Gratwanderung für AktivistInnen
Fijáte 302 vom 28. Jan. 2004, Artikel 2, Seite 3
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Gratwanderung für AktivistInnen
Guatemala, 13. Jan. Die Tatsache, dass gleich drei renommierte Menschenrechts- und JustizaktivistInnen, namentlich die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú Tum, Helen Mack und der bisherige Leiter des Menschenrechtszentrums CALDH, Frank LaRue das Angebot von Präsident Oscar Berger angenommen haben, in seiner Regierung mit zu arbeiten, löste in der Zivilgesellschaft manchen Zweifel aus. So hält es Menschenrechtsprokurator Sergio Morales für durchaus positiv und wichtig, wenn namhafte Persönlichkeiten, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte und der Justizanwendung stark gemacht hätten, als Mitglied in der Regierung eine Brücke zwischen Zivilgesellschaft und Staatsmacht schlagen könnten. Gleichzeitig sei bei der Regierungsbeteiligung jedoch Vorsicht geboten, dass die Aufnahme gerade dieser genannten Persönlichkeiten nicht die Begrenzung und den Ausschluss der gesellschaftlichen Beobachtung und Prüfung von Regierungsvorgängen mit sich brächte. Gerade diese müssten unbedingt weitergeführt und gestärkt werden. Rosalina Tuyuc von der Witwenvereinigung CONAVIGUA dagegen ist der Auffassung, dass, solange die Machtstrukturen in den Händen von Militärs und von Personen verblieben, die das Land manipulierten, die AktivistInnen als Mitglieder der Regierung nur missbraucht würden, um das Image der aktuellen Staatsführung zu säubern, und sie würden nämlich nicht als vermeintliches Instrument genutzt für den Kampf gegen die Straflosigkeit. Auch Tuyuc betont die Bedeutung der Teilnahme der verschiedenen sozialen Sektoren, besonders im Bereich der Menschenrechte, um von innen heraus eine effiziente Arbeit der staatlichen Einrichtungen zu suchen. Rigoberta Menchú wird auf eigenen Vorschlag ,,Botschafterin des guten Willens der Friedensverträge". ,,Mir würde diese Rolle gefallen, um Guatemala all die Freundschaftskontakte anzubieten, die mir viele Völker übergeben haben, und um das Vertrauen zurück zu gewinnen, das wir verloren haben." In Koordination mit den (Vize-)Präsidentschaftsgattinnen Wendy de Berger und Myrna de Stein wird sich Rigoberta Menchú dem Kampf gegen den Hunger widmen und mittels einer gemeinsamen Agenda mit der aktuellen Regierungsführung Wege des Dialogs und der Versöhnung in der Gesellschaft suchen. Helen Mack, Menschenrechtsaktivistin und Mitglied der Myrna-Mack-Stiftung, die sich unter anderem für die Rechtsprechung im Fall ihrer 1990 ermordeten Schwester Myrna engagiert, wird voraussichtlich den Posten einer Sicherheitsberaterin übernehmen. Mack behielt ihre Zustimmung dem Ergebnis einer von ihr geforderten öffentlichen Wahl dieses Beratungsgremiums durch die Zivilgesellschaft vor. Frank LaRue, der die Übertragung des Leitungspostens der Präsidentialen Menschenrechtskommission COPREDEH akzeptiert hat, wendete sich in einem offenen Brief an die Zivilgesellschaft. Darin erklärt er, dass ihm die Entscheidung äusserst schwer gefallen sei. "Nach 30 Jahren, in denen ich von Seiten der Zivilgesellschaft aus den Respekt und die Förderung der Würde und der Menschenrechte vom Staat gefordert habe, präsentiert sich heute die Einladung, genau dafür auf der Seite der Regierung zu arbeiten. Das lässt mich die Verantwortung spüren, diese Einladung anzunehmen mit dem Ziel, die notwendige Politik in unserem Land in die Wege zu leiten, in dem die Immunität, die Diskriminierung, die Marginalisierung und die wachsende extreme Armut vorherrschen. Es ist klar, dass ich das Amt nur so lange übernehmen werde, solange es den Raum gibt, diese gezeichnete Linie zu verfolgen. Doch sollte sich dieser Raum schliessen, werde ich am gleichen Tag kündigen und zum CALDH und zur Zivilgesellschaft mit demselben Engagement zurückkehren." Für ein Jahr wurde innerhalb des Teams des CALDH bereits ein neuer Vorstand gewählt. Nach oben |
Guatemala, 16. Jan. Wenn in einer im Kongress vertretenen Partei einE AbgeordneteR um Abwesenheitserlaubnis bittet, wird der entsprechende Sitz von eineR VertreterIn der gleichen Partei eingenommen. Die jetzige Regierungspartei Grosse Nationale Allianz (GANA) wird es dabei nicht so einfach haben. Der Weggang von Koalitionsabgeordneten, die Posten in der Exekutive eingenommen haben, bringt die fragile Machtbalance zwischen den vier die Koalition GANA konstituierenden Gruppen ins Wanken. Jeder Personenwechsel beinhaltet die Möglichkeit einer signifikanten Mehrheitsverschiebung. Von den 47 Abgeordneten der GANA stehen nun 24 bekannt als ,,M17" dem Präsidenten nahe. Die übrigen 23 verteilen sich auf die Sitze der Parteien Patriota, Movimiento Reformador (MR) und Solidaridad Nacional (PSN). Diese 50/50-Verteilung auf M17 und die anderen drei Parteien war von Beginn der Koalition an ausgemacht. Doch es kann noch kritischer kommen, verkündeten doch die Abgeordneten der Koalitionspartei Patriota, dass sie unabhängig auftreten oder sogar ihren eigenen Flügel im Kongress stellen werden. Die übrigen der 158 Kongresssitze verteilen sich folgendermassen auf die Parteien: FRG: 40, da drei der Mitglieder sich ,,verselbstständigt" haben, UNE 30 nachdem Conchita Mazariegos und Rafael Barrios Flores aufgrund der Art und Weise der Amtsverteilung im Kongressvorstand aus der UNE ausgetreten und nun als unabhängige Abgeordnete arbeiten werden PAN: 17, Unionistas: 7, ANN: 6, URNG: 2, UD: 2, DCG: 1, DIA: 1. Laut PolitanalystInnen wird die legislative Arbeit durch den Partei-Rücktritt der Abgeordneten deutlich geschwächt und die Verhandlungen innerhalb des "Hauses des Volkes" verkompliziert. ,,Es wird schwierig sein, im Parlament Bündnisse zu schliessen," so Renzo Rosal, Direktor der Politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rafael Landívar. Für den unabhängigen Analysten Fernando Solís zeitigen die personellen Ausscheidungen die generelle Schwäche der Parteien. Diese ParlamentarierInnen seien so genannte ,,WahltrittbrettfahrerInnen", und hätten sich nur bis zum Erreichen ,,ihres" Kongresssitzes einer Partei angeschlossen. Solche persönlichen Interessen erschwerten das Funktionieren des politischen Systems noch mehr, so Solís. Am vergangenen 11. Januar wurde nach langen Diskussionen dennoch der Pakt der Regierbarkeit von den Parteien GANA, UNE und PAN unterzeichnet (siehe ¡Fijáte! 301), in dem eine der Vereinbarungen bestimmt, dass keine der drei Gruppierungen in ihren Reihen "ÜberläuferInnen" akzeptiert. Dem Parlament vorsitzen wird Rolando Morales als Kongresspräsident, Repräsentant der Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE). Mittlerweile ist der Leitungsposten des Bildungsministeriums vergeben: Die zuständige Ministerin, die von den Rektoren der Universitäten San Carlos |
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