Frauenflüchtlinge nach der Rückkehr: Die Grenzen der Entwicklungszusammenarbeit
Fijáte 214 vom 19. Juli 2000, Artikel 1, Seite 1
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Frauenflüchtlinge nach der Rückkehr: Die Grenzen der Entwicklungszusammenarbeit
Einer der hervorragendsten Erfolge der internationalen Hilfe in der Arbeit mit guatemaltekischen Flüchtlingen ist die Organisierung der Frauen. Im mexikanischen Exil nahm fast jede dritte Frau durch Unterstützung des
Zurück in Guatemala haben es die Rückkehrerinnen aber nicht mehr im gleichen Masse geschafft, ihr Engagement aufrecht zu erhalten, vielerorts sind die Frauenorganisationen gar eingeschlafen. Bewusstseinsbildung unter der GlasglockeDer Aufenthalt von 45 000 guatemaltekischen Flüchtlingen in Das Leben in den Lagern glich dem früheren Leben der Betroffenen kaum und für einige - allen voran für die Frauen - war dieser Wechsel nicht nur negativ. Da Entwicklungs- und Geberorganisationen viele der traditionelle Frauenaufgaben übernahmen, blieb ihnen mehr Zeit, sich zu organisieren, sich zu treffen, zu diskutieren und zu lernen. Dieser Prozess von Bildung und Ausbildung wurde durch die internationalen Organisationen unterstützt. Im Mai 1990 versammelten sich 47 Frauen aus den Flüchtlingslagern in Palenque, In den drei folgenden Jahren wuchs Mamá Maquín schnell, 1993 zählte sie in den Lagern bereits 7 000 Mitglieder. Dieses Wachstum ging einher mit der institutionellen Verpflichtung von ACNUR, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern. Ausserdem koordinierte ACNUR die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen mit Frauen. Vielen Frauenflüchtlingen waren bis zu ihrer Teilnahme an diesen Programmen jegliches Wissen um Menschen- und Frauenrechte unbekannt. Eine Auswertung der Ausbildungsanstrengungen von ACNUR kam zum Schluss, dass das Selbstwertgefühl der Frauen durch besseres Kennen der Rechte gestärkt wurde und dass die Frauenorganisation deshalb wuchs, weil sie den Frauen neue Rollenbilder präsentierte. Ausserdem stellte ACNUR fest, dass die Anwesenheit von Männern in den Kursen weder positiv noch erfolgreich war. Neben den Ausbildungsprogrammen engagierten sich ACNUR und die Nichtregierungsorganisationen in der Förderung von Menschenrechten, von Reproduktions- und Landrechten und gegen häusliche und sexuelle Gewalt. Aufgrund dieser Anstrengungen schlossen die Vereinbarungen über die Rückkehr Themen wie Gleichberechtigung der Frauen im allgemeinen und das Recht auf Landbesitz für Frauen mit ein. Dennoch wurden laut Untersuchungen der internationalen Nichtregierungorganisationen, die RückkehrerInnen in ihrer Rückkehr begleitet hatten, festgestellt, dass diese Grundrechte in vielen Fällen missachtet wurden und dass die Teilnahme der Frauen nicht ihren eigenen Erwartungen entsprach. Die RückkehrObwohl die Frauen eine wichtige Rolle bei der Rückkehr spielten und ihre Forderungen bezüglich dem Recht auf Landbesitz in den Vereinbarungen aufgeführt waren, wurde der Zugang zu Landbesitz in der Praxis durch den fehlenden Willen der Behörden, die diskriminierenden Gesetze, als auch durch "den Opportunismus der Männerflüchtlinge" wie es eine Koordinatorin von ACNUR nennt, limitiert. Die Männer hätten sich oft nur deshalb für die Gründung von Frauenorganisationen ausgesprochen, um den internationalen Organisationen und Botschaften zu imponieren, ohne sich in der Praxis für die Forderungen der Frauen einzusetzen. In den wenigen Gemeinden, in denen Frauen das Recht auf einen Landtitel erhielten, waren die Kosten für die Legalisierung der Grundstücke unbezahlbar. Oft wurde der Landtitel der Frau gar verkauft, um mit dem Erlös die Schreibgebühren für den Landtitel ihres Partners zu bezahlen. In den Fällen, in denen die Kredite für die Finanzierung der Grundstücke durch die In einigen Gemeinden war die Opposition der Männer noch direkter. In Pueblo Nuevo, |
Rechte und Fortschritt: Gelernte LektionenVor kurzem besucht Inforpress neun Gemeinden von RückkehrerInnen im Im Moment haben die Frauen den Kampf um gleiche Rechte zurückgestellt. Sie kämpfen um minimale Lebensbedingungen, die ihnen die Grundlage und die Zeit bieten würden, um sich erneut mit Währenddessen öffnet sich die Kluft zwischen den Promotorinnen für Geschlechterfragen und den angesprochenen Frauen. In einem Video von ACNUR, das einen Kurs über Genderfragen dokumentiert, fordert eine Kursleiterin die indigenen Frauen auf, sich zu bücken und fragt: "Wer steht oben?" Die Frauen antworten, nachdem sie einen Moment nachgedacht haben: "Das Ein anderes Beispiel für die Kluft zwischen der Prioritätensetzung zeigt ein Fall, in dem Promotorinnen einer Nichtregierungsorganisation Kredite an Frauen der Gemeinde Victoria 21. Januar offerieren. Damit verbunden war ein Lehrgang über Geschlechterfragen. Nach einem Einführungsreferat der Kursleiterin über die Rechte der Frau auf Partizipation und eigenen Ausdruck, gab es die Möglichkeit für Fragen und den Austausch von Ideen zum Thema. Nach einem langen Schweigen, streckte eine Frau auf, um das zu fragen was alle wissen wollten, nämlich: "Wann kriegen wir die Kredite?" Einige Untersuchungsbeauftragte meinen, dass es für viele PromotorInnen schwierig gewesen sei, Werte und Ideologien, die von den internationalen Hilfsinstitutionen als universell betrachtet wurden, auf die lokalen Begebenheiten zu übersetzten. Insbesondere auch, weil diese PromotorInnen auf eine Analyse ihrer eigenen historischen Wurzeln und der eigenen Ideologie verzichteten. Die Untersuchungen stellen auch fest, dass die Entwicklung von Geschlechterbewusstsein in den sogenannten entwickelten Ländern konkret mit sozialem Fortschritt einherging, wie z.B. der Senkung der Geburtensterblichkeit, der Schaffung von Kindertagesstätten, der Technologisierung der Hausarbeit, etc. Alles Errungenschaften, die Platz und Zeit freimachen, um sich mit neuen Rollenmustern auseinanderzusetzen. Alles Errungenschaften, die in den ländlichen Gemeinden Guatemalas völlig fehlen. Was in den Ausbildungsprogrammen für die guatemaltekischen Flüchtlinge völlig fehlte, war ein Programm im Bereich der Grundsätzlich teilt auch Mike Leffert, ein anderer Wissenschaftler, diese Schlussfolgerungen. Er streicht aber die Erfahrung, sich kollektiv zu organisieren, als positiv heraus, auch wenn die spezifischen Erfolge im Bereich Gleichstellung bescheiden seien. Man müsse anerkennen, dass die Frauen gelernt hätten, sich zu organisieren und auszudrücken. Man müsse unterscheiden zwischen der Bildung sozialer Strukturen und den erreichten Zielen jeder einzelnen. Negativ hingegen ist laut Analyse von Leffert, dass internationale Hilfswerke mit ihren Wertvorstellungen der Bevölkerung Gesellschaftsbilder aufdrängen, die wohl einer globalisierten Welt, aber in keiner Weise den lokalen, materiellen Lebensbedingungen entsprechen. In einer Welt, die von unterdrückenden Marktbeziehungen beherrscht ist, scheitert dieser Transfer von Ideologie meistens, weil die ÜberbringerInnen der Ideologie ihre Position kaum reflektieren. Somit verkommen Ideologien zu einer Art Güter oder Zuschüsse für Menschen unter totalem Notstand, und dienen einzig der Verbreitung einer universellen Weltordnung. Notstand ist für die Bevölkerung per Definition ein Bruch im natürlichen historische Ablauf. Oft wird er von Umbrüchen in der Gesellschaftsordnung und den Produktionssystemen, aber auch vom Verlust von Aussenkontakten begleitet. Eine solche Ausnahmesituation schränkt die Zivilbevölkerung in ihrem Engagement ein und erschwert ihr, eigenständig an der sozialen Entwicklung mitzuwirken. Im Gegenteil, Beziehungen, die im andauernden Notstand, unter neuen Abhängigkeiten entstehen, verschleiern oft die der Krise zugrundeliegenden Realitäten, das Selbstverständnis der betroffenen Menschen und überschätzen die Fähigkeit neuer Ideen, sich behaupten zu können. |
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