Die Meinung der Chapines
Fijáte 265 vom 31. Juli 2002, Artikel 1, Seite 1
Original-PDF 265 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 --- Nächstes Fijáte
Die Meinung der Chapines
Nachdem zweieinhalb Jahre inzwischen ins Land gegangen sind, in denen die Partei Frente Republicano Guatemalteco, FRG, unter Präsident Alfonso Portillo Cabrera an der Macht ist, führte das private Meinungsforschungsinstitut Vox Latina vom 25. Juni bis 9. Juli dieses Jahres eine Umfrage hinsichtlich der Meinung der GuatemaltekInnen zur Akzeptanz der aktuellen Regierungssituation durch.Insgesamt wurden 1.215 Personen in allen 22 Departements des Landes persönlich interviewt. Die Umfrage weist laut Vox Latina eine Glaubwürdigkeit von 95% auf. Weder das Ergebnis noch die Reaktion der politischen Köpfe auf die Beurteilung durch die befragten RepräsentantInnen des guatemaltekischen Volkes lassen verwundern. Im folgenden veröffentlichen wir die Version, die die Tageszeitung Prensa Libre publiziert hat. Das Bild, dass die GuatemaltekInnen von Präsident Alfonso Portillo haben, verändert sich nicht. 72,2% der Befragten beurteilen die Arbeit des Präsidenten als schlecht oder sehr schlecht, 22, 9 % als gut, 1, 2% als sehr gut und 3,6% antwortete mit "weiss nicht" oder gab gar keine Antwort. Nach dieser Bewertung überrascht es nicht, dass 74,4% der Interviewten die Frage, ob sie insgesamt die Arbeit Portillos billigen, mit "nein" beantworteten. Erstaunlicherweise steigt diese Ablehnung in den ländlichen Gebieten, in denen der Präsident bislang mehr Unterstützung erhalten hatte. Währenddessen geniesst dieser bei den Frauen, bei den über 30jährigen, den Personen ohne Schulbildung und den ArbeiterInnen mit einem Einkommen unter 1,000 Quetzales (ca. US$ 140) im Monat, höhere Akzeptanz. Hinsichtlich des allgemeinen Vertrauens, das die GuatmaltekInnen in ihr Staatsoberhaupt haben, ist laut Umfrage ein deutliches Absinken zu erkennen. Aber auch Vizepräsident Juan Francisco Reyes López und Efraín Rios Montt, Präsident des Kongresses, bleiben nicht auf der Strecke: sie übertreffen sogar den Präsidenten hinsichtlich der negativen Angaben, die die Interviewten dahingehend gaben, dass sie "gar nicht" in diese Funktionäre vertrauen. Diesbezüglich ist Rios Montt mit 72,2% der "Gewinner". Auch bezüglich des Misstrauens in diese beiden Personen steigen die Angaben in den ländlichen Gebieten. Es macht den Anschein, dass die GuatemaltekInnen ein sehr genaues Bild von den guten und schlechten Seiten der aktuellen Regierung haben. In Bezug auf die Frage nach dem Besten scheuen sich mehr als die Hälfte der Befragten nicht, diese mit "nichts" zu beantworten. Dieser Meinung sind vor allem solche Personen, die mehr als 2,000 Quetzales (ca. US$ 280) im Monat verdienen. Mit einem Punktwert von knapp 12% wird die Hilfe, die die BäuerInnen durch die Verteilung von Düngemitteln erhalten (haben), als beste Leistung der Verwaltung Portillos beurteilt. Logischerweise steigt der Anteil dieser Einschätzung auf dem Land, wo schliesslich diejenigen leben, die den Nutzen des gespendeten Düngers direkt geniessen können. Mit 30,5% wird die Korruption als das Schlechteste der aktuellen Regierung FRG bewertet. In diesem Fall steigen die Angaben im "universitären Bevölkerungssektor", der den Diebstahl, die schlimmen Machenschaften und die Anomalien als Schlechtestes konkret benennen. Solche Einschätzungen wurden deutlich weniger von Personen ohne Schulbildung abgegeben. Doch die Korruption wird vom guatemaltekischen Volk nicht nur als FRG-Übel par exellence wahrgenommen. Der Grossteil der Befragten ist zudem der Meinung, dass diese Geissel unter dem derzeitigen Präsidenten deutlich zugenommen habe. Im Hinblick auf das Detail, welche Institution denn wohl die korrupteste sei, lieferten sich das Regierungsministerium und das Kommunikationsministerium ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und genau die beiden Personen, die diesen Ressorts vorgestanden haben, werden von der befragten Bevölkerung als die mangelhaftesten Funktionäre gesehen: Byron Barrientos, ehemaliger Regierungsminister liegt mit 9,5% vor Ex-Kommunikationsminister Luis Rabbé mit 5,1%. Weitere Probleme, denen sich die Regierung gegenüber sieht, sind diejenigen, die den "normalen" BürgerInnen direkt Sorgen machen. Neben der katastrophalen wirtschaftlichen Situation des Landes sind es vor allem die mangelnde öffentliche Sicherheit und die Arbeitslosigkeit, durch die sich der Grossteil der Interviewten noch vor den hohen Lebenshaltungskosten am stärksten betroffen fühlt. Laut Einschätzungen der Interviewten hat sich zudem unter Portillo in Bezug auf die Situation der Gesundheitsversorgung, der Bildung und des Strassenbaus rein gar nichts getan. Währenddessen sei die Armut, die Gewalt und die Delinquenz deutlich angestiegen. Dies führt sicher dazu, dass mehr als die Hälfte der Befragten der Meinung ist, dass sich Guatemala im Regress befindet. Und wer ist für diese Situation verantwortlich? Die GesprächspartnerInnen hatten keinen Zweifel hinsichtlich der Beantwortung dieser Frage. Die von der Mehrheit gegebene Antwort zielt auf die FRG: Fast die Hälfte findet, dass die Regierung in ihrer Gesamtheit die Schuld trägt, 25,8% beschuldigen Alfonso Portillo direkt. Ein hässliches Panorama, welches die Umfrage von Vox Latina präsentiert. Eine Frage des VertrauensDas Misstrauen des Grossteils der GuatemaltekInnen in die Entscheidungen der Regierung von Portillo spiegelt sich deutlich in dieser Umfrage. Einige Aktionen werden sogar für "Vorhänge aus Rauch" (Ablenkungsmanöver) gehalten. Ein Beispiel dafür ist die Ansicht über die Art und Weise, wie die Regierung mit den territorialen Unstimmigkeiten mit Belice umgegangen ist. Obwohl der Präsident konkrete Fortschritte hinsichtlich der Lösung des Problems verkündet hat, glaubt ihm das Volk nicht. Ein Grossteil ist sogar eher der Meinung, dass der oberste Mandatsträger lediglich versucht, die Menschen abzulenken. In dem selben Masse hält die Bevölkerung die von der Regierung stammende Forderung nach der Festnahme von Ex-Präsident Jorge Serrano Elías für heisse Luft, dem sie Priorität einräumt, anstatt gegen die Korruption vorzugehen. Nach oben |
Das Misstrauen lässt sich verallgemeinern. Der Plan zur Reaktivierung der Wirtschaft, der ebenfalls von der Regierung vorangetrieben worden war und der die Konzessionierung der Häfen und Flughäfen mit einschliesst, erweckt genauso Zweifel in den GuatemaltekInnen. Diese vertrauen nicht in eine angemessene Gewährleistung der entsprechenden Dienste durch die Regierung. Ebenso sind die Intentionen der FRG bezüglich der Reformierung des Wahlgesetztes Quellen für die Zweifel der potentiellen WählerInnen. Mehr als 85% verurteilten die angekündigte Absicht als unrecht. Hier sind es wieder die Personen, die mehr als 2,000 Quetzales im Monat verdienen, die diese Ansicht vertreten. In ihrer Mehrheit beurteilte die Bevölkerung die Deponierung von Millionen in den Banken Metropolitano und Promotor von Francisco Alvarado Macdonald, Freund und Financier von Präsident Portillo, als Verbrechen, die zahlreiche Regierungseinrichtungen getätigt hatten, obwohl sie wussten, dass die Banken bald zusammenbrechen würden. Der Glaube an das GuteDie Reaktion der besagten Oberen auf die Veröffentlichung der Umfrageergebnisse liess nicht lange auf sich warten. Sowohl Präsident Portillo als auch Vizepräsident Reyes Lopez machten keinen Hehl aus ihrer Ablehnung. "Was kümmern mich Umfragen? Sollen doch die sich darüber den Kopf zerbrechen, die Präsident werden wollen", so das guatemaltekische Staatsoberhaupt. Der Mandatsträger stellte die Glaubwürdigkeit des Meinungsbildes in Frage, als er wissen wollte, wo dieses denn erstellt worden sei, denn im Inneren des Landes sei die Bevölkerung seines Wissens nach zufrieden mit seinem Tun. "(...) die Campesin@s sind zufrieden mit ihrem Dünger, dem verbesserten Saatgut, dem Schulfrühstück und den Strassen," fügte er hinzu. Vize Reyes Lopez beschränkte sich auf den Kommentar, dass er den Umfragen nie Glauben schenke, diese könne man schliesslich manipulieren. Während Portillo und Reyes Lopez ihre Unzufriedenheit mit den Umfrageergebnissen äusserten, sind sowohl Abgeordnete der Opposition als auch PolitanalystInnen der Ansicht, dass die Meinungserfragung sehr wohl das Denken der Bevölkerung widerspiegeln. "Es herrscht Unzufriedenheit bezüglich der Amtsführung der Regierung des Präsidenten und jeglichem Mitglied jener Verwaltung, denn man hatte wegen der Angebote und Versprechen, die Portillo während seiner Wahlkampagne machte, etwas anderes erwartet", so Marco Antonio Barahona, Politanalyst der Vereinigung für Sozialforschung und -Studien, ASIES. Und nun?Ausserdem erwarten viele Menschen eine politische Erneuerung und wollen nicht dieselben Gesichter wie immer sehen müssen. Demgegenüber ist der unabhängige Analyst Pablo Rodas Martini jedoch der Meinung, dass ein neuer Kandidat keine Chance hätte zu gewinnen, "denn er muss das Bild von sich vor der Bevölkerung absichern". Dafür spricht der hohe Anteil an erhaltenen Stimmen durch Oscar Berger, Vorkandidat der Partei PAN, ehemaliger Bürgermeister der Hauptstadt und auch der von Alvaro Colom von der Nationalen Einheit der Hoffnung, UNE, die beide bereits an einem Präsidentschaftswahlkampf teilgenommen haben. In der selben Umfrage wurden nämlich den Interviewten vierzehn Präsidentschaftskandidaten präsentiert. In Bezug auf diese wurde nach dem jeweiligen Bekanntheitsgrad, ihrer Beliebtheit und ihrer Chance, gewählt zu werden gefragt. Die AnalystInnen stimmen in dem Punkt überein, dass die Tendenz der Bevölkerung, eine ganz neue Option zu suchen, in dem Masse aufkommt, in dem Unzufriedenheit mit der jeweiligen Regierungspartei herrsche. Die durch die Umfrage erhaltenen Daten lassen keinen Zweifel aufkommen, dass die Bevölkerung in der PAN die einzige Partei sieht, die der FRG die Stirn bieten kann. "Das Kriterium der Ehrenhaftigkeit und Ehrlichkeit ist das meistgefordertste unter den Befragten. Möglicherweise lässt sich dies durch die Erfahrung mit dem derzeitigen Mandatsträger begründen," so Rodas Martini. Dennoch, so Leonel López Rodas, Generalsekretär und Abgeordneter der PAN, arbeitet diese weiterhin daran, die nächsten Wahlen zu gewinnen, auch wenn die Meinungsumfrage sie bereits favorisiert. Nun, zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Waage der Akzeptanz durch die GuatemaltekInnen geneigt zeigt, liegt es an den dadurch begünstigten Parteien, angemessene Regierungspläne vorzulegen, die laut der AnalystInnen, vor allem wahre sein sollten. Andere PolitikerInnen stimmen darin überein, dass die Bevölkerung eine andere Antwort erwartet, als die von der FRG gebotene, "denn nichts von dem, was er (Portillo) in seiner Kampagne versprochen hat, hat er erfüllt." Dennoch ist Portillo mit seinen Gefolgsleuten ja noch nicht am Ende seiner Laufbahn als Staatsoberhaupt, wobei ihm derzeit laut Umfrageergebnisse kaum eine Chance für eine Wiederwahl seiner Partei eingeräumt wird. Es bleibt abzuwarten, was sich bis Anfang 2003, dem Wahljahr möglicherweise noch tut, und vor allem, wie sich die guatemaltekische Bevölkerung letztendlich entscheiden wird. Otoniel Fernández, Abgeordneter der UNE, vertritt den Standpunkt, dass solche Umfragen wie die vorliegende, regelmässig durchgeführt werden müssten, um über das Denken der guatemaltekischen Bevölkerung auf dem Laufenden zu bleiben. Im derzeitigen Moment lässt die Teilnahme bzw. das entsprechende Interesse jedenfalls wohl eher zu wünschen übrig. Mehr als dreiviertel der Befragten glauben, dass nur wenige MitbürgerInnen im nächsten Jahr ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen werden. |
Original-PDF 265 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 --- Nächstes Fijáte