Minen und Tourismus - entweder oder
Fijáte 371 vom 1. Nov. 2006, Artikel 2, Seite 2
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Minen und Tourismus - entweder oder
Das in den letzten Jahren in die Schlagzeilen geratene Thema des Minentagebaus in Guatemala hat eine lange Geschichte, die mit dem Nickelabbau in Der nachfolgende Artikel beruht auf einem Gespräch mit Eloyda Mejía, Präsidentin der Umweltorganisation Amigos del Lago aus El Estor. Als Tourismusfachfrau zeigt sie die Widersprüche zwischen der zerstörerischen Ressourcenausbeutung und dem für die Region angestrebten "sanften" Tourismus auf. Seit in der Gegend von El Estor Minerale abgebaut werden, gibt es Protest dagegen und als Antwort darauf Repression seitens des Staates oder der mineneigenen Sicherheitskräfte, denn, für erfolgreiche Geschäfte braucht es politische Stabilität. Anfang der 60er Jahre störte die in der Zone operierende Unter den erstarkenden Volksbewegungen der siebziger Jahre waren es vor allem linksnationalistische Kreise, die gegen die Verträge zwischen der guatemaltekischen Regierung und ausländischen Bergbauinvestoren protestierten. Zu den damaligen GegnerInnen gehörte eine Ad-hoc-Kommission der staatliche Mit der Unterzeichnung der Seit einigen Jahren wird auch aus einer anderen Ecke Protest gegen die Minen rund um den Den Ursprung ihres Engagements gegen die Minen beschreibt Eloyda Mejía so: "Wenn du auf der einen Seite die Versprechen der Unternehmer hörst, die von Fortschritt sprechen und von Steuern, die sie bezahlen wollen und auf der anderen Seite siehst, dass El Estor eine sehr arme Gemeinde ist, deren Entwicklungs- und Gesundheitsindex zu den niedrigsten des Landes gehört, dann wirst du irgendwann neugierig und willst genauer wissen, was da eigentlich vor sich geht". Bei ihren Untersuchungen fanden die Amigos dann heraus, dass EXMIBAL sich der Guatemaltekischen Nickel-Kompanie CGN für den "symbolischen Preis" von rund 95'000 Euro verkauft hat, was etwa dem Budget eines durchschnittlichen Projekts eines kommunalen Entwicklungsrates und in der Praxis den Kosten für den Bau von rund 800 Metern Gemeindestrasse entspricht. Die Fachfrau in Entwicklung und Tourismus phantasiert gerne darüber, was aus dem Minenprojekt hätte gemacht werden können, wenn es die Gemeinde für denselben "symbolischen Preis" hätte kaufen können... Eloyda Mejía ist denn auch nicht grundsätzlich gegen den Abbau von Mineralien. Was sie stört ist einerseits, dass weder das Land selber, geschweige denn die Bevölkerung, davon begünstigt werden und vor allem, dass keinerlei umweltschützerische Massnahmen getroffen werden. Im bzw. unter dem See selber gibt es auch Gas- und Sämtliches Schmutzwasser der umliegenden Ortschaften fliesst in den See, der vielen Leute als Lebensgrundlage dient: Sie beziehen ihr Trinkwasser und ihre Nahrung (Fische) daraus. Dazu Mejía: "Wenn wir nicht einmal in der Lage sind, die Überfischung des Sees zu verhindern, wie wollen wir Kontrolle darüber haben, was für Gifte von der Industrie in den See abgeführt werden?" Die Amigos del Lago arbeiten eng mit den Entwicklungsräten der Gemeinden (Cocode) rund um den Izabal-See zusammen und unterstützen diese bei kleinen, aber wichtigen Projekten für die Verbesserung des Gemeindewohls. Weiter informieren sie die lokale Bevölkerung über die Entwicklungen im Minenbau und helfen ihnen bei Einsprüchen gegen das Minenunternehmen oder das Energieministerium, das zuständig für die Vergabe von Lizenzen ist. Nach oben |
"Der Izabal-See ist ein Schatz, aber er ist auch eine Gefahr. Um ihn dreht sich hier in der Region alles. Seine Verschmutzung ist unser Ende", so Eloyda Mejía. Und weiter: "Die Politik der Regierung ist sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite spricht sie davon, durch die Vergabe von Bergbaulizenzen das Land der Wirtschaft und dem Fortschritt zu öffnen. Auf der anderen Seite will man den Tourismus fördern. Dieses Jahr ankerten 58 Kreuzfahrtschiffe an der Atlantikküste Guatemalas. Diese "Industrie ohne Kamine", der Tourismus, soll ausgebaut werden. Die Regierung hat kürzlich die Lizenz für den Bau eines Kreuzfahrtschiffhafens vergeben, der die Anlegekapazität für jährlich 200 Kreuzer haben soll. Das sind 400'000 TouristInnen, die nicht nur in Seit dem Jahr 2000 haben sich nun auf Initiative von Eloyda Mejía die BesitzerInnen von Hotels und Restaurants von El Estor organisiert, um gemeinsam für mehr Bekanntheit und besseren Service zu werben. Es wurde ein Konzept entwickelt, wie die Gemeinde durch den Tourismus zu mehr Entwicklung und zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung kommen kann. Es wurde eine Webseite erstellt, Prospekte und Karten der Region mit den wichtigen Sehenswürdigkeiten und Angeboten zusammengestellt, ein Internetcafé eröffnet, Annehmlichkeiten, wie sie TouristInnen wünschen. Solche kleinen Initiativen gab es in verschiedenen Gemeinden und man beschloss, sich in einem Komitee zusammenzuschliessen. Zwar hatte parallel dazu auch das staatliche Tourismusinstitut Ist es nicht etwas naiv, den Tourismus als die Lösung aller Probleme zu sehen? Dazu Eloyda Mejía: "Ich bin mir absolut im Klaren darüber, dass der Tourismus nicht die Lösung für die Entwicklung der Region ist. Man muss die Sache sehr sorgfältig angehen. Um wirklich zur Entwicklung einer Region beizutragen, muss der Tourismus von der lokalen Bevölkerung betrieben werden. In El Estor gibt es Leute, die haben seit 25 oder 30 Jahren schlecht laufende Hotels. Wenn man nun mehr TouristInnen herholt, profitieren nicht nur die HotelbesitzerInnen sondern alle: die Tortillaverkäuferin auf dem Markt, die mehr Tortillas an die Restaurants verkaufen kann, ebenso die Gemüsehändlerin, die Fischer. Wir haben auch eine Idee, wie der Überfischung des Sees begegnet werden kann: Fischer, die den See ihr Leben lang kennen, bilden sich zu Touristenführer aus und bieten Seerundfahrten zu den Naturschutzgebieten an. Mit einer vierstündigen Tourismus-Tour auf dem See verdient der Fischer, was er früher in einem Tag verdient hat. Es geht bei dieser Art von Tourismus darum, den Reichtum, den uns die Natur schenkt, so zu benutzen, dass alle ihn geniessen können und er dabei nicht zerstört wird." Im Tourismus liegt ein Potential. Im Moment wird er durch die Minen und die Umweltzerstörung bedroht. Wenn der See weiterhin als Endlager für die im Minenbau benötigten Giftstoffe dient, sind bald alle Fische vergiftet oder ausgerottet. Während Jahren war der See z.B. überwuchert von einer asiatischen Wasserpflanze Namens Hydrilla Verticilata. Es ist unklar, wie diese in den See kam. Es könnten die Zugvögel gewesen sein, sie könnte auch in den Propellern der Schiffsmotoren von Shell oder Halliburton eingeführt worden sein, die von Miami kamen, wo die Hydrilla vorkommt. Es gibt auch den Verdacht, dass sie versehentlich ausgesetzt wurde, die Pflanze wird normalerweise in den Fischaquarien als Wasserpflanze verwendet. Sie wächst so dicht, dass man mit Motorbooten nicht mehr durchkommt, weil sie sich in den Motorschrauben verwickelt. Unter den entsprechenden Bedingungen wächst sie bis zu 10 cm täglich. Bei ihren Untersuchungen haben die Amigos del Lago herausgefunden, dass die grösste Konzentration der Hydrilla dort wuchs, wo es an der Küste Monokulturen mit Afrikanischer Palme oder Normalerweise regeneriert sich der See auf natürliche Weise, aber bei Phänomenen wie dem Und die Zukunft? Eloyda Mejía: "Ich denke, es wäre an der Zeit, sich zu überlegen, was aus dem Departement Izabal eigentlich gemacht werden soll. Denn die beiden Aktivitäten, Tourismus und Minenbau, sind absolut unvereinbar. Will man die Region weiter industrialisieren, okay, aber dann können wir mit dem Tourismus aufhören, weil es in zehn oder fünfzehn Jahren hier nichts mehr gibt. Will man hingegen auf Tourismus setzen, muss die Regierung die notwendigen Massnahmen gegen die Minen ergreifen. Ein weiteres Problem, das wir jetzt schon haben, das aber zunimmt, wenn man sich offiziell für den Tourismus entscheidet, ist, dass wir als lokale TourismusanbieterInnen hart um unser Überleben kämpfen müssen. Bereits jetzt wurde am Seeufer die erste Baubewilligung an eine internationale Hotelkette vergeben. Auf der anderen Seite gibt es keine Regierungspolitik, um den lokal betriebenen Tourismus zu fördern. Beantragst du als lokale Hotelbesitzerin bei der Bank einen Kredit, um den Service in deinem Hotel zu verbessern, musst du Wucherzinsen bezahlen. Deshalb wiederhole ich: Wenn der Tourismus wirklich etwas zur Entwicklung der Region beitragen soll, dann muss er einer längerfristigen Strategie folgen und in erster Linie eine Alternative für die lokale Bevölkerung sein." |
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