Recht in Sicht?
Fijáte 289 vom 16. Juli 2003, Artikel 5, Seite 4
Original-PDF 289 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 --- Nächstes Fijáte
Recht in Sicht?
Guatemala, 27. Juni. Guatemala ist der Staat, gegen den beim Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH) mit Sitz in San José, Costa Rica, die meisten Klagen vorlägen, da er konstant seine internationale Verantwortung negiere, versicherte Juan Carlos Gutiérrez, Mitglied des Zentrums für Gerechtigkeit und internationales Recht (CEJIL). Mindestens neun Fälle gegen den guatemaltekischen Staat hat der Gerichtshof erhalten, da die Rechtsermittlungen und die Strafanwendung gegen die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen nicht voranschreiten. Die deutlichsten Fälle des Fehlens eines funktionierenden Justizsystems in Guatemala seien die Ermordungen der Anthroprologin Myrna Mack und des Bischhofs Juan Gerardi, so Gutiérrez, wobei vom CIDH bereits diverse Empfehlungen gegeben wurden. Der jüngste, dem CIDH eingereichte Fall ist der des Journalisten und Politikers Jorge Carpio Nicolle, Gründer der nicht mehr existierenden Tageszeitung El Gráfico, der am 3. Juli 1993 gemeinsam mit drei Kollegen ermordet worden war. Die Gruppe war Teil einer Delegation der damaligen Partei Nationale Zentraleinheit (UCN) und befand sich auf einer politischen Tour durch das Land. Carpio Nicolle kandidierte für die UCN als Präsidentschaftsaspirant. Der Mord ereignete sich im Departement Quiché und wird Mitgliedern der lokalen Zivilpatrouillen (PAC) zugeschrieben. Dabei kursierten diverse Hypothesen über den Hintergrund. Eine davon wies das Verbrechen einer politisch-militärischen Konspiration zu, da Carpio Nicolle es ablehnte, einem Amnestie-Antrag zuzustimmen, der sowohl Zivilisten als auch Militärs schützen sollte, die den Staatsstreich durch den Präsidenten Jorge Serrano Elías im Mai 1993 unterstützt hatten. Nach oben |
Eine andere Version deutete den Mord als Machtbotschaft seines Cousins Ramiro León de Carpio, der einen Monat vorher vom Kongress als Bevollmächtigter der Nation ernannt worden war. Da der guatemaltekische Staat weder die vom CIDH erteilten Empfehlungen hinsichtlich einer Entschädigung der in ihren Rechten verletzten Angehörigen des Ermordeten befolgte, noch einen sauberen Ermittlungsprozess anstrengte, wurde jetzt das internationale Gericht eingeschaltet, um der 10 Jahre währenden Straflosigkeit ein Ende zu setzen. Auf unerklärliche Weise waren Beweismittel verschwunden, die Familie und involvierte Mitglieder der Staatsanwaltschaft erhielten Drohungen und Einschüchterungen, die noch andauernde Sicherheitsvorkehrungen zur Folge hatten. Der guatemaltekische Staat wird nun angeklagt wegen der aussergerichtlichen Hinrichtung Carpios. Dies wird unterstützt durch die Argumente der Verletzung des Rechts auf Leben, der psychischen und emotionalen Integrität der Familie sowie einen angemessenen Prozess, des Rechts auf Meinungsfreiheit und der politischen Rechte des Ermordeten. Für die ehemalige Staatsanwältin Karen Fischer, stellt die Klage eine moralische Befriedigung dar, beinhalte sie doch die Verantwortung des Staates am Mord des Journalisten. Auch wenn sie keine Haftstrafen nach sich ziehe, sei der Prozess dennoch eine moralische Sanktion im Namen des guatemaltekischen Volkes. Die Klärung des Massakers des Plans von Sánchez, der Mord an Myrna Mack und die Folter und Geiselnahme der Universitätsprofessorin Maritza Urrutia durch den CIDH stehen noch an. |
Original-PDF 289 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 --- Nächstes Fijáte