Frauen in den Maquilas, die Aschenbrödel der Region
Fijáte 309 vom 5. Mai 2004, Artikel 1, Seite 1
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Frauen in den Maquilas, die Aschenbrödel der Region
In Zentralamerika arbeiten mehr als 300'000 Menschen, die meisten von ihnen Frauen, zu miserablen Arbeitsbedingunen in Maquilas, Fertigungsfabriken jeglicher Massenwaren, vornehmlich der Kleidungs- und Computerchipbranche. Die generalisierte Ausbeutung und die verbalen und physischen Übergriffe haben ihre Auswirkungen weit über die Fabriktore hinaus. Sie gefährden das Leben der Arbeiterinnen und die Zukunft ihrer Kinder. Die Löhne reichen den Frauen kaum zum Überleben. Schuld daran haben z.T. die Regierungen, welche die landesüblichen Mindestlöhne niedrig halten, um ausländische Investitionen anzuziehen. Ebenso fehlt es an verbindlichen Arbeitsstandards. Schuld haben aber auch die BesitzerInnen internationaler Kleidermarken, deren Gewinn auf dem Rücken der MaquilaarbeiterInnen erwirtschaftet wird. Der folgende Artikel erschien in Inforpress Centroamericana 1552 vom 19. März 2004 und basiert auf einer Studie von Oxfam International. In den Zentralamerikanischen Maquilas gehören Ausbeutung, 10-Stunden-Arbeitstage, niedrige Löhne, ein permanenter Druck, das Verbot von Gewerkschaften, die miserablen infrastrukturellen und sanitären Bedingungen zum täglichen Brot der Angestellten. Weltweit sind vier von fünf Maquilaangestellten Frauen unter 25 Jahren. Der Bericht von Oxfam International zitiert einen Maquilabesitzer, der die ,,Vorteile" junger ArbeiterInnen preist: ,,Wir ziehen junge Frauen vor, weil sie disziplinierter sind als ihre älteren Kolleginnen. Manchmal müssen sie die ganze Nacht durcharbeiten, doch sie haben volles Verständnis für die Notwendigkeit dieser Flexibilität." Eine Arbeiterin der Maquila "Star Fashion" (in koreanischem Besitz), in Guatemala Stadt, erzählt, dass den 800 ArbeiterInnen drei Toiletten zur Verfügung stehen. Gehen die Frauen häufiger als dreimal täglich auf die Toilette, erhalten sie eine schriftliche Verwarnung. Während der Arbeit werden sie vom Vorarbeiter per Lautsprecher verbal misshandelt. Während ihrer 40-minütigen Mittagspause müssen sich die Frauen zum Essen auf den Boden setzen, einen Aufenthaltsraum gibt es nicht. Gesetzlich wäre eine einstündige Mittagspause vorgeschrieben. Eine weit verbreitete Diskriminierung ist das doppelmoralische Verhalten der Vorgesetzten, einen Schwangerschaftstest von den Frauen zu verlangen, bevor sie eingestellt werden und sie, kaum sind sie im Betrieb, sexuell zu missbrauchen. Vor allem unverheiratete Frauen sind stark den Übergriffen ihrer Vorgesetzten ausgesetzt. In Nicaragua trifft man eine ähnliche Situation an. Gemäss einer regionalen Studie von Oxfam International, wurden im Jahr 2002 von den MaquilabesitzerInnen 262 Anträge zur Auflösung eines Arbeitsvertrages beim Arbeitsgericht eingereicht, in 77 Fällen wurde als Kündigungsgrund die Schwangerschaft einer Frau angegeben. Die Konsequenzen der Ausbeutung und der Misshandlung übertragen sich auch auf die Kinder der ArbeiterInnen (Was jedoch nicht die Kündigung einer schwangeren Frau rechtfertigen darf! die Red.). Viele ArbeiterInnen haben keine Zeit, sich gross um die Erziehung und das Wohlergehen ihrer Schützlinge zu kümmern. Umgekehrt stellen die wenigsten Maquilas Kinderkrippen zur Verfügung, so dass es oft die älteren Geschwister sind, die sich um die Kleineren kümmern müssen. Der Druck in der internationalen Modebranche wird auf die schwächsten Glieder der Produktionskette, die Arbeiterinnen in den Maquilas abgewälzt. Der Konkurrenzdruck unter den weltbekannten Kleiderherstellern (Gap, H&M, Zara und Nike) und zwischen den grössten Supermärkten (Wal-Mart, Carrefour, El Corte Inglés) ist enorm. Bis vor kurzem wurden noch vier Kollektionen jährlich auf den Markt gebracht, doch die schwedische Marke H&M und die spanische Zara haben sich erfolgreich darauf spezialisert, permanent neue Kollektionen zu entwerfen. Gemäss Oxfam International bringt Zara etwa 14-täglich eine neue Kollektion auf den Markt, was natürlich den Produktionsdruck auf die Maquilas und deren Angestellten mulipliziert. ,,Da kann man noch lange über internationale Verhaltenskodexe sprechen, die Diskrepanz zwischen der Rhetorik dieser Unternehmen und der Realtiät ist immens", kritisiert Manuel Muñiz von Oxfam. Die Maquilas sind aber auch ein wichtiger Faktor innerhalb der zentralamerikanischen Wirtschaft. In Guatemala, dem zentralamerikanischen Land mit den meisten Maquilas, deckte die Bekleidungsindustrie im Jahre 2003 28% der nicht-tradtionellen Exportprodukte ab. Die Arbeitsbedingungen haben auch physische Auswirkungen auf die Frauen. Diese reichen von Erschöpfungszuständen und Stress bis zu Kopfschmerzen, Husten oder Allergien, ausgelöst durch die Stofffasern, die Chemikalien, mit denen die Stoffe behandelt werden oder die mangelnde Durchlüftung in den Fabriken. Dazu kommen Nierenprobleme, weil die Frauen nicht auf die Toilette können und Schmerzen im Nacken und im Rücken sowie in den Beinen, bedingt durch die Arbeitshaltung und die immer gleichen Handgriffe, die die Frauen während bis zu 14 Stunden täglich ausüben müssen. Gemäss der Studie von Oxfam International sind die staatlichen Institutionen der zentralamerikanischen Länder bestens informiert über diese Zustände. Die Arbeitsministerien der einzelnen Länder geben jedoch vor, nicht genügend personelle und ökonomische Ressourcen zu haben, um die Arbeitsbedingungen in den Maquilas zu überprüfen und deren BesitzerInnen dazu zu zwingen, sie zu Nach oben |
verbessern. In Guatemala dauert ein Prozess vor dem Arbeitsgericht im besten Fall sechs Monate, im schlechtesten Fall bis zu drei Jahren. In Zentralamerika ist die Arbeitslosigkeit von Frauen signifikant höher als die der Männer. So sind auch mehr Frauen gezwungen, im informellen Sektor oder, zwar im formellen Sektor, jedoch zu prekären Bedingungen zu arbeiten. Die Maquilas sind einer der wenigen Industriezweige des formalen Sektors, wo arme und ungebildete Frauen Arbeit finden können. Diese Arbeit ist entsprechend schlecht bezahlt und es gibt keine Arbeitssicherheit. Obwohl es keine genauen Zahlen gibt, geht man davon aus, dass in Zentralamerika 60-80 % aller MaquilaarbeiterInnen Frauen sind. Trotzdem verdienen sie durchschnittlich 36% weniger als ihre männlichen Kollegen. Die Maquilaarbeiterinnen kleiden zwar die ganze Welt ein, verdienen aber nicht genügend, um sich selber zu kleiden. Ihre Gehälter reichen zum Überleben, jedoch nicht zum Leben. Die in den zentralamerikanischen Maquilas ausbezahlten Mindestlöhne reichen gerade einmal aus, um 60% der Kosten des Grundnahrungswarenkorbes der jeweiligen Länder abzudecken. In Honduras sind die Löhne der Maquilaarbeiterinnen zwar etwas über dem landesüblichen Mindestlohn, doch gemäss offiziellen Zahlen der honduranischen Regierung können damit bloss 33% der Grundbedürfnisse einer Familie abgedeckt werden. In Guatemala wird den meisten Maquilaarbeiterinnen der Mindestlohn von 1´026 Quetzales pro Monat (ca. US$ 130) ausbezahlt. Dieser Lohn ist aber für eine Arbeitszeit von täglich 8 Stunden berechnet und nicht für 12 Stunden, wie die meisten von ihnen zu arbeiten gezwungen sind. Solch niedrige Mindestlöhne und die Möglichkeit, die Frauen zu längeren Arbeitszeiten zu zwingen, sind natürlich verlockend für US-amerikanische und koreanische Mode-Unternehmen. Sie sind die am meisten verbreiteten in Zentralamerika. Mit dem in den USA üblichen Mindestlohn von US-$ 5 pro Stunde können in Nicaragua, wo der Stundenlohn US-$ 0,30 beträgt, 17 Arbeiterinnen bezahlt werden. Viele FabrikbesitzerInnen fühlen sich durch die Möglichkeit, dass sich ihre Angestellten gewerkschaftlich organisieren und einen Bewusstseinsbildungsprozess durchlaufen, bedroht. In Guatemala gibt es genau in zwei Maquila eine Gewerkschaft, in El Salvador sind es 16 und in Nicaragua, das diesbezüglich etwas offener ist, sind es 31. In Gua- temala hat der geringe Organisierungsgrad sicher mit der alten Angst vor Repression zu tun. Ein weiterer Grund, sich nicht für die eigenen Rechte einzusetzen, ist laut Edda Gaviola, Direktorin des Menschenrechtszentrums CALDH, das sich u.a. auch für die Rechte der Maquilaarbeiterinnen einsetzt, das in Guatemala verbreitete Misstrauen gegen die Justiz. Die Angst und das Misstrauen sind nicht unbegründet: Viele Maquilas verbieten es den Arbeiterinnen, sich gewerkschaftlich zu organisieren tun sie es trotzdem, müssen sie mit einer Kündigung rechnen. In den vergangenen sechs Jahren wurden beim guatemaltekischen Arbeitsgericht 45'196 Klagen eingereicht, gemäss Oxfam wurde in 12'152 Fällen (26.8%) ein Urteil gefällt. Ein weiteres Problem ist, dass, wenn das Arbeitsgericht eingreift und ein Unternehmen genauer unter die Lupe nimmt, dieses oft von einem Tag auf den anderen ,,schliesst", die Angestellten ohne Lohn geschweige denn einer Abfindung auf die Strasse stellt und kurze Zeit später unter anderem Namen wieder eine neue Maquila eröffnet. In den vergangenen vier Jahren schlossen in Guatemala 122 Maquilas ihre Tore, derweil 81 neu eröffnet wurden. |
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