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Die indigene Beteiligung am politischen Geschehen

Fijáte 295 vom 22. Okt. 2003, Artikel 1, Seite 1

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Die indigene Beteiligung am politischen Geschehen

Wie ist das Verhältnis der Mayas zu den politischen Parteien? Seitens einer intellektuellen MayaElite gibt es eine permanente Kritik und Veränderungsvorschläge. Einige sprechen sich generell gegen Parteien aus, weil diese nicht der Kosmovision und den Interessen der Mayabevölkerung entsprechen. Andere schlagen vor, bei allen politischen Debatten und speziell bei der Diskussion über eine Reform des Partei- und Wahlgesetztes, die Kosmovision der Mayas als elementaren Bestandteil einzubeziehen. Eine teilweise erfolgreiche Strategie beim Durchbrechen der zentralistischen Parteiführung ist die Beteiligung von sog. Comités Cívicos (BürgerInnenkomitees). Der Aktionsradius der BürgerInnenkomitees beschränkt sich auf die Gemeinde und sie haben einen zeitlich begrenzten Charakter, der auf die Wahlkampagne bezieht. Bei den Wahlen im Jahr 1985 haben sich in 48 Gemeinden BürgerInnenkomitees gebildet und es wurden acht Bürgermeistersitze gewonnen. Bei den Wahlen 1999 waren es 174 Komitees, die insgesamt 25 Rathäuser gewannen. Der Nachteil der BürgerInnenkomitees ist ihre begrenzte politische Einflussnahme. Sie können weder KandidatInnen für den Kongress, geschweige denn für die Präsidentschaft aufstellen. Eine andere Möglichkeit für die indigene Bevölkerung ist, sich auf Gemeindeebene explizit als Maya- oder Landbevölkerung zu organisieren, sich einer nationalen politischen Partei anzuschliessen und unter Umgehung der departamentalen Parteistrukturen direkt KandidatInnen für das Bürgermeisteramt zu stellen. In Fällen, wo diese Strategie erfolgreich war, kam es teilweise zu Spannungen, weil diese BürgermeisterInnen dazu tendierten, die Landbevölkerung gegenüber den BewohnerInnen der Bezirkshauptorte zu bevorzugen. In anderen Fällen gab es aber auch eine ausgewogene Gemeindepolitik, die der ganzen Gemeindebevölkerung zugute kam. In einigen Gemeinden kam es durch die Präsenz eines indigenen Bürgermeisters zu einer neuen politischen Praxis, die Elemente republikanischer Staatsführung mit traditioneller Machtausübung vermischte. Beispiele dafür sind die Bildung von Räten, die Entscheidungsfindung auf Konsensbasis, die Beteiligung der BürgerInnen an politischen Entscheidungen. Eine weitere Form politischer Beteiligung der indigenen Bevölkerung

Die Mayas und die politischen Parteien In Bezug auf die indigene Bevölkerung, betreiben die Parteien eine in der Hauptstadt zentralisierte, ausschliessende und ethnozentrische Praxis. Ein Blick auf die Zusammensetzung der Parteispitzen, auf die Kongressabgeordneten und auf die politischen Leitfiguren zeigt, dass diese der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung nicht entspricht. Von den 113 Abgeordneten, die zur Zeit den Kongress besetzen, sind nur 13, das heisst 11%, Indígenas. Im Moment existieren keine präzisen Daten über die Organisationsstrukturen der Parteien und über die ethnische Zusammensetzung ihrer Mitglieder. Es ist jedoch festzustellen, dass die Parteien dazu tendieren, ihre legale Struktur auf ein gesetzlich vorgeschriebenes Minimum zu beschränken. Das hat zur Folge, dass es kein parteipolitisches Selbstverständnis auf lokaler und munizipaler Ebene gibt. Seit den 80er Jahren hat sich die indigene Bevölkerung zu einem politischen Subjet entwickelt, zu einer Manövriermasse, die von den Ladinos je nach Bedarf und politischem

Das Wahlsystem Der Bericht "Desarrollo Humano de Guatemala" vom Jahr 2000 zeigt, dass die indigene Bevölkerung von der politischen Beteiligung ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss hat zwei Hauptgründe: die Struktur des Wahlmechanismus und das Parteiensystem. Das aktuelle Wahlsystem ist exklusiv, weil es einen Identitätsausweis und die Einschreibung ins Wahlregister verlangt. Nicht alle Leute haben jedoch persönliche Dokumente, weil diese in den Bezirkshauptorten ausgestellt werden ­ vielen Leute fehlt das Geld, um dorthin zu gehen und die notwendigen Formalitäten zu bezahlen.

Die Wahlurnen werden ebenfalls in den Bezirkshauptorten aufgestellt, was oft nicht den Wahlbezirken entspricht, die nach geographischen und demographischen Kriterien bestimmt wurden. Dies hindert viele Leute an der Stimmabgabe. Nach wie vor ist das ganze Wahlmaterial ausschliesslich auf Spanisch geschrieben und verhindert so die Beteiligung eines wichtigen Teils der Bevölkerung. Die Wahlen finden zu einem Zeitpunkt statt, wo viele GuatemaltekInnen ihre Herkunftsorte verlassen, um auf den Fincas zu arbeiten. Dort jedoch können sie ihre Wahlstimme nicht abgeben. Wie bereits erwähnt, sind die politischen Parteien Vehikel, um einen Präsidentschaftskandidaten zur Wahl aufzustellen. Dieser kann eine Partei oder eine politische Organisation gründen oder sich in eine bestehende ,,einkaufen", ohne dass er mit deren Ideologie oder Programm einverstanden sein muss. Das Resultat von all dem ist eine Demotivierung der Bevölkerung bezüglich Wahlbeteiligung und politischer Beteiligung überhaupt. Man wählt nicht, weil sich die Bedingungen auch unter einem neuen Präsidenten nicht ändern und die Versprechen der Kampagne sich bald als Lügen entpuppen. Man beteiligt sich politisch nicht, weil politische Beteiligung in der Gesellschaft nach wie vor stigmatisiert ist: Entweder man gehört zur VGGuerillaNF, ist kriminell oder will sich auf Kosten des Staates bereichern.


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