Todesopfer bei Protest gegen Minen
Fijáte 326 vom 19. Jan. 2005, Artikel 7, Seite 4
Original-PDF 326 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 --- Nächstes Fijáte
Todesopfer bei Protest gegen Minen
Guatemala, 14. Jan. Der Dienstag, 11. Januar, war der 41. Protesttag gegen den Transport eines 50 Tonnen schweren Zylinders mit einem Durchmesser von sieben Metern, den das kanadische Minenunternehmen Glamis Gold nach San Miguel Ixtahuacán, San Marcos, bringen wollte. Rund 8'000 BewohnerInnen des Departements Sololá blockierten in einer ersten Aktion Anfang Dezember den Durchgang des Trailers, auf dem das Riesending transportiert wurde und zwangen ihn, unter Schutz von Privatpolizei stehen zu bleiben. Der Grund, weshalb der Transporter auf der Höhe der Strassenkreuzung Los Encuentros überhaupt anhalten musste war, dass es dort eine Fussgängerbrücke gibt, unter der das Fahrzeug mit seiner Ladung nicht durchkam. Während nun das Bewilligungsverfahren für eine temporäre Demontage der Brücke lief und unter der Bevölkerung Unklarheit darüber herrschte, wofür die Maschine überhaupt ins westliche Hochland transportiert werden sollte, organisierten UmweltschützerInnen und GegnerInnen des Minenabbaus den Protest. Am 6. Januar verhinderten etwa 1'000 Personen zum zweiten Mal die Durchfahrt des Trailers. Offenbar herrschte immer noch Unklarheit darüber, wohin die Steine mahlende Maschine transportiert werden soll, und die BewohnerInnen des Departements Sololá befürchteten, dass es für die Minenprojekte in ihrer Region bestimmt sei. Gemäss dem Bürgermeister von Sololá, Esteban Toj Tzay, liess man auch ihn im Unwissen über den Bestimmungsort der Maschine, als man über die Bewilligung um die Entfernung der Fussgängerbrükke verhandelte. Der von der Regierung einberufene Dialog zur Suche einer friedlichen Lösung verlief ergebnislos. Im Gegenteil, der Departementsgouverneur, Julio Urrea Ruíz, alarmierte die Sicherheitskräfte, die mit einem Aufgebot von über 200 Mann auffuhr, unter ihnen auch Militärangehörige. An der Verhandlung nahmen u.a. die indigene Bürgermeisterin Dominga Vásquez, Mitglieder des Gemeinderates Oxlajuj Aq'abal' und Bürgermeister Toj Tzay teil, von dem die Bevölkerung verlangte, er solle sich gegen die Machenschaften der Minenbetreiber aussprechen und auf keinen Fall den Abbruch der Brücke bewilligen. Die Protestierenden stellten ein Ultimatum, bis zu dem sich der Trailer zurückziehen solle, ansonsten würden sie ihn in den Abgrund stürzen. Seit dem frühen Morgen des 11. Januar versuchten in Los Encuentros rund 1'000 PolizistInnen einer Spezialeinheit die Tausenden von besetzenden BäuerInnen zu entfernen, um den Weg frei zu machen, damit der Transport durchkomme. Dazu benutzten sie Tränengas in grossen Mengen, Kampfmontur und Waffen, was zum Tod eines Besetzers und zahlreichen Verletzten sowohl unter den Protestierenden wie auch auf Polizeiseite führte. Gemäss Medienberichten verweigerten die Sicherheitskräfte dem Rettungspersonal den Durchlass, um die Verletzten zu bergen, während ein paar Kilometer weiter vorne, an der als La Cuchilla bekannten Abzweigung zum Atitlán-See elf Polizisten als Geiseln festgehalten wurden. Die Zusammenstösse zwischen den schwerbewaffneten Sicherheitskräften und den mit Steinen und Molotov-Coctails antwortenden BäuerInnen zogen sich über den ganzen Tag hin. Der getötete Raúl Castro Bocel war offenbar ein Arbeiter in einem Reifenservice an der Strasse, an der der Protest stattfand. Zusammen mit seinem Sohn trieb ihn die Neugierde zu den Ereignissen. Auf dem Weg zurück in die Werkstatt wurde er von hinten erschossen. Dies ist das zweite Mal innerhalb weniger Monate, dass die Regierung einem Protest der Bevölkerung gewaltsam begegnet, währenddessen gleichzeitig Verhandlungen über eine gewaltfreie Lösung im Gange sind. Die "Durchsetzung des Rechtsstaates" ist die Begründung ihres Verhaltens, wobei offenbar Tote und Verletzte in Kauf genommen werden. Während es sich im Fall der brutalen Räumung der Finca Nueva Linda Ende August 2004 um einen so genannten innerguatemaltekischen Konflikt handelte was überhaupt nichts entschuldigt geht es in diesem Fall um die umstrittene Lizenz zum Goldabbau an ein kanadisches Unternehmen, Glamis Gold, welches sein Projekt in Guatemala mit finanzieller Unterstützung der kanadischen Regierung und der Weltbank durchführt. Die Bevölkerung von Sololá erklärte sich weiterhin in Kampfesstimmung, um "die Mutter Erde und eine Gesunde Umwelt für ihre Kinder zu verteidigen". Sie berufen sich auf das ILO-Abkommen 169, das ihnen eine Mitspracherecht bei Entscheidungen, die Einfluss auf ihre Lebensgrundlage haben, garantiert, sowie auf das Abkommen über die Rechte der indigenen Bevölkerung, in dem z.B. Nach oben |
der Schutz der von den Indígenas als heilig erklärten Wälder und Berge gewährleistet ist. Die Bevölkerung von Sololá sowie alle, die sich gegen den umweltzerstörenden Raubbau von Gold und anderen Rohstoffen einsetzen, erhielten Solidaritätsbekundungen von sozialen, Indígena- und BäuerInnenorganisationen aus dem In- und Ausland, sowie von Kongressabgeordneten wie Alba Estela Maldonado von der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG) oder Roxana Baldetti von der Patriotischen Partei, welche das Vorgehen der Sicherheitskräfte scharf kritisierten. Innenminister Carlos Vielmann liess am Tag nach den Zusammenstössen Haftbefehle gegen sechzehn mutmassliche AnführerInnen des Protestes ausstellen. Unter anderem auch gegen die indigene Bürgermeisterin Dominga Vásquez, die bereits seit Anfang Dezember auf ihrem Mobiltelefon Morddrohungen wegen ihres Engagements gegen die Minen erhielt. Angeschuldigt werden die sechzehn der Sabotage, Terrorismus, Beschädigung von Privateigentum, etc. Überhaupt nehmen die Regierungsverantwortlichen schnell und gerne Begriffe wie Aufruhr und Terrorismus zur Hand, um ihr Verhalten zu legitimieren. Der Innenminister machte in einem Interview mit der Tageszeitung La Hora gar einen direkten Zusammenhang zwischen den Protesten auf der Finca Nueva Linda, der Besetzung des Staudamms in Chixoy und den Ereignissen von Los Encuentros aus. Auffallend bei dem Interview ist, dass er immer wieder die rhetorische Frage stellte, ob man denn in die Zeit von vor dreissig Jahren zurückwolle wahrscheinlich, um das repressive Verhalten der Polizei und des Militärs gegenüber den für ihre BürgerInnen- und Menschenrechte kämpfenden BäuerInnen zu rechtfertigen. Nach dem Einschreiten der Sicherheitskräfte konnte der Lastwagen mit dem Zylinder seinen Weg Richtung San Miguel Ixtahuacán aufnehmen und kam am 13. Januar an seinem Bestimmungsort in der Mine von Gladis Gold an. Noch während in Los Encuentros am Mittwoch der ermordete Raúl Castro Bocel beigesetzt wurde, stellte Präsident Oscar Berger der diplomatischen Öffentlichkeit den neuesten Schwerpunkt seines Programms "Vamos Guatemala", mit dem sinnigen Titel "Guatemala Verde" (Grünes Guatemala) vor. Sein Kommentar dazu: "Es ist das erste Mal, dass die guatemaltekische Staatspolitik mit einem umweltschützenden Bewusstsein betrieben wird." Teilprojekte dieses Programms sind Investitionen in den Ökound Ethnotourismus, in die Wiederaufforstung und in den Schutz der guatemaltekischen Biodiversität. |
Original-PDF 326 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 --- Nächstes Fijáte