Das Transportwesen, ewiges Problem der Hauptstadt
Fijáte 310 vom 19. Mai 2004, Artikel 8, Seite 5
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Das Transportwesen, ewiges Problem der Hauptstadt
Rund 1 Million Personen benutzen bis zu viermal täglich den Öffentlichen Personennahverkehr, der sich in der guatemaltekischen Hauptstadt in Form von Autobussen fortbewegt. Dazu sind täglich 3´000 Busse unterwegs. In den letzten Jahren sind die Fahrpreise stetig gestiegen, obwohl das Transportwesen einige Defizite aufzuweisen hat. Die Stadtbehörde hat im Verlauf der Jahre diverse Massnahmen ergriffen, die aber eher unter dem Stichwort "Pflästerlipolitik" abzubuchen sind. Ein Blick zurück: 1989, während seiner ersten Amtszeit als Bürgermeister, verdoppelte Alvaro Arzú die Fahrpreise um 100% von Q 0,10 auf Q 0,20. 1990 gab es noch einmal eine Verdoppelung des Fahrpreises auf Q 0,40. Dieses Jahr wurde das Transportwesen auch mit einem Zuschuss aus dem Nationalen Kompensationsfonds bedacht. 1992, während der ersten Amtszeit als Bürgermeister des heutigen Präsidenten, Oscar Berger, wurde das Transportwesen in zwei Klassen aufgeteilt, in "konventionelle" und "Vorzugs-"Busse. Der Fahrpreis des konventionellen Services betrug Q 0,65 während der Vorzugs-Service Q 0,90 kostete. 1994, während der StudentInnenproteste gegen eine erneute Fahrpreiserhöhung wurde der Student Mario Alioto López von Polizeikräften getötet. 1996, während der zweiten Amtszeit von Berger, drohten die Transportunternehmer mit einem Streik, falls der Bürgermeister keine Tariferhöhung bewillige. 1998 wurde der Fahrpreis auf Q 0,75 (konventionelle) bzw. Q 1,10 (Vorzug) erhöht. Im Jahr 2000 forderten die Transportunternehmen erneut einen 100%igen Aufschlag oder eine staatliche Subvention von Q 11 Mio. Da die Regierung die Idee der Subvention nicht unterstützte, entschied der damalige Bürgermeister Fritz García-Gallont, die Preise zu liberalisieren. Die Busbetreiber erhöhten sie auf Q 1.50, doch die Bevölkerung wehrte sich dagegen, ebenso die Gemeinderegierung. Es kam zu einem Abkommen zwischen den Unternehmern und der Regierung; diese ratifizierte eine weitere Subvention und die Preise blieben gleich wie zuvor. 2003 wurden die Preise sowohl für die konventionellen wie auch für die Vorzugsbusse auf Q 1,00 festgelegt. Anfang 2004 stellten die Tranportunternehmen die Forderung nach einer weiteren staatlichen Finanzierung oder nach einer Preiserhöhung. Die Probleme im Transportwesen sind zyklisch und erfahren nach jedem Regierungswechsel einen Aufschwung. Es wird mit Streiks gedroht, verhandelt, eine sog. Lösung gefunden, doch die Entwicklung der vergangenen 16 Jahre zeigt, dass das Problem nie wirklich im Kern angegangen wurde. Es geht um mehr als rein technische Probleme wie schlechter Zustand der Busse, enge Strassen, mangelhafte Signalisierung. Es geht auch um demographische Fragen. Die Stadt ist gewachsen und es gibt eine Konzentration von öffentlichen Diensten und Produktion in ihr. Entsprechend fordert auch das in der Gemeindeverwaltung für Transport und Verkehrswesen zuständige Unternehmen EMETRA (Empresa Metropolitana Reguladora del Transporte y Tránsito), dass sich die Regierung des Problems annehme. Die Transportunternehmen, organisiert in der Vereinigung der städtischen Transportunternehmen (AETU), insistieren in eine 100%-ige Fahrpreiserhöhung oder eine Subvention von Q 12 Mio. (US-$ 1,5 Mio.) monatlich. Ihre Argumente beziehen sie auf die Betreibungskosten, die ständig steigenden Benzinpreise, den Diebstahl gewisser Teile der Busse und die durch die BenützerInnen entstehenden Schäden an den Fahrzeugen. Dazu kommen sog. Einkommensverluste, sprich, das Geld, das von den Chauffeuren und ihren Helfern abgezweigt wird oder das Geld, das die Maras (Jugendbanden) in den von ihnen kontrollierten Stadtvierteln als Wegzoll einkassieren. Nach oben |
Diese Einkommensverluste können bis zur Hälfte des Tagesumsatzes ausmachen. Aktuell wird diskutiert, Stempelkarten einzuführen, womit das direkte Geldgeschäft und somit die Überfälle vermindert werden könnten. Unabhängige Studien kommen aber zu einem anderen Ergebnis: Zwar müsse man die Preiserhöhungen des Benzins berücksichtigen, kommt die im Jahr 2000 zur Lösung des Transportproblems eingesetzte Multisektorielle Kommission für den kollektiven Verkehr in ihrem Bericht zum Schluss, erwähnt jedoch, dass die zur Erstellung des Berichts in gewissen Bussen installierten Videokameras zeigten, dass pro Route durchschnittlich bis zu täglich Q 1´089 eingenommen würden. Auch EMETRA stellt die Argumentation der Unternehmer in Frage. Offensichtlich sei das Geschäft für einige Unternehmer sehr lukrativ, hätten doch einige von ihnen ihr Geschäft in den letzten Jahren vergrössert. Wenn es ein Verlustgeschäft wäre, würden sie nicht immer mehr Busse und Chauffeure bezahlen, heisst es seitens EMETRA. Oscar Berger und Alvaro Arzú, heute respektive Präsident und Bürgermeister der Hauptstadt, kennen das Problem beide aus der Nähe und jeder hat den anderen um Hilfe bei der Suche nach einer Lösung angefragt. Als Arzú Präsident war, gewährte er dem damaligen Bürgermeister Berger bzw. den Transportunternehmern eine staatliche Unterstützung. Nun beantragt Bürgermeister Arzú beim Präsidenten Berger dasselbe. Unterdessen hat sich aber die Beziehung der beiden etwas abgekühlt, hat sich doch Berger unterdessen von der PAN, der Partei Arzú's getrennt. Zudem steht es im Moment um die Staatsfinanzen sehr schlecht und Berger verfügt über keine Mittel, die er sofort freigeben könnte. Die Gemeindeverwaltung beharrt auf einer Subvention, nur so könnten der Protest und die Demonstrationen anderer Jahre verhindert werden. Aus Gewerkschaftskreisen wird jedoch argumentiert, dass sowohl eine Preiserhöhung wie auch eine Subvention schlussendlich von den BenützerInnen bezahlt würden. Eine Subvention sei nichts anderes als eine versteckte Preiserhöhung, meinte José Pinzón von der Guatemaltekischen ArbeiterInnenzentrale (CGTG), es sei ja wohl klar, dass die Subvention weder aus der Sparbüchse von Berger noch aus der von Arzú komme, sondern über andere Steuern den KonsumentInnen aufgebürdet würde, so Pinzón. Die Verhandlungen gehen weiter.... |
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