Späte Genugtuung
Fijáte 309 vom 5. Mai 2004, Artikel 10, Seite 5
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Späte Genugtuung
Guatemala, 22. April. Präsident Oscar Berger bat im Namen des guatemaltekischen Staates die Familie der am 11. September 1990 ermordeten Anthropologin Mirna Mack um Verzeihung. Mit diesem öffentlichen Akt erfüllte Berger eine der Empfehlungen des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichts (CIDH), das im November letzten Jahres den Guatemaltekischen Staat als verantwortlich für die Ermordung von Mack verurteilte. Berger bedauerte in seiner Ansprache, dass die Familie Mack internationale Instanzen beanspruchen musste, da es in Guatemala selber (aus Sicherheits- und finanziellen Gründen) nicht möglich war, solche Prozesse durchzuführen. Sowohl von den Familienangehörigen von Mirna Mack wie auch von VertreterInnen internationaler Menschenrechtsinstanzen wurde die Geste von Präsident Berger gelobt und als ein vielversprechendes Zeichen gewertet, dass vielleicht in Zukunft weitere Fälle aus dem Sumpf der Straflosigkeit ans Licht kommen und so ein Beitrag zur Verarbeitung der Vergangenheit geleistet werden kann. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass dies ein rein moralischer Akt war, die juristischen Tatsachen sind ganz andere: Zwar ist der materielle Täter schon seit Jahren im Gefängnis; die intellektuellen Verantwortlichen des Mordes an Mirna Mack wurden erst viel später ausgemacht, verurteilt - und wieder freigesprochen. Erst letztes Jahr wurde das Urteil gegen den General Juan Valencia Osorio, der den Mord aus den Chefetagen des Präsidialen Generalstabs (EMP) angeordnet hatte, erneuert. Seit Januar 2004 ist der zu 30 Jahren Gefängnis verurteilte Osorio untergetaucht und konnte trotz internationalem Haftbefehl bisher nicht dingfest gemacht werden. In diese Richtung ging auch ein Flugblatt, das die Hinterbliebenenorganisationen FAMDEGUA und HIJOS zum gegebenen Anlass verteilten. Unter dem Titel ,,Um Verzeihung bitten reicht nicht, 250'000 Opfer warten auf Gerechtigkeit und Justiz" verurteilen sie das Verhalten von Präsident Berger als opportunistisch und populistisch. Es sei nicht damit getan, in einem spezifischen Fall um Verzeihung zu bitten ohne die anderen überhaupt zu erwähnen, geschweige denn, wirklich etwas zu deren Aufklärung zu unternehmen und die verantwortlichen Militärs zu bestrafen. Die von Berger vorangetriebene neoliberale Politik sei genau so von Verbrechen gegen die Menschheit begeleitet, nur dass sie diesmal nicht mit Waffengewalt ausgeführt würden, heisst es auf dem Flugblatt. Ebenfalls in einem öffentlichen Akt wurde der Kriminalpolizist José Miguel Mérida Escobar geehrt. Er leitete anfänglich die Untersuchungen im Fall Mirna Mack und wurde wegen der Aussagen, die er vor Gericht gemacht hatte und in denen er die Umstände und Hintergründe von Mirnas Ermordung darlegte, vor 13 Jahren ermordet. An der Ehrung von Mérida Escobar nahmen VertreterInnen des Innenministeriums, der Generaldirektion der Polizei, Frank LaRue für die Präsidiale Menschenrechtskommission nebst den Familienangehörigen von Mérida Escobar und Mack sowie VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen teil. Guatemala, 27. April. Das Komitee der Bäuerlichen Einheit CUC blickt auf 26 Jahre Kampf zurück: Der Kampf um Zugang und Besitz von Land sowie um den Respekt der Menschen- und Arbeitsrechte der BäuerInnen habe zahlreichen AnführerInnen der Gruppe das Leben gekostet, so Ángela Xinico, CUCVertreterin in einer Pressekonferenz. Nach oben |
Das CUC, eine der ältesten indigenen und bäuerlichen Organisationen des Landes, hatte während des internen bewaffneten Konflikts eine aggressive Position zur Verteidigung gerade dieser Bevölkerung und der Zahlung des Mindestlohns inne. 1980 konnte es 80´000 Kämpfende mobilisieren, so Xinico. Am 15. April 1978 gründete sich das CUC und markierte somit die Geschichte der indigen-bäuerlichen Bewegung, in dem es eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Ausbeutung der Ländereien des Río Negro, wo der Staudamm von Chixoy gebaut wurde, und die Landübernahme durch Militärs in Panzós, Alta Verapaz, einnahm. Die CUC-Leitung nahm zudem in der Besetzung der Spanischen Botschaft teil, in der einige von ihnen gemeinsam mit anderen AktivistInnen im Feuer starben, die die Massaker an die Öffentlichkeit brachten, die das Militär am 31. Januar 1980 verübt hatte. Xinico erinnerte daran, dass während des Internen Krieges hunderte von AktivistInnen und AnführerInnen des CUC Opfer des Genozids, von Folter und Morden wurden, währenddessen viele Entführte nie wieder auftauchten. Trotz der Unterzeichnung der Friedensverträge 1996 habe die Repression gegen die BäuerInnenbewegung angehalten und sich gar 2000 mit den gewalttätigen Räumungen von besetzten Fincas sowie den Morden an AnführerInnen intensiviert. Trotz dieser Rückschläge beging das CUC sein 26. Jubiläum und ermahnte die BäuerInnen und alle anderen sozialen Organisationen, dem Kampf zur Veränderung von Strukturen zugunsten der Mehrheit treu zu bleiben. Unterdessen bezeichnete Gilberto Atz von der Nationalen BäuerInnenorganisation CNOC die konstanten Räumungen, die Drohungen und Einschüchterungen sowie die Haftbefehle, die von Gerichtsinstanzen gegen ihre AnführerInnen verhängt werden, als Strategie, deren Ziel die Zerschlagung der Organisation sei. Atz wies darauf hin, dass im laufenden Jahr bereits 11 registrierte Räumungen von BäuerInnenfamilien vollzogen wurden, in denen stets der Autoritätsmissbrauch und der Gewaltexzess von Seiten der Sicherheitskräfte dominierten, die in konfrontativer und drohender Weise die Unterkünfte der Bäue- |
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