25 Jahre nach dem Brand in der Spanischen Botschaft
Fijáte 328 vom 16. Feb. 2005, Artikel 1, Seite 1
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25 Jahre nach dem Brand in der Spanischen Botschaft
Die Vorfälle in der Spanischen Botschaft in Guatemala vor 25 Jahren haben Jahr für Jahr eine Reihe von Gedenkveranstaltungen zur Folge, die die Rehabilitierung der Opfer suchen ohne die Forderungen zu vergessen, die die BäuerInnen seinerzeit verfolgten. Bis heute wartet die Entschädigung der Verstorbenen dieser Tragödie auf rechtliche Beschlüsse. Dennoch öffnen sich Aussichten auf die Wiedereröffnung des Falles von Seiten der Elften Strafgerichtsinstanz in Guatemala. Die alte Akte soll überprüft und neue Beweise aufgenommen werden. Zurückzuführen ist dies allein auf den internationalen Druck, der, vor etwa fünf Jahren von guatemaltekischen Menschenrechtsorganisationen initiiert, inzwischen die spanische Justiz selbst auf den Plan gerufen hat. Sie will die rechtliche Lage der fünf spanischen StaatsbürgerInnen aufklären, die damals umgekommen sind und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Auszüge aus inforpress centroamericana 1593 skizzieren die aktuelle Lage. Am 31. Januar 1980 verbrennen 37 Personen, mehrheitlich BäuerInnen aus dem Departement Quiché, während einer friedlichen Besetzung im Inneren der alten Spanischen Botschaft. Gegen den Willen des damaligen Botschafters Máximo Cajal war der diplomatische Sitz von einer guatemaltekischen Polizeieinheit gestürmt worden. Der Zusammenschluss Convergencia 31 de Enero ist heute die Plattform von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Klage der BäuerInnen weiterverfolgen, die diese an jenem Tag in der Spanischen Botschaft einreichen wollten, um eine beispielhafte Wirkung in der Öffentlichkeit zu erreichen. Mit der Präsentation des Dokumentes ,,Was ist wirklich in der Spanischen Botschaft passiert?" beschreibt Convergencia 31 de Enero die vollzogene Besetzung als einzige Handlungsoption der BäuerInnen, nach einem unfruchtbaren Pilgerzug durch verschiedene Institutionen, wie dem Kongress, der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) und den Medien. Ihr Bestreben war, das Massaker von Chajul, im so genannten Ixíl-Dreieck, und die allgemeine Repression von Seiten der Armee anzuzeigen, unter der die Bevölkerung in der Region Quiché litt. ,,All die Ungerechtigkeit, all die Bosheit und all die Feigheit der nationalen Armee sind der Grund, warum wir zu deren Anzeige in die Hauptstadt gekommen sind (...). Die Zeitungen und Radios wollten nichts veröffentlichen, weil auch deren MitarbeiterInnen von der Regierung Morddrohungen erhalten haben (...). Uns bleibt keine Alternative übrig, als in der Spanischen Botschaft zu bleiben, um unsere Anklage dem ganzen Volk Guatemalas und allen Völkern der Welt bekannt zu machen (...)", so die damalige schriftliche Erklärung der BesetzerInnen. Der den Brand überlebende Botschafter Cajal erklärt in seinem Buch ,,Wer weiss, wer den Brand gelegt hat", dass der Vorfall im historischen Kontext eine Art Lehrstück war. Die unheilvolle Tat habe für die sozialen Organisationen einen exemplarischen Charakter eingenommen und den Möglichkeiten eines friedlichen Kampfes der Volksbewegungen ein Ende gesetzt, während sie die Repression von Seiten des Staates habe wachsen lassen. Die Tageszeitung Prensa Libre betitelte die Ausgabe jenes Tages mit: ,,Die Regierung wird keine weiteren Aktionen von BäuerInnengruppen mehr tolerieren". Den stärksten Anstieg der repressiven Gewalt während des 36-jährigen bewaffneten Konflikts erlebte Guatemala in der Zeit zwischen 1978 und 1986, in der die Regierungen unter Lucas García (1978-1982), Efraín Ríos Montt (1982-1983) und Oscar Mejía Víctores (1983-1986) aufeinander folgten. In diesen Jahren wurden die meisten Morde im Bürgerkrieg verübt, die Rede ist von 150´000 Toten, 626 Massakern, 45´000 Verschwundenen und 1 Mio. Vertriebenen, manche Quelle weist sogar auf mehr Opfer hin. Besonders brutal waren die Jahre 1981 unter Lucas García und 1982 mit Amtsübernahme durch General Ríos Montt und seiner Politik der ,,Verbrannten Erde". Die Region Quiché verbucht dabei den traurigen Rekord der stärksten Gewalt während des bewaffneten Konflikts und hatte rund 46% der Menschenrechtsverletzungen des Landes und 344 Massaker in ihrem Territorium zu ertragen. Infolge des Übergriffs auf die Botschaft, ein einzigartiges Vorkommnis in der diplomatischen Geschichte Lateinamerikas, brach Spanien die diplomatischen Beziehungen zu Guatemala ab, als eine Art politische Bestrafung. Als Antwort auf diese Kündigung schickte die Militärregierung von Romeo Lucas García einen Brief an den damaligen Präsidenten Spaniens, Adolfo Suárez, mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Beziehungen, denn ,,eine solide und felsenfeste Gemeinschaft darf durch isolierte Vorkommnisse wie das vom 31. Januar 1980 nicht gefährdet werden, welche sich, auch wenn sie gewissen Schweregrad einnehmen, der menschlichen Kontrolle entziehen und überall auf der Welt geschehen können". Erst nach dem 22. September 1984, dem Datum, an dem die Regierung Mejía Víctores den Anschlag auf die Botschaft anerkannte und anbot, die Verantwortung dafür zu übernehmen, wurden die Bande zwischen Spanien und Guatemala wieder aufgenommen. Die eingegangene Vereinbarung besagt, ,,dass die Regierung Guatemalas so bald wie möglich die moralischen und materiellen Schäden wiedergutmacht, die an den Leben und Vermögen aller umgekommenen Personen, sowie den betroffenen Überlebenden und Angehörigen verübt worden sind." Das Dokument blieb ein wertloses Schriftstück, bis heute gibt es keinerlei Entschädigung der Opfer. Angesichts dieser Voraussetzungen zogen am 27. Dezember 1999 einige Menschenrechtsorganisationen, ihnen voran die Stiftung Rigoberta Menchú, deren Gründerin beim Brand der Botschaft ihren Vater verloren hatte, vor die spanische Justiz und reichten Klage ein gegen die Regierungen von Lucas García, Ríos Montt und Mejía Víctores. Nach oben |
Erstes Ergebnis dieser Aktion zeitigte sich im internationalen Haftbefehl gegen den ehemaligen Innenminister Donaldo Álvarez am vergangenen 10. Dezember. (siehe ¡Fijáte! 325) Gustavo Meoño, Direktor der Menchú-Stiftung, erklärte, dass die Klage in Spanien eingereicht worden sei, da man in das durch seine Passivität bekannte guatemaltekische Justizsystem kein Vertrauen habe. Auf der anderen Seite betrachtet Meoño zufrieden den positiven Effekt, den in Chile und Argentinien die Fälle von Pinochet und den argentinischen Militärs hatten. ,,Wir erhoffen die gleichen Folgen für Guatemala", so Meoño. Obwohl der Fall von Seiten der spanischen Justiz auf die spanischen Opfer beschränkt ist, vertraut der Aktivist auf die Resolution des Verfassungsgerichts Spaniens, damit sich das Verfahren zu Gunsten der nationalen Opfer ausweite. Im vergangenen Dezember sandte der spanische Richter Fernando Grandes-Marlaska ein Bittgesuch um Rechtshilfe an die Elfte Strafinstanz Guatemalas. Infolge dessen ist der Fall in der guatemaltekischen Justiz wieder aufgenommen worden. Die Wiedereröffnung der Akte, die 36 Tage nach den Vorfällen archiviert wurde, weckt gewisse Erwartungen bei den Organisationen, die Gerechtigkeit einfordern. Gemäss Richter Saúl Alvarez, zuständig in der genannten Rechtsinstanz, fragt Spanien in seinem Gesuch auch nach dem Stand der Dinge in Bezug auf den Fall in Guatemala selbst. Diesbezüglich versucht der Gesetzeshüter auszuweichen: ,,Die Akte wurde nicht archiviert, sondern einfach vernachlässigt, denn es gab noch nicht einmal eine juristische Bestimmung für die Ablage der Prozessdokumente." Der Richter zeigt sich reserviert gegenüber den Hoffnungen der Menschenrechtsorganisationen. Hinsichtlich der These über das ,,Ende der Straflosigkeit im Land", bestätigt er zumindest, dass erste Hilfestellung geleistet wird für den Beginn eines Prozesses, während dessen getestet wird, ob die Justizmaschinerie in Guatemala ,,gut geölt" sei. Das Elfte Strafgericht, im Juni 2004 nominiert als Spezialinstanz in Sachen ,,Delikte mit grosser Reichweite", spielt eine fundamentale Rolle in der Wiederaufnahme der historischer Fälle. Derweil sieht es sich jedoch bereits mit einem grossen Arbeitsvolumen hinsichtlich der Einleitung delikater Prozesse konfrontiert. Im Moment wird die Rechtsangelegenheit der Spanischen Botschaft auf Mängel in der alten Akte hin überprüft. ,,Es wurden keine Beweise aufgenommen, die logischerweise den Verlauf der Ereignisse belegen würden", so Richter Alvarez. Auch die VertreterInnen der Opfer weisen auf zahlreiche Unzulänglichkeiten der damaligen Ermittlungen hin. Die Autopsien der Leichen seien unvollständig geblieben, es habe keine Stellungnahme von Sachverständigen gegeben, die die Ursachen der Vorkommnisse fundierten. Ferner beinhalte die alte Akte keinerlei Aussagen weder des einzigen überlebenden Zeugen, des Botschafters Máximo Cajal, noch der Polizeiagenten, die die Operation anführten. Alvarez deutet bereits an, dass Exhumierungen durchgeführt werden kön- nen, um die Art der Verbrennungen festzustellen und Reste von tödlichen Gasen zu finden, die wahrscheinlich die Explosion verursacht haben. Während vieler Jahre hielt die These der Selbstaufopferung der BäuerInnen mittels der Explosion von MolotovCoctails. Noch heute bestehen manche Sektoren auf diese Theorie. Der Grossteil der Beweise deutet derweil in eine andere Richtung. Die forensischen Analysen weisen Leichen auf, die am Oberkörper verbrannt sind, in frontaler Position zur Tür und aneinanderhaftend. ZeugInnenaussagen und anwesende FotografInnen berichten, dass einer der Polizisten einen Flammenwerfer in der Hand hatte, was darauf hinweise, dass das Feuer aus der Richtung der Tür des Büros kam, wo die Polizei sich befand. Und die nachträgliche dumpfe Explosion, so die Hypothesen, könnte durch ein Giftgas provoziert worden sein. Das Ziel der Organisationen der Opfer, die auch nach 25 Jahren auf die versprochene Entschädigung warten, läuft laut Araceli Garrido, Sprecherin der Convergencia auf die Rehabilitierung der Opfer und auf die Würdigung ihrer Namen mittels der öffentlichen Anklage hinaus. ,,Nach so vielen Lügen, die ihre Erinnerung erlitten hat, suchen wir einfach nur die Wahrheit", so Garrido. Mit Besorgnis sieht sie die Vorfälle in Chixoy, Nueva Linda und Sololá und bewertet sie als Aufleben des alten Regierungsdiskurses, der die Volksproteste kriminalisiert. Gustavo Meoño bestätigt mit gewissem Sarkasmus, dass ,,sie uns jetzt nicht mehr verbrennen, weil wir die Unterdrückung anzeigen, aber die Elendsbedingungen, die die Grundlage für die Forderungen von gestern waren, bestehen weiter; und es ist schon ein hoher Preis bezahlt worden." |
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