Militärperspektiven
Fijáte 296 vom 5. Nov. 2003, Artikel 8, Seite 6
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Militärperspektiven
Guatemala, 31. Okt. In einem Interview drückte Tom Koenigs, Leiter der UN-Mission für Guatemala, MINUGUA, seine Sorge hinsichtlich der Wahl-Aufstellung von Militärangehörigen für öffentliche Posten aus. ,,Im nächsten Kongress werden mehr Ex-Militärs sitzen wie nie zuvor. Sie stammen aus politischen Verbänden der Landbesitzenden und Bourgeoisie sowie von der Grossen Nationalen Allianz (GANA)", erklärte er und fügte hinzu, dass anscheinend alle Parteien denken, dass sie ohne Militär die Macht nicht gewinnen könnten. Positiver Aspekt der Präsenz von so vielen pensionierten Militärangehörigen sei laut Koenigs, dass es offensichtlich kein eigens militärisches politisches Projekt gäbe. Dagegen bleibe der militärische Einfluss durchaus bestehen, während sich die ehemaligen Armeeangehörigen der Straflosigkeit erfreuten. Auch die Zeitung Der Wahlbeobachter weist auf das beständige ,,Recycling" der Hauptfiguren hin, die in den letzten 30 Jahren zu den Protagonisten des nationalen Lebens gehörten und die Parteiführungen aus der Zentrale oder auch aus den Kulissen heraus dominierten. Zu diesen gehörten alte und neue Oligarchien, Militär- und Intellektuellenkreise, die involviert waren in die Aufstandsbekämpfung, so die Veröffentlichung. Ihr Überleben und das Festhalten an der Macht seien laut des Wahlbeobachters auf den steten Wechsel ihrer politischen Verkleidung und Allianzen mit Blöcken zurückzuführen, die ihnen hinter dem Deckmantel der formalen Regierungsführung die politischen Zügel in den Händen überliessen. Die gesamte Geschichte der guatemaltekischen Politik sei geprägt durch ihren stets autoritären Charakter, währenddessen der Staat der Ausdruck der dominierenden Systeme gewesen sei. Diese konnten sich dank der Zwangsmacht, die die Armee vertritt, zu Gunsten von Minderheitssektoren halten. Dies fand Arnoldo Villagrán vom Guatemaltekischen Netz für die demokratische Sicherheit in einer Studie heraus. Vorherrschendes Merkmal im Rahmen der aktuellen Umstrukturierung des Militärs, die als entscheidender Faktor für die Festigung der Demokratie im Land gilt, sei die Ausdehnung seiner Funktionen und die Fortdauer seiner Doktrinen und Theorien, die während des bewaffneten Konflikts benutzt und als sogenannte ,,Nationale Sicherheit" bezeichnet worden waren. Dagegen fordere die Modernisierung des Militärs laut Villagrán eine grundsätzliche Veränderung in seinen Funktionen, seiner Mission und eine veränderte Haltung gegenüber der Gesellschaft. Diese Veränderung dürfe sich nicht auf die Anschaffung von Ausrüstung beschränken, sondern müsse in der Überwindung jener Doktrinen und Theorien hin zu einer sich auf die Menschenrechte beruhenden Mentalität bestehen. Nach oben |
Eine der Schwächen der Armee sei die Zerstreutheit im ganzen nationalen Territorium, was sie weniger stark mache hinsichtlich ihrer fundamentalen Aufgabe der Landesverteidigung und ihr stattdessen die politische Kontrolle der Bevölkerung zuweist. Acht Jahre nach dem in den Friedensverträgen aufgestellten Zeitpunkt löste Präsident Portillo Ende Oktober nun endgültig den Präsidialen Sicherheitsstab (EMP) auf, dessen Funktionen v.a. der Schutz vom Präsidenten, dessen Vize sowie von MinisterInnen und auf Wunsch der beiden Kandidaten, die in der zweiten Wahlrunde um das Präsidentschaftsamt streiten in den nächsten 30 Tagen an das Sekretariat für Verwaltungsangelegenheiten und die Sicherheit des Präsidenten (SAAS) übergeben werden sollen. Von den rund 500 ehemaligen EMP-Angestellten entschieden sich einige für den freiwilligen Ruhestand, andere sollen Posten in dem als durchweg zivil geplanten SAAS übernehmen. Solange sind noch etwa 25 EMP-Soldaten für die Sicherheit des Präsidenten zuständig. Mit der Auflösung des EMP wird laut MenschenrechtsaktivistInnen einer Institution ein Ende gesetzt, die Jahrzehntelang für die politische Spionage und repressiven Massnahmen verantwortlich war. Dem EMP wird die intellektuelle sowie materielle Verantwortung für die Morde an der Anthropologin Myrna Mack 1990 und an Bischof Juan Gerardi 1990 zugeschrieben. |
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