Entschlussfreudiger Kongress
Fijáte 275 vom 25. Dez. 2002, Artikel 1, Seite 1
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Entschlussfreudiger Kongress
Bevor die jährliche Weihnachtspause beginnt, verabschiedete der Kongress noch diverse Gesetze. Offensichtlich wird darauf vertraut, dass die Infragestellung der neuesten FRG-Entscheidungen durch die Nähe der Festtage abgeflacht werden kann. Doch nicht alle gesellschaftlichen Sektoren lassen sich von einer Kritik abhalten. Ziel dieser Kritik war zum Beispiel der Punkt der "Vertraulichen Ausgaben" im neuen Haushaltsplan, ein Budgetposten, der allein dem Präsidenten vorbehalten ist, jedoch seit neun Jahren nicht mehr offiziell aufgetaucht ist. Für 2003 steht er nun wieder auf dem Kontenplan und zwar mit 7,6 Mio. Quetzales (knapp eine Mio. US-$) für "Angelegenheiten des Präsidenten". Damit wird eine offizielle Möglichkeit geschaffen, dass der Präsident unter eigener Diskretion sich fröhlich am Staatshaushalt bedienen kann, wie es u.a. Präsident Jorge Serrano Elías (1991-93) tat, der innerhalb von zwei Jahren unter diesem Budgetposten Q 134,3 Mio. ausgab. Die Oppositionsparteien sind davon überzeugt, dass die Einführung dieser Haushaltsbestimmung eine der Strategien der FRG ist, mit denen diese die finanziellen Mittel für das Wahljahr beschaffen will. María del Carmen Aceña, Direktorin des Wirtschaftsforschungszentrums CIEN gab jedoch zu bedenken, dass es Wichtigeres als diesen "Vertraulichkeitstopf" gebe, auf das geachtet werden müsse. So zum Beispiel der fürs Jahr 2003 geplante Verkauf von Staatsanleihen. Auch das Gesetz über die Gütervergabe blieb nicht ohne Kritik. Der vom Kongress verabschiedete Entwurf sieht vor, dass die Leute oder Gruppen, die seit mehr als drei Jahren Ländereien des Staates besetzen und darauf wohnen, diese zu ihren Gunsten legalisieren lassen können. Die Regelung erlaubt die Vergabe und den Verkauf von Fincas und Landparzellen, die im Eigentumsgrundbuch auf den Namen des Staates oder dezentrale Einrichtungen desselben eingetragen sind. Dabei behalten die Gemeindeverwaltungen die Freiheit, die Formalisierung der Verhandlungen um Verkauf oder Vergabe von Immobilien zu bestimmen. Neben der FRG unterstützten auch die PAN und die ANN dieses Gesetz. Doch der Sprecher des Zusammenschlusses der ElendsviertelbewohnerInnen (FREPOGUA), William Mazariego, wies an einer Pressekonferenz darauf hin, dass das Gesetz entschieden negative Aspekte enthalte. Z.B. der festgesetzte Zeitraum von nur zwei Jahren für die Legalisierung, was es schwierig machen wird, die 569 bestehenden Ansiedlungen wirklich alle zu legalisieren. Ein weiterer Nachteil sei die Menge an Dokumenten, die die Begünstigten einreichen müssten. Nach Erfahrungen der FREPOGUA verfügten die Familien, die aus ihren Gemeinden in die Hauptstadt gezogen seien, um sich in den Siedlungen niederzulassen, nicht über die vollständigen Unterlagen und würden auch nicht in ihren Herkunftsort zurückkehren, um diese zu beschaffen. Im Alleingang verabschiedete die FRG das Gesetz über Untersuchungsverfahren gegen Personen, die politische Ämter bekleiden, das entgegen des ursprünglichen Vorschlags von 60 Tagen, für die Untersuchungskommissionen keinen Zeitraum festlegt, in dem sie ihre Berichte einzureichen haben. So kann also die Entscheidung, ob die Immunität einer/s Funktionärin/s aufgehoben wird oder nicht, uneingeschränkt in der Luft hängen bleiben bzw. in den Schubladen verstauben. Wenige Tage später stellte die FRG einen weiteren Beschluss vor. Dabei handelt es sich um das Integritäts-Gesetz, das u.a. den Begriff "FunktionärIn" definiert. (Als "FunktionärIn" gilt, wer ständig oder zeitweilig, bezahlt oder unbezahlt, ein öffentliches Amt bekleidet. Dazu gehören auch Vorstände, EigentümerInnen und UnternehmensvertreterInnen, die Verträge mit dem Staat abschliessen.) Das Gesetz legt verwaltungstechnische, zivile und strafrechtliche Haftungen für öffentliche Funktionäre fest und verbietet denjenigen Personen, die sich wegen unlauterer Bereicherung strafbar gemacht haben, während fünf Jahren einen öffentlichen Posten zu übernehmen. Doch erst die folgenden Aspekte der Neuerung stiessen auf Kritik: Das Gesetz setzt fest, dass die Angaben über Besitzverhältnisse, Strafregisterauszug etc., die von den öffentlichen FunktionärInnen im Rahmen ihrer eidesstattlichen Erklärung bekannt gegeben werden, Vertrauensschutz geniessen werden. Es ist also in Zukunft verboten, dass sie über irgendein (Kommunikations-) Mittel an die Öffentlichkeit getragen werden; lediglich in juristischen Prozessen könnten sie verifiziert werden. Nach oben |
Für die Abgeordneten der PAN und der ANN sucht diese Massnahme die allgemeine Immunität zu festigen, weil nicht kontrolliert werden könne, mit welchen erklärten Besitzverhältnissen einE AspirantIn seinen/ihren Posten antritt, welchen Lebensstil er/sie während der Amtszeit pflegt und mit welchen Besitztümern diese schliesslich beendet würde. Doch für die VerteidigerInnen des Entwurfs sind diese Argumente übertrieben. Jorge Ríos Castillo von der FRG zieht zum einen die Verfassung für diese Entscheidung heran, in der die Integrität und das Recht auf Geheimhaltung von Besitzverhältnissen angeblich garantiert sei, was von Anabella de León von der PAN jedoch widerlegt wird. Schliesslich gestand Castillo ein, dass die Erklärungen zum Eigentum eh eine Farce seien, denn niemand, der oder die die Intention hätte, sich bestechen zu lassen, würde zugeben, was er oder sie wirklich besitze. Mit der Absicht, das Finanzsystem zu sanieren, beschloss der Kongress die Befreiung von diversen Steuern bei Bankfusionen und -übernahmen. Dazu gehören die Mehrwertsteuer (IVA), die Rentenbesteuerung (ISR) und die Steuern der Markt- und Landwirtschaftsunternehmen (IEMA). Ein weiterer Beschluss des Kongresses wurde auf Mitte Januar verschoben und betrifft das Gesetz der Nichtregierungs-Organisationen. Der Entwurf sieht vor, dass die NRO´s über die finanziellen Mittel, die sie von der Internationalen Gemeinschaft bekommen, Bericht erstatten müssten. Die Initiative legt fest, dass jene Organisationen, die öffentliche (guatemaltekische) Gelder für ihre Projekte einsetzen, vom Nationalen Rechnungsprüfungshof besteuert würden, während jene, die von der Internationalen Gemeinschaft finanziert würden, dies der Superintendanz der Steuerverwaltung (SAT) zu berichten hätten. Ausserdem sollen die NRO´s neu dazu verpflichtet werden, Mehrwertsteuer und Rentenbesteuerung zu bezahlen. Neben Beschwerden von Seiten der von einem solchen Gesetz Betroffenen, wie COINDE, einem Zusammenschluss von mehr als 10 NRO´s, die ihr eigenes Verschwinden voraussehen, macht die ANN-Abgeordnete Nineth Montenegro darauf aufmerksam, dass die Besteuerung der Organisationen die Reduktion internationaler Spenden zur Folge haben wird. |
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