Bildung bald Privatsache?
Fijáte 324 vom 15. Dez. 2004, Artikel 3, Seite 3
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Bildung bald Privatsache?
Guatemala, 08. Dez. Das erste Jahr im Bildungssektor unter der Verwaltungsleitung der Ingenieurin María del Carmen Aceña war überschattet von Streitigkeiten und Unstimmigkeiten mit den organisierten LehrerInnen. Diese beklagen den Mangel an Einbeziehung und Dialog, die Stärkung der Bildungsqualität steht derweil auf der Flagge der Autoritäten. Während VertreterInnen beider Sektoren grundlegende Richtlinien vorschlagen, um die Beziehung zwischen ihnen zu verbessern, bleiben Zweifel bestehen ob Privatisierungsinteressen innerhalb des Sektors. Sandra Verónica Rodas von Inforpress centroamericana hat dies analysiert und kommt zum vorliegenden Ergebnisbericht. Diverse Studien weisen darauf hin, dass ein höheres Bildungsniveau der Gesellschaften wesentlicher Faktor für die Entwicklung des so genannten Humankapitals, die Reduzierung der Armut und das wirtschaftliche Wachstum sowie für die Stärkung demokratischer Institutionen und der Regierbarkeit in den jeweiligen Ländern darstellt. Der Deckungsgrad und die Qualität des Bildungsangebots sind dabei Schlüsselelemente hinsichtlich dieser Ziele. Das Bildungssystem in Guatemala wird hinsichtlich dieser beiden Aspekte als defizient bewertet. Gemäss dem Bildungsplan 2004-2007 des zuständigen Ministeriums (MINEDUC) betrug die Abdeckung des Vorschulangebots im Jahr 2002 knapp 42%, in der Grundschule 87,5%, 27,5% im Bereich der mittleren Reife und 16,7% im Berufsvorbereitenden Schulsektor. Um die Bildungsqualität zu erfassen, werden u.a. gern die berühmt berüchtigten ,,internen Effizienzindikatoren" zu Rate gezogen, die die Anzahl der ins nächste Schuljahr versetzten und die der die Klasse wiederholenden SchülerInnen angeben. Hier weist Guatemala also ebenfalls ungünstige Ergebnisse auf, eine Tatsache, die beispielsweise im Jahr 2001 43% des Haushaltes des Ressorts von insgesamt knapp 1,9 Mrd. Quetzales verschlang. Aufgrund der Beobachtung, dass diese Phänomene besonders in der Grundschule auftreten, der Nationale Bildungsplan gleichzeitig u.a. vorgibt, die Bildungsqualität zu verbessern, wurde das Programm ,,Rettet die erste Klasse" ins Leben gerufen. Obwohl dieses Programm auf dem Interesse beruhte, jene 35 Tausend Mädchen und Jungen, die zwar etwas, jedoch zur Versetzung nicht ausreichend genug gelernt hatten, stellte es zugleich einen weiteren Reibungspunkt zwischen Bildungsautoritäten und dem Lehrkörper dar, und zwar von Beginn der Legislaturperiode an. Das Hin und Her zwischen den beiden Sektoren, das gelegentlich selbst die SchülerInnen und Eltern mit einbezog, manifestierte sich am deutlichsten in den Auseinandersetzungen um die Verwerfung der Vereinbarung zur Schaffung von 13 Tausend Lehrvertragsstellen, die noch aus der Zeit der vorherigen Regierung stammte, um die Streichung des Bildungsgutscheins für ,,Sitzenbleibende" und um die Evaluation für SchülerInnen der mittleren Reife und des Programms ,,Rettet die erste Klasse". (siehe ¡Fijáte! 322) Ebenso gerieten Initiativen, an denen sich Unternehmensgruppen beteiligt und mit dem Ministerium zusammengearbeitet hatten wie den ,,Bleistiftmarathon", ,,Bücher für Liebe", die Schultüte oder der Wiederaufbau von Schulgebäuden ins Schussfeld der Kritik und bestärkten die VertreterInnen der Lehrerschaft in ihren Vermutungen hinsichtlich einer mögliche Privatisierung von bestimmten Bildungsdienstleistungen. So ist Joviel Acevedo von der Nationalen Magisterialversammlung (ANM) davon überzeugt, dass Unternehmensgruppen wie der entsprechende Interessensverband CACIF und die so genannten ,,UnternehmerInnen für die Bildung" sowie das Nationale Wirtschaftsforschungsinstitut CIEN gemeinsam ein solches Privatisierungsinteresse verfolgen. Nach oben |
,,Sie sind diejenigen, die tatsächlich regieren und Einfluss nehmen auf die Entscheidungen der Ministerin während sie zugleich versuchen, sich dem letzten zu bemächtigen, was es von der staatlichen Bildung noch gibt." Für diese Gruppen, so Acevedo, sei das Bildungsressort eine politische Beute. Mit ihren zahlreichen Schulprogrammen streben die Unternehmen ständig danach, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Mittels der Übernahme einer Patenschaft für eine Schule entgehen sie zudem dem Fiskus, betrügen das Volk und übergeben die Funktionen des Staates in die Hände der Eltern. Vizeministerin Meza betrachtet dagegen die Position der RepräsentantInnen der Lehrerschaft als Verzerrung der Prozesse. ,,Das einzige, was wir verfolgen, sind strategische Allianzen mit einigen privaten Unternehmen, um die Bildungsqualität zu steigern. Wir müssen einsehen, dass alle Körperschaften des Landes zusammenarbeiten müssen, damit das Land vorankommt. Wir können nicht mit dem Streit weitermachen zwischen dem Staatlichen und dem Privaten, das bringt uns zu nichts." So die Stellungnahme von Meza. Für Jorge Lavarreda, dem Leiter des CIEN liegt der offensichtliche Grund für die Beschuldigung der Einflussnahme des CIEN auf die Ministerin in der Tatsache, dass diese vor ihrem Staatsmandat die Leitung des Forschungsinstituts innehatte. Als weitere mögliche Ursachen für die Kritik von Seiten der Lehrenden nennt Lavarreda die zahlreichen Untersuchungen, die das CIEN über den Bildungssektor gemacht hat und die im Bildungsplan 2004-2007 ihren Niederschlag gefunden hätten. Dabei weist er darauf hin, dass das CIEN lediglich für die diese beantragenden Institutionen Handlungsvorschläge erarbeitet und zur Endfassung des Nationalen Bildungsfahrplans nur als beratende Instanz beigetragen habe. ,,Speziell zum Thema Bildung besteht unser Hauptziel darin, die Schulautonomie zu fördern. Das könnte als eine Privatisierung interpretiert werden." Auch Gabriel Biguria, Präsident der Unternehmen für die Bildung weist jedes Privatisierungsinteresse von sich. ,,Grundsätzlich handeln wir in Form einer Hilfsfunktion, wenn das Ministerium darum bittet." Während Vize Meza in Bezug auf die Verbesserung der Situation die Einhaltung der Regeln und Respektierung der Gesetze propagiert und gleichzeitig die Forderung der von den ministerialen Entscheidungen Betroffenen nach Beteiligung an den entsprechenden Prozessen als störend abwertet, beruft sich ANM-Vertreter Acevedo auf die Vereinbarungen der nationalen Dialoge zur Bildungsreform, in denen eindeutig die Teilnahme der munizipalen Bildungsräte verabredet wurde. |
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