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revolution will not be televised

Fijáte 276 vom 15. Jan. 2003, Artikel 1, Seite 1

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revolution will not be televised

Thomas: Wir gehen davon aus, dass ein Film nicht etwas in sich Geschlossenes und Abgeschlossenes sein soll. Unser Ziel ist, mittels der Kommunikationsmedien eine Kommunikation zu ermöglichen.

Nun zum Mangel an Führung, den du erwähnst: Unsere Art, einen Film zu machen, erlaubt es dir nicht, eine Position als AussenstehendeR einzunehmen, eine fremde Kultur zu kommentieren. Dies unterscheidet unseren Film von vielen anderen Dokfilmen, in denen der weisse Kommentator dir sagt, wie diese oder jene Leute denken und weshalb sie so oder anders handeln. Unser Film gibt nur das wieder, was die Leute erzählen. Er distanziert sich nie von ihnen, und so heisst es nie "Die Leute sagen...aber wir wissen nicht, ob das stimmt". In unserem Film geben wir Erzählungen der Leute wieder, die sich zum Teil widersprechen. Als ZuschauerIn musst du das aushalten, und es zwingt dich, auch deine eigene Position, deinen eigenen kulturellen Blickwinkel zu hinterfragen.

Frage: Ist das nicht etwas schöngeistig? Denn schliesslich sind es nicht die Tz'utuhiles sondern ihr beiden, die hier in den Diskussionen die notwendigen Hintergrundinformationen über ihre Kultur liefern. Also sprechen auch 'wir' über 'sie'.

Thomas: Das stimmt hier in Europa und hat mit dem Mangel an Geld zu tun. Auf unserer Tournee durch Mexiko waren immer Leute von Santiago Atitlán dabei. Das hat eine ganz andere Stimmung bewirkt. So veranstalteten sie etwa eine Zeremonie vor dem Beginn des Films und luden alle ZuschauerInnen ein, am Kult teilzunehmen. Auf diese Weise verliess die Vorführung gewissermassen die Sphäre des rein filmischen und verwandelte sich in eine rituelle Handlung.

Vor zwei Jahren waren wir mit einem Film über die Kaffeekooperative Ernesto Che Guevara in Chiapas unterwegs. Damals war einer der Compañeros der VGKooperativeNF mit dabei, und das hat die Debatten über den Film sehr bereichert. Leider war das diesmal nicht möglich. Der Bildhauer Diego Chavez plant aber, mit dem Film über den Rilaj Mam in die VGUSANF zu reisen. Auf die dortigen Reaktionen sind wir sehr gespannt.

Frage: Gibt es einen Unterschied in der Zusammenarbeit mit mexikanischen und guatemaltekischen Leuten?

Thomas: Ich war sehr erstaunt , wie schnell sich die Leute in Guatemala mit dem Medium Video vertraut gemacht haben. Sie hatten keinerlei Berührungsängste und haben ohne Scheu zur Kamera gegriffen. Mit den Tzeltales in Chiapas hat das viel länger gedauert. Sie haben länger zugeschaut und beobachtet, bevor sie sich getraut haben, die Kamera in die Hände zu nehmen. Wir mussten sie speziell dazu einladen. In Guatemala haben sie uns sofort gefragt, ob sie auch einmal probieren dürfen. Sie haben eine ganz andere Art und sind viel direkter.

Alberto: Vielleicht kommt es daher, dass sie durch die TouristInnen schon oft in Kontakt mit Videokameras kamen. Viel wichtiger erscheint mir aber ihre Sensibilität, ihre künstlerische Begabung und ihre Experimentierfreudigkeit. Sie sind allgemein sehr kreativ und sehen im Video eine weitere Form, sich auszudrücken.

Thomas: Es gibt aber noch einen weiteren Unterschied. In Mexiko werden wir normalerweise von den Gemeinden eingeladen, eine Kinovorführung zu machen oder ein gemeinsames Filmprojekt zu realisieren. Die Abmachung dabei ist: Wir sorgen für die technischen Mittel, und die Gemeinde lädt uns im Gegenzug ein, stellt uns Unterkunft und Verpflegung. Mit dieser Idee kamen wir auch nach Guatemala. Wir wurden von der Bevölkerung sehr herzlich empfangen und aufgenommen, wurden eingeladen, bei ihnen zu wohnen und sie stellten uns gar ihre Ehebetten zur Verfügung, damit wir uns wohl fühlten. Doch bereits nach wenigen Tagen haben wir gemerkt, dass die Leute finanziell nicht in der Lage sind, uns zu beherbergen und zu verköstigen. Sehr bald waren wir es, die sie zum Essen einluden. Den Leuten in Guatemala geht es wirtschaftlich um einiges schlechter als denen in Chiapas.

Dies hat unsere finanziellen Ressourcen mehr beansprucht als vorgesehen. So konnten wir leider nicht sämtliche Aspekte der Gottheit Rilaj Mam im Film wiedergeben, und seine weibliche Seite mussten wir ganz weglassen. Dazu muss man wissen, dass der Rilaj Mam, so wie alle Gottheiten der Mayas, Mann und Frau zugleich ist. Nach dem grossen Fest des Rilaj Mam, das wir gefilmt haben, hat das Fest um den weibliche Teil der Gottheit begonnen, doch wir konnten nicht mehr länger dort bleiben und filmen. Dieser wichtige Teil fehlt denn auch im Film.

Frage: Das Vergessen des 'weiblichen Aspekts' geschieht ja nicht nur euch, dass passiert in der realen Welt permanent...

Thomas: Es ist nicht so sehr das Vergessen, aber es stimmt, dass es einen fatalen kulturellen Machismo widerspiegelt, der davon ausgeht, zuerst den männlichen Teil darzustellen und dann, wenn Zeit und Geld übrig bleibt, widmet man sich dem weiblichen Teil. Zeit hatten wir zwar, aber das Geld dazu nicht. Diesbezüglich bin ich nicht ganz zufrieden mit dem Film. Ich hoffe jedoch, dass die Repräsentation der Frauen im Film adäquat ist. Dass durchkommt, wie die Frauen innerhalb der Tradition um den Rilaj Mam eine Schlüsselrolle spielen. Etwa ein Drittel des Filmes widmet sich der Rolle der Frauen beim Fest des Rilaj Mam. Es gibt eine Szene, in der die Schwester des Hauptverantwortlichen eine fulminante Rede hält über die Kultur der Getränkezubereitung. Sie spricht in tz'utuhil, weshalb sie sehr frei spricht. Sie ist in einer ihr bekannten Umgebung und hat keine Angst, sich der Kamera gegenüber zu öffnen. Ich hoffe, diese Szene trägt dazu bei, dass unser Film nicht das reproduziert, was Filme so oft reproduzieren, den Glauben nämlich, dass es allein die Männer sind, die die Geschichte schreiben.

Frage: Was habt ihr für Projekte für die Zukunft?

Alberto: Unser Hauptprojekt ist, in Chiapas einen Film zum Thema Alkoholismus zu machen. Ein Film über den posh, ein traditionelles Getränk, eine Art Maisschnaps. Es geht darum, ein Analyse zu machen über die beiden Aspekte des Alkohols. Einerseits über den Alkoholismus als ernstzunehmende soziale Krankheit, die auch die indigenen Leute selbst kurieren möchten (so verboten z.B. die ZapatistInnen auf Betreiben der Frauen die Herstellung und den Konsum des Alkohols in ihren autonomen Gebieten). Andererseits gibt es die traditionelle Zubereitung und den traditionellen Genuss des posh im Kontext der religiösen Zeremonien, als sozialisierendes und gemeinschaftbildendes Element und auch seine Verwendung als Heilmittel. Die Idee zu diesem Projekt hatten die Leute in Chiapas, und sie sind auch bereits am Recherchieren.

In Santiago Atitlán möchten wir mit dem Filmprojekt weitermachen. Die Compañer@s dort haben unterdessen eigene Kameras und einen Computer. Sie haben schon sehr viel Filmmaterial zusammen, und es geht nun darum, sie im Schnitt auszubilden, damit sie ihre eigenen Filme machen können.

An Ideen und Einladungen für weitere Filmprojekte fehlt es nicht, aber dazu braucht es Finanzierung, und unter anderem deshalb sind wir jetzt auch in Europa.

Alberto und Thomas, vielen Dank für das Gepräch!


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