Drei Monate nach Beginn des Schuljahres
Fijáte 307 vom 7. April 2004, Artikel 8, Seite 6
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Drei Monate nach Beginn des Schuljahres
Guatemala, 31. März. Immer noch geht es heiss her zwischen den LehrerInnen und dem Bildungsministerium, wegen der Vergabe von Stellen, die kurz vor Amtsübergabe von Ex-Präsident Portillo verfassungswidrig beschlossen und von der jetzigen Bildungsministerin María del Carmen Aceña suspendiert wurden (siehe ¡Fijáte! 303). Diese Entscheidung ist inzwischen vom Verfassungsgericht gestützt worden, bemängelt wird die fehlende Unterschrift des damaligen Generalsekretärs. Doch was immer Aceña auch verkündet, die LehrerInnen sind nicht einverstanden, organisieren Generalversammlungen, gehen auf die Strasse, besetzen in manchen Departements die Bildungsdirektionen, eine Gruppe von Dozierenden befindet sich seit 12 Tagen im Hungerstreik, eine andere in Zacapa legte sich dieser Tage mit der Polizei an. Der erste Schritt des jetzigen Bildungsministeriums (MINEDUC) war die Durchsicht und Säuberung der Listen der 13´000 von Portillo vergebenen LehrerInnenstellen. Übrig blieben 9´400 KandidatInnen, die tatsächlich die Anforderungen erfüllten. Die letzte veröffentlichte Entscheidung Aceñas besteht derzeit in der Schaffung von rund 13´500 Stellen auf Vertragsbasis 0-21 bis Ende des Schuljahres. Unklar bleibt dennoch die Höhe der Entlohnung. Auf der einen Seite ist die Rede von der Erhöhung des Gehaltes, andererseits schliesst der Vertragstyp 0-21 die Zahlung von Lohnzusatzleistungen aus, ausserdem wird das Gehalt bloss alle vier Monate ausgezahlt. Der Konflikt um die Lehrstellen ist gerade einmal der Fadenanfang eines Problemknäuels, das die neue Regierung in Sachen Bildung geerbt hat. Guatemala ist und bleibt das Land mit den höchsten Analphabetismusraten in Zentralamerika und der geringsten Schulausbildungszeit von durchschnittlich vier Jahren bei Personen zwischen 25 und 65 Jahren. Weit darunter liegen die indigene Bevölkerung (im Schnitt 2 Jahre Schulbesuch), die Frauen (3 Jahre) und die arme Bevölkerung auf dem Land (2 Jahre). Der Konflikt mit den LehrerInnen stellt die Verhandlungsfähigkeit der jetzigen Regierung auf die Probe und bringt die verschiedenen Vorstellungen über die Lösung der Bildungskrise zu Tage. Dazu gehört auch das "Tabu", das die Verantwortlichen in der Regierung begleitet: Sie können ihre unternehmerischen Interessen nicht leugnen, auf Grundlage derer sie die potentielle Privatisierung des Bildungssystems vorantreiben. Nach oben |
Ein im Oktober 2003 vom Nationalen Wirtschaftsforschungszentrum CIEN bis Januar noch unter Leitung der jetzigen Bildungsministerin Aceña verbreiteter Vorschlag erscheint auf den ersten Blick nicht dumm. Darin behauptet die Unternehmensorganisation für die Bildung, dass für die Verbesserung schulischer Einrichtungen die Förderung eines wirtschaftlichen Wachstums notwendig sei, mittels dem sich die Ausgaben für die Bildung prozentual zum BIP reduzieren würden. Schliesslich würde Bildung die Produktivität der "Humanressourcen" wie auch der Investition generell steigern und auf diese Weise sich in den wichtigsten Faktor des wirtschaftlichen Wachstums verwandeln. Dieses wiederum käme selbstverständlich allen zugute. Gemäss Daten der Weltbank erhöht eine abgeschlossene Grundschulausbildung das Konsumverhalten angeblich um 25%. Ein anderer gewichtiger Grund für den Unternehmenssektor, sich des Themas Bildung anzunehmen, ist die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsattraktivität eines Landes im globalisierten Kontext durch technisches und fachliches Wissens. Gründe genug, die mit Mitteln unzureichend ausgestattete Ministerin Aceña zumindest assistentialistisch zu unterstützen. Anfang Februar veranstalteten diverse Unternehmen die Kampagne ,,Bleistift-Marathon", während der sie sowohl Sach- als auch Geldspenden für die Disposition von Lehrmaterial sammelten. |
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