Notizen aus dem Wahlkampf
Fijáte 197 vom 3. November 1999, Artikel 11, Seite 6
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Notizen aus dem Wahlkampf
Guatemala, 21. Okt. - 3. Nov. Im Petén häufen sich die Angriffe auf AktivistInnen der ANN. Es sei an dieser Stelle an die vorübergehende Entführung des Sohnes eines Aktivisten und an die Ermordung des stellvertretenden URNG- Sekretärs in Melchor de Mencos erinnert. BewohnerInnen verschiedener Gemeinden, darunter "Las Josefinas" und "Dos Erres", die SympathisantInnen der ANN sind, wurde von ehemaligen Zivilpatrouillisten und FRG-Mitgliedern gedroht, im Falle eines Sieges der FRG würden sie umgebracht. Das jüngste Ereignis ist die vorübergehende Entführung, Bedrohung und Vergewaltigung einer minderjährigen Verwandten des ANN- Kampagneleiters in Santa Elena, Petén, durch sechs, sich offen als Mitglieder der FRG ausgebende Männer. Die Angreifer drohten dem Mädchen, sie und ihre Familienangehörigen umzubringen, falls sie den Vorfall bei der Polizei anzeige. Sie wurde schon bei einer früheren Gelegenheit von den selben Männern bedroht. In einer Stellungnahme zu diesem Vorfall sagte Alvaro Colom, Präsidentschaftskandidat der ANN, solche Ereignisse erinnerten an die dunkelsten Zeiten der Repression, als die Leute, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzten, vom repressiven Staatsapparat verfolgt und gequält wurden. Colom fordert vom Präsidentschaftskandidaten der FRG, Alfonso Portillo, sich öffentlich dazu zu verpflichten, eine Untersuchung einzuleiten und Massnahmen zu ergreiffen, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholen. Die sofort eingeschaltene UNO-Mission für Guatemala MINUGUA, untersucht das Geschehnis und schliesst ein politisches Motiv nicht aus. Noch ein paar Zahlen: Im ganzen Land werden am 7. November insgesamt 7601 Wahlurnen aufgestellt, die jede von vier Personen bewacht werden. 4,2 Millionen GuatemaltekInnen haben sich ins Wahlregister eintragen lassen und sind somit wahlberechtigt. Das sind rund 13% mehr als bei den Wahlen 1995. 28% dieser WählerInnen sind unter dreissig Jahren alt, 46% sind zwischen dreissig und fünfzig Jahren alt. 31% sind AnalfabetInnen, 58% sind Männer. 18% aller eingetragenen WählerInnen stammen aus der Hauptstadt, im Vergleich zu 1,4% aus El Progreso. 20'850 KandidatInnen bewerben sich um einen der insgesamt 3497 zu vergebenden Sitze. Ausser dem Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftssitz geht es um 113 Kongressplätze, 40 Sitze im Zentralamerikanischen Parlament (PARLACEN), 330 Bürgermeister-Innenämter und 3012 Gemeinderatssitze. MINUGUA wird insgesamt 400 WahlbeobachterInnen stellen und 250 der 330 Gemeinden abdecken. Es sind dies Gemeinden, in denen am ehesten mit Unruhen während und kurz nach den Wahlen zu rechnen ist. Ebenfalls rund 400 BeobachterInnen werden von der Menschenrechtsombudsstelle (PDH) gestellt. Die PDH rechnet ausserdem mit der Unterstützung von ca. 500 freiwilligen StudentInnen. Daneben wird die Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) Abgeordnete zur Wahlbeobachtung delegieren. Von den verschiedenen sozialdemokratischen Parteien, Menschenrechtsorganisationen und Solidaritätsgruppen aus Amerika und Europa werden rund 100 Personen den Wahlprozess begleiten. Das guatemaltekische Wahlrecht verbietet, in der letzten Woche vor den Wahlen Propaganda zu machen. Die Leute sollen sich in dieser Zeit in Ruhe eine eigene Meinung bilden, ohne von den Wahldiskursen verwirrt zu werden... Deshalb haben die einzelnen Parteien am Wochenende ihre Kampagnen beendet und sich noch ein letztes Mal öffentlich gegenseitig beschimpft. Als erste rief am Samstag, 30. Oktober die Regierungspartei PAN ihre AnhängerInnen auf der Placa de la Constitución zusammen. Hauptthema der Veranstaltung war die Gegnerpartei FRG, deren Kandidat Alfonso Portillo und deren Generalsekretär Efraín Rios Montt, sowie die ehemaligen Militärs und Zivilpatrouillisten, welche für diese Partei kandidieren. Nach oben |
"Wir sind die Partei des Friedens und nicht die Partei des Krieges", erklärte Héctor Cifuentes, Generalsekretär der PAN in seiner Rede. "Als gute Bauern, werden wir zu verhindern wissen, dass in der neuen Regierung Unkraut wuchert", meinte Emilio Saca, Kandidat für den Kongress. Die Vizepräsidentschaftskandidatin, Arabello Castro, die vom Moderator des Anlasses mit Margaret Thatcher verglichen wurde, ging noch weiter: "Das einzige, wozu uns die FRG einlädt ist, in die dunkle Vergangenheit zurückkehren. Und das wollen wir nicht." Am Sonntagmorgen war dann die Placa de la Constitución von Tausenden von AnhängerInnen der FRG bevölkert, um dem Schluss der Kampange ihrer Partei beizuwohnen. Die Reden der einzelnen Kandidaten liefen alle unter dem Motto: "Wir sind eine Partei für alle GuatemaltekInnen, wir werden den Mord an Bischof Gerardi aufklären, wir werden die Menschenrechte einhalten, wir wünschen uns starke Gewerkschaften", etc. Die FRG äusserte sich überzeugt davon, dass sie in der ersten Wahlrunde gewinnen werde. Am Sonntagnachmittag beendete dann auch die ANN ihre Wahlkampagne auf dem selben Platz. "Die Parteien der Rechten verfügen zwar über finanzielle Mittel, über die Kontrolle der Gesellschaft und der Medien, doch keine besitzt, was die ANN hat: RevolutionärInnen", meinte Jorge Soto (Pablo Monsanto) in seiner Rede. Zum Schluss der Aktivität der ANN wurden allen Anwesenden Kerzen verteilt und symbolisch das "Licht der Hoffnung" angezündet. Vermutlich aus Militärkreisen stammt ein Dokument, das von einen geplanten Wahlbetrug unter der Verantwortlichkeit des Verteidigungsministers Marco Tulio Espinosa spricht. Weiter seien der Leiter des Verteidigungsgeneralstabs, Mario Roberto Cruz González, der Chef des Präsidialen Generalstabs, Rudy Pozuelos sowie weitere hohe Regierungsfunktionäre in den Komplott verwickelt. Das Dokument will den Aufbau einer politisch-militärischen Struktur beweisen, deren Ziel die politische Manipulierung zugunsten der Regierungspartei sein soll. Der Verteidigungsminister distanziert sich von einem solchen Plan: Weder er persönlich noch die Institution die er leite, seien in so etwas verwickelt. Das Militär sei sich im Klaren darüber, dass sie der politischen Macht unterstellt sei, unabhängig davon, ob diese die PAN oder die FRG sei. Für den Wahlsonntag selber haben die Angehörigen des Militärs den Befehl, während dreissig Stunden in den Kasernen zu bleiben. Weder Militärfahrzeuge noch uniformierte Personen dürfen sich ausserhalb der Kasernen bewegen. |
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