Fiskalpaket in der Schusslinie
Fijáte 310 vom 19. Mai 2004, Artikel 7, Seite 4
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Fiskalpaket in der Schusslinie
Guatemala, 13. Mai. Der lang erwartete und angekündigte Fiskalpakt hat bereits einen steinigen Weg hinter sich gebracht, bevor er in die Hände von Präsident Oscar Berger gelangte. Mittlerweile ist aus dem Pakt lediglich ein Bündel von kurzfristigen Steuermassnahmen geworden, von denen Berger nun hinter verschlossenen Türen fünf dem Kongressdirektorium und den Fraktionschefs vorlegte. Doch der angepasste Investitionsplan, der die durch die Massnahmen erwarteten Steuern mit einbezieht, ist bislang noch unbekannt. Der präsentierte Entwurf beinhaltet Reformen der Einkommenssteuer (ISR) und der Mehrwertsteuer (IVA) und schlägt ferner die Erhebung einer ausserplanmässigen und temporären Steuer zur Unterstützung der Friedensverträge vor. Diese letzte würde die inzwischen aufgehobene Handels- und Landwirtschaftssteuer (IEMA) ersetzen. Auch diverse alkoholische Getränke sowie Rohöl, Brennstoffe und weitere Ölderivate sollen stärker besteuert werden. Letztere Initiative wurde schriftlich erst nachgereicht, zur besagten Sitzung war das Dokument vergessen worden. Das Reformpaket umfasst ausserdem den Antrag auf Bewilligung einer weiteren internen Verschuldung von 5,3 Mrd. Quetzales, ein Vorschlag, dem der Währungsrat bereits grünes Licht gegeben hat. Hinsichtlich der Modifikation des aktuellen Jahresetats werden laut Bergers Aussagen die Staatsausgaben um 20% allgemein gekürzt, ausgenommen seien die Sektoren Gesundheit, Sicherheit und Bildung. Rolando Morales, Präsident des Kongresses, kündigte unterdessen an, dass innerhalb eines Zeitraums von drei bis fünf Wochen Konsultationen mit der Zivilgesellschaft geführt werden, bevor über das Reformpaket entschieden wird. Kommentar (Inforpress) Nachdem die Fachkommission des Fiskalpakts (CTPF) rund vierzig Vorschläge unterschiedlicher Herkunft eingeholt hatte, erarbeitete sie daraus eine Endfassung des Paktentwurfs, die der Nationalen Kommission der Friedensverträge (CNAP) überreicht wurde. Dort drohte der Antrag beinahe stecken zu bleiben, wurde er doch Anfang Mai zwar gebilligt, jedoch lediglich per Mehrheit und nicht per Konsens, denn überzeugt davon war keines der Kommissionsmitglieder. So mangelt es auch jetzt nicht an KritikerInnen, doch mit dem Vorwand der Eile und dem drückenden Haushaltsdefizit scheint die Regierung der Grossen Nationalen Allianz (GANA) gewillt, das gute Stück durch den Kongress zu boxen, in dem die politischen Parteien das letzte Wort haben werden. Die erste Präsentation hatte dementsprechend einen Hagel von Ablehnungen von allen Seiten zur Folge: Die Zivilgesellschaft, der Unternehmerflügel, die Linke und sogar Abgeordnete der Regierungspartei erhoben ihre Stimme gegen das Fiskalpaket, welches sie als übereilt, oberflächlich und ungerecht beurteilen. Daniel Pascual vom Nationalen BäuerInnenkomitee CNOC und Mitglied der CNAP, wies darauf hin, dass just diese Kommission laut Statuten gar nicht für die von ihm abverlangte Billigung des Pakts zuständig sei. Es scheint, dass die Regierung zum einen von einem Haushaltsdefizit spricht, um Druck auszuüben und eine Reihe von kurzfristigen, als ,,Steuerreform" maskierte Massnahmen zu rechtfertigen und zum anderen die CNAP mit ins Boot zieht, damit diese den Regierungsvorschlag legitimiere. Carlos Barreda vom Komitee der Sozialen Organisationen (COS) meinte derweil, der Fiskalpakt sei kein Pakt, sondern lediglich ein Trugbild. Den Auswahlprozess der Vorschläge von Seiten der CTPF beschrieb er als Theater. Laut Barreda habe die CTPF bereits 15 Tage vor Ende der Frist zum Einreichen der Vorschläge entschieden, wie die Endfassung des Entwurfs aussehen würde. ,,Sie haben praktisch den Fiskalpakt in den Müll geschmissen", so Barreda. Auch die Unternehmen melden Kritik an. Carlos Paiz, Leiter des Unternehmerverbandes CACIF, weist darauf hin, dass ,,wir vom CACIF einen Vorschlag mit zwei Schlüsselaspekten vorbereitet haben: Die Steuererhebung müsste bei 12% des BIP liegen (wie es die Friedensverträge festlegen) und das Wirtschaftswachstum müsste auf 6% des BIP gesteigert werden. Nach oben |
Doch der Regierungsvorschlag weicht davon völlig ab." Hinsichtlich der Ertragssteuer der Unternehmen (ISR), einer von zwei, offensichtlich von der Regierung priorisierten Aspekte, meinte Paiz, dass dies der Hauptpunkt wäre, der die 60 Tausend, dem CACIF angehörenden Unternehmen beunruhige. Diese bereiten sich laut Paiz bereits auf eine Konfrontation vor. Wilson Romero, Ökonom und Berater der Legislative der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG) stellt folgendes klar: ,,Das Problem, das wir sehen, besteht darin, dass erneut anstelle einer wirklichen Reform auf kurzfristige Massnahmen zurückgegriffen wird, die die Regierung realisieren will, da ihr wegen des hohen Haushaltsdefizits die Hände gebunden sind. Doch gleichzeitig können diese Massnahmen aufgrund der Schwäche der Steuerbehörde (SAT) nur schwerlich umgesetzt werden. Die besten Intentionen bringen nichts, wenn die Instrumente zur Implementierung nichts taugen." Ausserdem, so Romero, bedeute die Erweiterung der Steuerbasis in einer so ungerechten Gesellschaft wie der guatemaltekischen mit soviel Armut und soviel Besitzkonzentration, dass die eh schon benachteiligten Schichten zusätzlich bestraft würden. Die URNG habe nie an dem Konsultationsprozess des Fiskalpakts teilnehmen wollen, wusste sie doch, dass die Regierung allein einen Bildschirm aufstellte, um vorzugeben, dass die Endfassung auf demokratische Weise diskutiert würde, während realiter die wesentlichen Verhandlungen hinter dem Vorhang geführt wurden. ,,Sie machten Druck, sprachen vom Staatskollaps, doch es war der gleiche Druck wie immer. Und aufgrund des Zeitdrucks werden Entscheidungen getroffen, die nicht abgestimmt sind", so Romero. Gegenüber Inforpress kritisierte COS-Vertreter Barreda vor allem den Bestandteil des Fiskalpakts, der die Privatpersonen mittels der Einkommenssteuer (ISR) betrifft: Sollten die Massnahmen in der vorliegenden Form gebilligt werden, heisst das, dass diejenigen mit einem Jahreseinkommen unter 18´000 Quetzales (ca. US-$ 2´250) 1 % davon versteuern müssen, diejenigen, die zwischen Q 18´000 und Q 36´000 verdienen, 5 % und die, die darüber liegen 8 %. Somit müssten rund 1 Mio. Personen, die bislang von der Steuer ausgenommen waren und eh schon weniger als genug für ihren täglichen Bedarf haben, einen Teil von diesem noch an den Fiskus abtreten. Ein wesentlicher Aspekt, der von dem COS durchweg abgelehnt wird, ist der Wegfall der Ausnahme der Besteuerung von Lohnzusatzleistungen, wie Weihnachtsgeld, dem sog. Bono 14 und Urlaub. ,,Das widerspricht dem Prinzip des Fortschritts völlig", so Barreda. Als ,,arglistige Steigerung der Mehrwertsteuer" wird ferner von Seiten der sozialen Organisationen die Einführung der Mehrwertsteuer für die ZwischenhändlerInnen bewertet, die im Endeffekt auf den Endkonsumenten zurückfallen wird, so dass sich diese bürgerliche Staatsabgabe von 12 % auf 15 % erhöhen wird. Schliesslich generieren auch die Schulden, die die Unternehmen beim Staat haben, Unwohlsein. Bislang weigerte sich die Finanzministerin Maria Antonieta Bonilla, die genaue Höhe dieser Rückstände aufzudecken. Unabhängig davon ist jedoch bereits von einer eventuellen Fiskalamnestie die Rede. COS-Repräsentant Barreda schätzt, dass sich die Unternehmensverschuldung auf Q 8 Mrd. beläuft. Einer der grössten StaatsschuldnerInnen sei die Familie Bosch Gutiérrez, Besitzerin des Konsortiums Multinversiones und Financier der Grossen Nationalen Allianz in den vergangenen Wahlen. |
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