Urteil im Fall Xamán widerrufen
Fijáte 200 vom 15. Dez. 1999, Artikel 3, Seite 3
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Urteil im Fall Xamán widerrufen
Guatemala, 6. Dezember. Das Appellationsgericht von Cobán, Alta Verapaz, hat das Urteil gegen die in erster Instanz verurteilten ehemaligen Zivilpatrouillisten im Fall Xamán aufgehoben. Mitte August dieses Jahres wurden insgesamt 25 Soldaten wegen vorsätzlichem Mord an elf BewohnerInnen der Rückkehrgemeinde Aurora 8. Oktober auf der Finca Xamán in Chisec, Alta Verapaz, zu vier, resp. fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Obwohl schon damals die Klägerschaft und verschiedene Menschenrechtsorganisationen das Urteil als zu gering kritisiert hatten, reichte die Verteidigung der Ex-Patrouillisten einen Rekurs dagegen ein. Nun wurde ein Teil der Verurteilten freigesprochen. Darunter der Kommandant der Patrouille, Camilo Antonio Lacán Chaclán, dessen Urteil, vier Jahre Gefängnis, umwandelbar in eine Geldstrafe von fünf Quetzales pro Tag (total rund 1400 US-$), widerrufen wurde. Die dem Appellationsgericht vorsitzende Richterin, Carmen Elguther Figueroa, befand, dass nicht genügend Beweise gegen die Verurteilten vorlägen und hob das Urteil gegen Lacán Chaclan sowie weitere vierzehn Ex-Patrouillisten auf. Die restlichen am Massaker beteiligten Soldaten wurden wegen "einfacher Tötung" zu neun Jahren unbedingt und wegen Körperverletzung zu drei Jahren bedingt, verurteilt. Mit diesem Urteil wurde der Antrag des Staatsanwaltes, Alejandro Muñoz Piraval zurückgewiesen, der auf "aussergerichtliche Hinrichtung" plädiert hatte. Muñoz Piraval akzeptiert das neue Urteil nicht und will "überprüfen, ob nicht noch ein weiterer Rekurs möglich ist". Lacán Chaclán ging erhobenen Hauptes aus der Verhandlung. Nach vier Jahren im Gefängnis sei endlich seine "Unschuld bewiesen", meinte er gegenüber der Presse. Aber auch die zu unbedingter StrafeVerurteilten werden wohl nicht mehr allzu lange im Gefängnis sein: Nach Abzug ihrer bereits verbüssten Strafe, der Zeit in Untersuchungshaft und wegen guter Führung, werden sie im April nächsten Jahres in Freiheit entlassen. Dem Image der guatemaltekischen Rechtssprechung, welche unter anderem wegen der geringen Strafe in diesem Fall, wegen der Nichtaufklärung des Mordes an Bischof Gerardi und wegen zahlreichen anderen, ungeklärten Fällen, arg kritisiert wird, bekommt dieser Freispruch sicherlich nicht. Als einen "Schlag für die Guatemaltekische Gesellschaft, die für einen funktionierenden Rechtsstaat kämpft", bezeichnet das Institut für politische, wirtschaftliche und soziale Studien, IPES, das Urteil. Auch die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, ehemalige Nebenklägerin in diesem Prozess, (welche sich jedoch später aus dem Fall zurückzog), äusserte sich entrüstet über die Annulierung des Urteils. Sie bezeichnete den Fall als einen der "aussergewöhnlichsten" in der Geschichte Guatemalas und wird ihn an den Interamerikanichen Menschenrechtsgerichtshof (CIDH) weiterziehen. Nach oben |
Die nationale Indigena- und Bauernkoordination (CONIC) bezeichnete die Aufhebung des Urteils in einer Presseerklärung als "eine Ohrfeige für das Mayavolk". Das Urteil beweise, dass die Richter im Dienste der Straffreiheit stünden. Solche Ereignisse bewirkten bei der Bevölkerung ein totales Misstrauen gegen das Justizsystem. Solche Urteile förderten weitere Gewalttaten und Diskriminierung, meinte CONIC weiter. Die Organisations rief alle nationalen und internationale Menschenrechtsorganisationen sowie das Mayavolk dazu auf, gegen die Widerrufung des Urteils zu protestieren. Einen Tag nach der Urteilsaufhebung gab der Sprecher des Militärs, Oberst Douglas Barrera Guerra, bekannt, dass Unterleutnant Camilos Antonio Lacán Chaclán zum Leutnant befördert werden soll. Er habe die entsprechenden Dienstjahre hinter sich und erfülle auch sonst sämtliche Anforderungen, welche das Militärgesetz für eine Beförderung verlange. Miguel Angel Albizures von der Allianz gegen Straffreiheit ist empört darüber, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, Lacán Chaclán zu befördern. Es sehe so aus, als bekäme er einen Preis dafür, dass er die Aktion auf der Finca Xamán angeführt habe, bei der elf Personen das Leben verloren. |
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