Kongressabgeordnete sahnen ab
Fijáte 299 vom 17. Dez. 2003, Artikel 5, Seite 4
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Kongressabgeordnete sahnen ab
Guatemala, 10. Dez. Zum Abschluss ihrer Legislaturperiode haben die Kongressabgeordneten "einstimmig" das Dekret 44-2003 verabschiedet, mit dem sie sich eine einmalige Abgangsentschädigung von 120´000 Quetzales (ca. US-$ 25'000) pro Person zukommen lassen. Für Mitglieder des Kongressvorstands und Abgeordnete der Regierungspartei Republikanische Front Guatemalas (FRG) ist die Summe noch etwas höher, unabhängig davon, wie oft einE AbgeordneteR bei den Sitzungen anwesend war, oder in wie viele Prozesse jemand verwickelt ist. Diese Entschädigung sollen nicht nur die abtretenden Abgeordneten erhalten, sondern auch die 42 wiedergewählten, die sich mit demselben Dekret gleich noch eine Erhöhung ihres Gehalts für die nächsten vier Jahre billigten, vom heutigen Grundlohn von 29´000 Quetzales auf rund Q 50´000 (exklusive Spesen). Insgesamt rechnet man bei 113 Abgeordneten für dieses ,,Weihnachtsgeschenk" und rund Q 8 bis 10 Mio. pro Monat für die Gehaltszahlungen mit Ausgaben von ca. Q 15 Mio.. Da ab 2004 anstelle der bisherigen 113 dann 158 VolksvertreterInnen im Kongress sitzen, würden sich die monatlichen Ausgaben gegenüber heute fast verdreifachen. (Zum Vergleich: Ein einfacher Campesino bräuchte etwa fünf Jahre, um soviel Geld zu verdienen wie einE KongressabgeordneteR in einem Monat.) Niemand wundert sich darüber, dass die FRG-Abgeordneten zum Ende ihrer Amtszeit noch einmal ordentlich absahnen wollen. ,,Einstimmig angenommen" heisst aber, dass auch die linken ParlamentarierInnen der ANN (Allianz Neue Nation) und der URNG (Nationale Revolutionäre Einheit Guatemalas) für dieses Dekret gestimmt haben. Ein Beispiel seiner ,,verantwortungsvollen" Arbeit im Kongress bewies der URNG-Abgeordnete Alberto Mazariegos, als er sich gegenüber der Presse verteidigte mit den Worten ,,Ich habe einen Moment lang nicht aufgepasst, worum es ging und einfach die Hand erhoben, wie alle anderen auch." Auch der URNG-Abgeordnete Carlos Mejía stimmte für das Dekret, wohl in der Hoffnung, mit dem Geld die Schulden bezahlen zu können, in die er sich für seine Wahlkampagne gestürzt hat. Wenige Minuten vor Ende der letzten offiziellen Sitzung dieses Jahres präsentierten die Abgeordneten der FRG ein Abkommen, das auch von VertreterInnen der Opposition unterstützt und mit unterzeichnet war (wie sich später herausstellte, auch von den URNG-Abgeordneten Mazariegos, Mejía und Rosales), lasen es unverständlich vor und stellten es zur Abstimmung: Alle haben zugestimmt und erst danach gemerkt, worum es eigentlich ging. Die Reaktion der guatemaltekischen Bevölkerung und PolitaktivistInnen blieb nicht aus. Auch die URNGParteileitung sprach sich in einer Erklärung klar gegen das Dekret aus. Während verschiedene Organisationen der Zivilgesellschaft versuchen, auf legalem Weg gegen das Dekret vorzugehen, fanden auf der Strasse Demonstrationen und Kundgebungen statt. Vor dem Kongress wurden 113 Plastikschweinchen deponiert, eines für jedeN KongressabgeordneteN. Aufgrund dieser einstimmigen Proteste sahen sich auch die progressiveren Kongressabgeordneten zu einer Stellungnahme gezwungen. Die ANN-Abgeordnete Nineth Montenegro, die ebenfalls für die Annahme des Dekrets gestimmt hat, entschuldigte sich bei der guatemaltekischen Bevölkerung und versprach, alles zu unternehmen, um den Entscheid rückgängig zu machen. Nach oben |
Zusammen mit der GANA-Abgeordneten Anabella de León reichte sie beim Verfassungsgericht Einspruch gegen das Dekret ein. Sie berufen sich dabei auf den Artikel 100 der guatemaltekischen Verfassung, in dem es heisst, dass nur Personen, die in einem ArbeitgeberIn/ ArbeitnehmerIn-Verhältnis stehen, und die ungerechtfertigt entlassen wurden, Anrecht auf eine Entschädigungszahlung haben. Die Kongressabgeordneten haben in diesem Sinne keinen Arbeitsgeber, sondern sie wurden von den wahlberechtigten BürgerInnen gewählt. Eine der Forderungen der Bevölkerung ist, eine ausserordentliche Kongresssitzung einzuberufen und auf dem Weg, auf dem das Dekret verabschiedet wurde, dieses wieder aufzuheben. Bisher gelang es jedoch nicht, die für eine solche Einberufung notwendigen Unterschriften eines Viertels aller Abgeordneten zusammenzubringen. Derweil hat das Verfassungsgericht eine vorläufige Einstellung des Dekrets angeordnet und somit dem Einspruch von Montenegro und de León einstweilen stattgegeben. Es bleibt zu hoffen, dass eine definitive Entscheidung noch vor dem 14. Januar, dem Tag der Regierungsübernahme, getroffen wird. Es ist ebenso zu hoffen, dass es der ,,alte" Kongress ist, der zur Einsicht kommt und das Dekret rückgängig macht, vererbt er doch sonst dem ,,neuen" Kongress ein noch angeschlageneres Image, als dies sowieso schon der Fall ist. |
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