, Tikal, Chichicastenango, den Atitlán-See sowie den Flughafen und von TouristInnen oft benutzte Strassen kontrollieren. Nach oben |
Die Tourismuspolizei (POLITUR) soll von 325 auf 800 AgentInnen aufgestockt werden und ihr Lehrplan soll künftig auch die englische Sprache beinhalten. Auch die POLITUR setzt stark auf die Mitarbeit (sprich das Denunziantentum) der Bevölkerung. Eng einher mit dem Tourismus geht eine generelle Investition, weshalb die Massnahme nicht nur Leute aus der Tourismusbranche sondern ganz allgemein den Handelssektor erfreut, denn, wie Alejandro Sinibaldi, Direktor des guatemaltekischen Tourismusinstituts (INGUAT), sagt: "Die Tourismusindustrie ist zum zweitwichtigsten Devisenproduzenten geworden und eine wichtige Basis für die Schaffung formeller und informeller Arbeitsplätze. Sie wird auch Auswirkungen haben im Kommunikationsbereich, im Bankwesen, für das Bauhandwerk, die Nahrungsmittelindustrie und für das Kunsthandwerk." In seiner Freude ging Sinibaldi gar soweit, den Tourismus als eine "Aktivität des Friedens" zu bezeichnen. Begleitete Überlandbusse Als Massnahme zum Schutz der immer häufiger auftretenden Überfälle auf Überlandbusse setzte Sicherheitskommissar Otto Pérez Molina kombinierte Schutztruppen zu deren Begleitung ein. "Zum Schutz der Reisenden" begleiten je ein Polizist und ein Armeeangehöriger neu die Überlandbusse in Richtung El Salvador, ins westliche Hochland sowie an der Südküste. Das Phänomen der Überfälle auf Überlandbusse ist relativ neu, während Überfälle auf urbane Busse vor allem in der Hauptstadt an der Tagesordnung sind. Interessanterweise ist es bisher in den Überlandbussen meistens erst dann zu tödlich endenden Schiessereien gekommen, wenn ebenfalls bewaffnete Passagiere meinten, die Helden spielen und ihre Mitreisenden "beschützen" zu müssen. Die Gewalt geht weiter Während der Semana Santa, der Osterwoche, starben in Guatemala 104 Personen, davon wurden 65 mit Schussoder Stichwaffen umgebracht, 15 fielen unvorsichtigen AutofahrerInnen zum Opfer. (Im Monat Januar dieses Jahres verzeichnete die Menschenrechtsorganisation GAM 109, im Februar 151 gewaltsame Morde.) Diese Zahlen sind vergleichbar mit denen des Vorjahres und bedeuten, dass alle von der Regierung Berger eingeleiteten Sicherheitsmassnahmen nicht griffen: Weder die kombinierten Militär- und Polizeitruppen, noch die zusätzlich ausgeschickten Sicherheitskräfte, noch die aufgemotzte Tourismuspolizei. Wann merken wohl Präsident Berger und sein Sicherheitsstab, dass Gewalt weder mit Gegengewalt noch mit leeren Versprechen gestoppt werden kann? |
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