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Der Erfolg der katholischen charismatischen Erneuerung in Guatemala

Fijáte 294 vom 8. Okt. 2003, Artikel 1, Seite 1

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Der Erfolg der katholischen charismatischen Erneuerung in Guatemala

Sorge, dass die Charismatische Erneuerung für viele Gläubige eine Zwischenstation auf dem Weg zum Protestantismus darstellt. Heute gilt sie in den Augen der guatemaltekischen Bischofskonferenz und innerhalb der Bewegung selbst als wirksamste Kraft, um einem Abwandern der Katholiken zum Protestantismus Einhalt zu gebieten. Gründe für den Erfolg Man kann den Glauben der Charismatiker als eine Form von Krisenreligion bezeichnen. Nicht nur, weil sie dort zu finden sind, wo sich gesellschaftliche Marginalisierung besonders stark manifestiert. Sie bieten religiöse Lösungskonzepte an, die, wie bereits angedeutet, mit den existentiellen Problemen vieler Guatemalteken verknüpft sind: Alkoholprobleme, Gewalt in den Familien, Krankheit. Ausser rein religiösen Gründen gibt es eine Reihe von anderen Gründen, die den Erfolg erklären: Charismatische Gebetsgruppen (Grupos de Oración) sind kleine Solidargemeinschaften, denen etwa fünfzehn bis zwanzig Personen angehören, die sich kennen und gegenseitig unterstützen. In ländlichen Gegenden sind diese Gruppen teilweise das einzige religiöse Angebot, da der offizielle katholische Klerus unter permanentem Priester- und Personalmangel leidet. Einer der Gründe für den Erfolg der Charismatischen Erneuerung ergibt sich auch aus ihren Konflikten mit bereits bestehenden katholischen Gruppen, wie beispielsweise der Katholischen Aktion (Acción Católica). Überraschenderweise hat sich in den Interviews gezeigt, dass die meisten der interviewten Charismatiker über einen langen Zeitraum hinweg, teilweise über zehn Jahre, als Katecheten äusserst aktiv waren. Diese Katecheten kennen die innerkirchlichen Strukturen sehr genau, weshalb es nicht verwundert, dass in den Interviews der Eintritt in die Charismatische Erneuerung häufig mit der Unzufriedenheit hinsichtlich bestehender Strukturen und Inhalte begründet wurde. Die Kritik gründet sich auf hauptsächlich zwei Aspekten: Zum einen die bereits angesprochene Ablehnung der Inkulturationsbemühungen der Kirche, d.h. genauer einer stärkeren Einbindung von indigener Kultur in die Liturgie und pastorale Praxis. Auf der anderen Seite werden eine fehlende Spiritualität und eine die Religiösität erstickende Rationalität bemängelt. Der Glaube wurde, nach den Aussagen der Charismatiker, in der Bewegung gefestigt und neu erfahrbar. Während vorher eine ,,religiöse Routine" und eingefahrene religiöse Praktiken vorherrschten ­, ei-

ner der Befragten spricht von ,,mechanischem Beten" ­ ist nach der Konversion der Gottesbezug zu einem direkt körperlich erfahrbaren Erlebnis geworden. Die körperliche Erfahrung des Transzendentalen ist meines Erachtens ein weiterer Schlüssel, um den Erfolg der Bewegung zu erklären. Verständlich wird in diesem Zusammenhang auch, warum Emotionen und eine empatische Liturgie so bedeutsam sind. Gefühle bestätigen aus dieser Perspektive heraus die Existenz des Transzendenten, die dann zur subjektiven Wirklichkeit und Wahrheit wird. Diese subjektive Wahrheit erhält zusätzlich an Gewicht, wenn man bedenkt, dass körperliche Erfahrungen wie die Glossolalie (Zungenrede) bereits in der Bibel, einem Text von ungeheurem symbolischem Wert, beschrieben werden. Zusammenfassend hat sich die Charismatische Erneuerung in Guatemala zu einer Bewegung entwickelt, die zunächst sehr stark von der Mittel- und Oberschicht geprägt war und sich inzwischen zu einer katholischen Massenbewegung gewandelt hat. In der Vergangenheit von der Kirche marginalisiert, dies gilt insbesondere für ländliche Gruppen in abgelegenen Gegenden, bemüht man sich heute um mehr Integration in die Kirche. Die Frage ist aber, ob die Katholische Kirche eine stärkere Einbindung der Charismatiker in die Kirche leisten kann, oder ob dadurch nicht vielmehr die eigentliche Kraft der Bewegung zerstört wird, die sie aus ihrem autonomen Status gewonnen hat.


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