Das Ringen um Stimmen
Fijáte 298 vom 3. Dez. 2003, Artikel 2, Seite 3
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Das Ringen um Stimmen
Guatemala, 27. Nov. Derweil die Verliererparteien noch ihre Wunden lekken und die Wahlpropaganda abhängen, sind die zwei ,,Sieger" der ersten Wahlrunde vom 9. November, Alvaro Colom von der Partei Nationale Einheit der Hoffnung (UNE) und Oscar Berger von der Grossen Nationalen Allianz (GANA), bereits wieder auf Stimmenfang. Im Vorfeld der Stichwahl vom 28. Dezember ist ihre Kampagne aggressiver als in der ersten Runde, und es kommt endlich auch etwas klarer zum Ausdruck, dass die beiden Kandidaten im Grunde aus dem selben Holz geschnitzt sind. Alvaro Colom, der sich noch vor den Wahlen klar gegen eine finanzielle Entschädigung der ehemaligen Zivilpatrouillisten (Ex-PAC) ausgesprochen hatte, was ihm von vielen Leuten hoch angerechnet wurde, verkündete unterdessen, es sei eine Frage des Aushandelns. Er sei nicht grundsätzlich gegen die Zahlungen an die Ex-PAC. Colom reiste unmittelbar nach der ersten Wahlrunde in die Vereinigten Staaten, was von den GuatemaltekInnen unterschiedlich aufgenommen wurde: Die einen sehen eine Gefahr für die Souveränität des Landes, wenn sich die USA in die interne Politik einmischt, die anderen sind sich bewusst, dass ein guatemaltekischer Präsident auf das ,,Ja-Wort" des grossen Bruders angewiesen ist, will er an internationale Unterstützung kommen beides stimmt leider. Oscar Berger, der unter der indigenen Bevölkerung Terrain wett machen muss, veröffentlichte ein paar Tage nach den Wahlen in der grössten Tageszeitung ein ganzseitiges Inserat, in dem er Rigoberta Menchú zur Eröffnung ihrer Farmacias Similares (Apotheken, die zu günstigeren Preisen Medikamente verkaufen, siehe Artikel in diesem ¡Fijáte!) gratuliert. Die Strategie von Berger ist, seinen Vize-Kandidaten Eduardo Stein, der international (auch bei Hilfswerken und sonstigen GeldgeberInnen) grosses Ansehen geniesst, zu Gesprächen und Treffen mit den sozialen Organisationen loszuschicken, um diesen Boden zu beackern. Wie vor der ersten Wahlrunde reisen die Kandidaten der Stichwahl im ganzen Land herum, treffen sich mit den verschiedensten Sektoren und versuchen, die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen. Am 26. November kam es zum ersten gemeinsamen, öffentlichen Auftritt der beiden Kandidaten. Eingeladen von der Stiftung Kakulhaa und dem Nationalen Ältestenrat der Mayas, Xincas und Garífunas, nahmen Berger und Colom an einer Diskussionsveranstaltung teil, bei der sie ihre jeweiligen Regierungsprogramme vorstellten, speziell was die Maya-Bevölkerung betrifft. Auf die Frage aus dem Publikum, welche Massnahmen sie ergreifen werden, um die Partizipation der indigenen Bevölkerung zu garantieren, gaben die beiden folgende aufschlussreichen Antworten. Colom: ,,Unter der Regierung der ,,Hoffnung" wird das Thema ,,Indígena" fundamental sein." Und Berger: Wir werden die nationale Einheit und Identität fördern und stärken". In diesen Tagen gehen die ersten Gerüchte herum, wen die beiden Kandidaten für die Bildung ihrer Regierung in Betracht ziehen. Sowohl Oscar Berger wie auch Alvaro Colom haben in ihrer nächsten Umgebung und entsprechend in ihrem zukünftigen Kabinett VertreterInnen der Oligarchie, des Militärs, der Wirtschaft, des organisierten Verbrechens und der sozialen und/oder linken Bewegungen. So liess Alvaro Colom z.B. verlauten, er werde das Innenministerium Adela Torrebiarte von der Vereinigung Madres Angustiadas anbieten und das Verteidigungsministerium einem ,,sehr speziellen" Ex-Militär. Nach oben |
Berger seinerseits jongliert mit den Namen von Otto Pérez Molina (ehemaliger Chef des Präsidialen Sicherheitsstabs EMP und Sekretär der Partido Patriota, einer der drei Parteien, die die GANA bilden), Otto Noack (ehemaliger Militärsprecher), Jorge Briz (Unternehmer) und Eddie Castillo (Kaffeebaron). Die einzelnen Parteiführungen haben ihre Unterstützung für den einen oder anderen Kandidaten zugesichert. So haben sich die PAN, die Christdemokraten, die Democrácia Social Participativa und die Cambio Nacional, die in der ersten Runde ca. 12% der Stimmen summiert haben, für Colom und die UNE entschieden. Die DIA unterstützt Berger und die GANA, während sich die Unionistas und die ANN sich für Stimmfreigabe entschieden haben. Trotz der Gerüchte und dem Ausspruch von Ríos Montt (noch bevor die Wahlergebnisse bekannt waren), er würde den Zweitplatzierten unterstützen, was Richtung UNE wies, verkündete Ríos Montt nun, keine der beiden Parteien zu favorisieren. Die URNG empfiehlt leer einzulegen oder sich zu enthalten. Auch wenn sich die Parteiführungen entschieden haben, die Basis der meisten Parteien ist gespalten oder kann bzw. will sich nicht entscheiden. So geht es auch den übrigen Sektoren, den LehrerInnen, den StrassenhändlerInnen, den UnternehmerInnen, den Ex-PAC, den Gewerkschaften, den Campesinos und Campesinas: keine dieser Gruppen hat sich bisher geschlossen hinter einen der beiden Kandidaten gestellt. |
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