Un su cafesito… - Ein Streifzug durch das guatemaltekische Spanisch
Fijáte 360 vom 24. Mai 2006, Artikel 1, Seite 1
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Un su cafesito… - Ein Streifzug durch das guatemaltekische Spanisch
Spanisch ist gleich Spanisch ist gleich Spanisch. Könnte zumindest meinen, wer verzweifelt versucht, sich die ersten Vokabeln dieser temperamentvollen und widerspenstigen Sprache einzutrichtern. Wer aber seine frisch erworbenen Fähigkeiten in Guatemala ausprobieren will, wird schnell feststellen, dass im Land der Chapines so einiges ganz anders ist, als die Lehrbücher zu vermitteln versuchen. Wer z.B. einen Satz mit vosotros beginnt, erntet mindestens ein Schmunzeln. Im Gegenzug wird man selbst dauernd mit diesem ominösen vos angesprochen. Ausserhalb der Hauptstadt heissen die Städte nur noch blablabla-nango und sind genauso unaussprechlich wie nicht unterscheidbar. Wer sich schliesslich für [In diesem Text wird (entgegen der sonstigen Praxis im Fijáte) der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.] Bevor wir diese kleine Sprachreise nach Guatemala beginnen, zunächst die Frage, warum überhaupt in fast ganz Lateinamerika Spanisch gesprochen wird? Die Antwort ist einfach: Als Christoph Columbus im Jahre 1492 auf Inselgruppen der Bahamas stieß und damit die Eroberung Mittel- und Südamerikas einleitete, brachte er auch das Spanische, die Sprache der Eroberer, auf den neu entdeckten Kontinent. Innerhalb weniger Jahrzehnte mussten sich sowohl das Aztekenreich im Norden als auch die Inkaherrscher im Süden der spanischen Macht beugen. Mit dieser territorialen Machtausweitung gelangte das Spanische bis in weite Teile Lateinamerikas. In Spanien selbst allerdings wurde zu dieser Zeit keine einheitliche Hochsprache gesprochen, sondern es existierte auf der Halbinsel eine Vielzahl von Dialekten. Die meisten Spanier, die in die Neue Welt aufbrachen, stammten aus dem südspanischen Andalusien oder aber sie hielten sich oft monatelang in der Hafenstadt Sevilla auf, damals eine der glänzendsten Städte Spaniens, um auf ein Schiff zu warten, das sie nach Amerika brachte. Dieser lange Aufenthalt in Andalusien führte dazu, dass viele das andalusische Spanisch (andaluz) entweder teilweise übernahmen oder aber ihnen dieser Dialekt zumindest geläufig war. Das Fundament für das amerikanische Spanisch (auch Español Atlántico genannt) war also ein eindeutig andalusisch gefärbtes Spanisch des 16. Jahrhunderts, was wissenschaftlich mittlerweile auch als gesichert gilt. Daraus entwickelte sich dann mit der Zeit das Spanisch, das heute in Lateinamerika gesprochen wird. Die zwei auffälligsten Merkmale, die den Unterschied zur spanischen Standardsprache deutlich machen und auch überwiegend im heutigen Andalusien vorkommen, sind die Anrede mit ustedes (als einheitliche Form für "Ihr" und "Sie") für die 2. Person Plural, die das spanische vosotros ("Ihr")ersetzt, und die einheitliche Aussprache von s (auch seseo genannt). Dies kann mitunter auch gewisse Konsequenzen nach sich ziehen. Hat eine Spanierin in der Regel kein Problem, casa von caza zu unterscheiden, ist das in Lateinamerika schon schwieriger, da die beiden Wörter hier identisch ausgesprochen werden. Um trotzdem immer zu wissen, ob Don Pepito nun nach Hause oder doch auf die Jagd geht, kann man zum Beispiel ein "neues" Wort erfinden, in diesem Fall cacería. Schon wissen alle Bescheid. Eine Sprache ist nicht nur Mittel zur Verständigung, sie ist auch immer sensibler Seismograph für jegliche Art von kulturellen und sozialen Erschütterungen bzw. Veränderungen. Sprache ist nicht starr, sie ist hingegen beweglich und veränderbar und versucht, sich stets an die Bedingungen ihrer Zeit anzupassen. Nachdem die eben genannten Beispiele den Unterschied zwischen spanischer Standardsprache und amerikanischem Spanisch deutlich machten, wollen wir unsere Reise fortsetzen und weiter ins Innere des lateinamerikanischen Kontinents vordringen. Damit gelangen wir nun zu der Frage, wie es sein kann, dass ein Nach diesen kleinen Exkursen kommen wir nun zu dem Landstrich, der uns an dieser Stelle wohl am meisten interessiert, nämlich Guatemala. "El idioma oficial de Guatemala es el Español. El Estado reconoce, promueve y respeta los idiomas de los pueblos Mayas, Da wäre zunächst die Aussprache. Gingen wir allein nach dieser, würden wir feststellen, dass die nördlichen Nachbarn in Um etwas konkreter zu werden zwei Beispiele. Beim genauen Hinhören merken wir, dass ein "n" am Wortende oftmals "ng" (wie im Englischen parki-ng) ausgesprochen wird, also "visióng" ("Sicht"), "montóng" ("Menge") oder "dormilóng" ("Schlafmütze"). Dieses Phänomen ist in fast ganz Mittelamerika zu beobachten. Ländergrenzen können zwar manchmal auch als Dialektgrenzen hergenommen werden, dies muss aber nicht notwendigerweise der Fall sein. Denn auch wenn ein Staat durch beispielsweise die Sprachgesetzgebung Möglichkeiten hat, auf die sprachliche Situation im Land einzuwirken, hängt die Entwicklung einer Sprache oder eines Dialekts von weitaus mehr Parametern ab. Das guatemaltekische Spanisch wird heute beispielsweise aufgrund der hohen Präsenz mexikanischer Medien (Fernsehkanäle, etc.) stark vom Mexikanischen beeinflusst. Nach oben |
Eine Erscheinung, die sich schon eher tatsächlich guatemaltekisch ausnimmt, ist die so genannte Asibilierung des "r". Im Klartext heisst das, dass aus dem "r", vor allem bei "tr" und "rr", ein Laut wird, der sich wie ein weiches "sch" anhört. Aus tres wird damit "tsches", aus otro wird "otscho"; carro wird zu "cascho" und perro zu "pescho" (bei den letztgenannten wird das "sch" ausserdem stimmhaft ausgesprochen) (der Reihe nach: "drei", "anderer", "Auto", "Hund"). Allerdings muss hinzugefügt werden, dass eine solche Asibilierung in städtischen Gebieten, und dort vor allem in der gehobenen Sprache, vermieden wird, im Glauben, dass es sich hierbei um indianisiertes Spanisch handelt. Auch unter jüngeren Generationen nimmt der Gebrauch ab. Diese feinen Unterschiede in der Aussprache schriftlich wiederzugeben ist natürlich ein gewagtes und zweifelhaftes Unterfangen, aber mit etwas Phantasie lässt sich dieser Mangel durchaus beheben. Wir kommen zur Syntax und damit zu Merkmalen, die nun wirklich ohne Bedenken den Guatemalteken zuschrieben werden können. Vermutlich kennen viele die Situation, dass man bei Bekannten zu Besuch ist und gefragt wird: "¿Usted no quiere un su cafesito?". (wörtlich: "Sie möchten nicht einen Ihren Wenn wir nun schon einmal beim Kaffeetrinken sind, stellt sich zwangsläufig auch die Frage, WIE man WEN anredet. Die Gastgeber mit usted, die anderen Gäste ebenfalls, deren schon kritisch beäugt, wer einen Gleichaltrigen nicht mit vos anspricht. Nach so vielem hin und her kommen wir nun zu etwas handfesterem, dem Wortschatz. Und damit auch zur Frage, inwiefern das guatemaltekische Spanisch von den indigenen Sprachen beeinflusst wurde und wird. Möglichen Vermutungen entgegen hat sich herausgestellt, dass der Einfluss indigener Sprachen weitaus geringer ist, als lange Zeit angenommen wurde. Und denken wir dabei an die Mayasprachen, liegen wir schon wieder falsch. Es ist nämlich das Náhuatl, eine alte Indianersprache, die auf die Sprache der Azteken und Tolteken zurückgeht, das mit Abstand die meisten Spuren hinterlassen hat. Die Einflüsse aus dem Náhuatl in Guatemala gehen zurück bis in die Zeit der Conquista, als es ein Herrschaftsgebiet im Süden des Landes gab, in dem eine Varietät gesprochen wurde, die dem zentralmexikanischen Náhuatl sehr ähnlich war. Später haben die spanischen Kolonisatoren dann Náhuatl-Bezeichnungen für Regionen, Dörfer, Flüsse und Vulkane offiziell in ihren Wortschatz übernommen. So lässt sich beispielsweise die Stadt Nachdem wir nun also wissen, warum es Guatemalteke und nicht Guatemalese oder Guatemaler heisst, schliessen wir unsere Reise mit dem Einfluss der Mayasprachen ab. Nach der Klassifizierung des Proyecto Lingüístico Francisco Marroquín (PFLM), die auch von der Academia de las Lenguas Mayas de Guatemala offiziell anerkannt wird, existieren in Guatemala 23 Mayasprachen. Die vier bedeutendsten Sprachen, K'iche',
Der Autor Tobias Wildner studiert Spanisch, |
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