Zucker im Regierungsgetriebe
Fijáte 302 vom 28. Jan. 2004, Artikel 7, Seite 6
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Zucker im Regierungsgetriebe
Guatemala, 23. Jan. Nach heftiger nationaler und internationaler Kritik hob das Verfassungsgericht (CC) nun vorläufig das Regierungsdekret 1-2004 auf, das, noch von Ex-Präsident Portillo verabschiedet, die Erweiterung des zollfreien Importkontingents des Zuckers von 5´000 auf 100´000 Tonnen autorisierte. Auslöser für Portillos Entscheidung war der drastische Anstieg des Konsumentenpreises dieses Grundnahrungsmittels in den letzten Wochen um 0,20 Quetzales aufgrund des von der Zuckerindustrie erhöhten Warenpreises um 10% von 159,75 Q (ca. US-$ 20,-) auf 174,50 Q (ca. US-$ 22,-) pro Zentner, was mit dem erhöhten Mindestgehalt sowie höherer Transport- und Verwaltungskosten gerechtfertigt wurde. Der Beschluss des CC ist auf die Anträge der Zuckerfabrikations-Vereinigung Unión de Cañeros del Sur (UCS) und des Rechtsanwalts Alberto Antonio Morales zurückzuführen, die die Artikel 171c und 239 der Verfassung für ihre Argumentation heranzogen, laut denen es allein dem Kongress vorbehalten sei, Zolltarife zu verändern. Von Seiten der mittelamerikanischen Nachbarländer wurde Portillo zudem vorgeworfen, gegen die regionalen Vereinbarungen der Welthandelsorganisation (WTO) zu verstossen, die 14´000 Tonnen als Importmaximum für Süssstoff festlegen. Ausserdem sei ebenda vorgeschrieben, dass jegliche Importmodifikation von Produkten wie dem Zucker vom Komitee der WirtschaftsministerInnen der Region verabschiedet werden müssten. Laut dem nicaraguanischen ,,Zucker-Abgesandten" Mario Amador, der mit seinem Amtskollegen aus El Salvardor extra zur Unterstützung der guatemaltekischen ZuckerIndustriellen ins Land gekommen war, setze die Kontingenterhöhung des Zukkerimports bis zu 3 Mio. Arbeitsplätze in ganz Zentralamerika in Gefahr. Somit ist ein altes Problem zwischen ProduzentInnen und Regierung leicht nuanciert - erneut auf dem Tisch. Eine ähnliche Situation zwischen dem Zuckersektor und der ausscheidenden Regierung hatte es Ende 1999 gegeben, als gegen Ende der Amtszeit von Álvaro Arzú der Zuckerpreis um 13% erhöht wurde, was den damals neuen Präsidenten Alfonso Portillo bereits zu Verhandlungen mit dem Süssstoffsektor veranlasste. Für die azucareros ist der nationale Vertrieb des Zuckers von grundlegender Bedeutung, leidet die Vermarktung doch schon länger unter den Schlägen der weltweiten, subventionierten Produktion desselben. Nach oben |
Die Marktöffnung wäre für die nationale Produktion folgenreich. Präsident Oscar Berger steht somit vor einer besonderen Herausforderung und Gratwanderung zwischen dem Aufrechterhalten seiner Glaubwürdigkeit hinsichtlich seines politischen Diskurses, dem Vertreten der Interessen des ihm auch in der Wahlkampagne nahe stehenden Industriesektors und schliesslich der Minimalisierung der Folgen der Preiserhöhung für die VerbraucherInnen. Die Preisangleichung auf dem internen Markt findet zu einer Zeit statt, in der der Zuckerpreis auf dem Weltmarkt US-$ 5,90 pro Zentner Rohzucker beträgt. Dabei liegt dieser laut einer Studie der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) deutlich unter den Produktionskosten. Ursachen dafür ist das Überangebot und die Subventionen, die Industrieländer ihrer Produktion gewährleisten. In diesem Zusammenhang weisen die guatemaltekischen ProduzentInnen darauf hin, dass die Zuckerpreise des nationalen Verbrauchs die niedrigsten in der Region seien und selbst durch die vollzogene Erhöhung bleiben würden. Guatemala exportiert 70% seines Zuckers. Laut CEPAL-Studie funktioniert der interne Vertrieb des Zuckers derweil über Unternehmen, die von den Produktionsbesitzenden gegründet sind. Für neue Vertriebe ist eine Integration praktisch unmöglich, da die ProduzentInnen der impliziten Verpflichtung folgen, nur über die eigenen Firmen ihre Produktion zu vermarkten, um auf diese Weise den Markt zu sichern und sich auf dem immer härteren Weltmarkt über Wasser zu halten. Allein die Möglichkeit der Importöffnung des Zuckers stellt zwar die Öffnung des nationalen Marktes und die Gelegenheit der Entmonopolisierung eines Sektors dar, der schon immer privat gewesen ist und auf dem politischen Feld über viel Macht verfügte. Gleichzeitig wäre die Folge, einer Produktion den Schutz zu nehmen, die relativ wettbewerbsfähig ist. Diese hat es trotz des widrigen Marktes geschafft, als Exporteurin auf weltweitem Niveau zu konkurrieren und bietet so immerhin temporär eine recht ansehnliche Zahl an Arbeitsplätzen auf dem Land von den Arbeitsbedingungen einmal abgesehen. Nun ist es an Oscar Berger, seine Unabhängigkeit von der Oligarchie zu beweisen und durch seine Entscheidung die Wahlkampfmottos zu bekräftigen, die ihn haben Präsident werden lassen: ,,Der freie Wettbewerb und klare Regeln für alle" und vor allem die Idee, dass es ,,keine Privilegien für niemanden" geben wird. |
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