Ein trauriges Kapitel der guatemaltekischen Geschichte ist geschlossen: Romeo Lucas García gestorben
Fijáte 361 vom 6. Juni 2006, Artikel 3, Seite 3
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Ein trauriges Kapitel der guatemaltekischen Geschichte ist geschlossen: Romeo Lucas García gestorben
Guatemala, 1. Juni. In Venezuela ist am 27. Mai der ehemalige General Fernando Romeo Lucas García im Alter von 82 Jahren gestorben. Er kam 1978 an die Macht, die er bis 1982 innehatte, vier Jahre, während denen in Guatemala 507 von den staatlichen Sicherheitskräften (Armee und Zivilpatrouillen) ausgeführte Massaker verübt wurden, bei denen insgesamt etwa 132'000 Menschen umkamen. Im REMHI-Bericht der katholischen Kirche heisst es über die Regierungszeit von Lucas García: "(Er) kam durch nachweislich betrügerische Wahlen an die Macht, bei denen lediglich 15% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hatten. (...) Die Amtszeit von General Lucas war von den damaligen dynamischen Entwicklungen extremer Gewalt und sich zuspitzender politischer Widersprüche geprägt: 1979 wurden 1`371 politische Morde und Entführungen registriert; 1980 waren es bereits 2`264 und 1981 sogar 3`426 Fälle. Es war wie der Ausbruch einer Folge von politischen Perversionen, die in den vorangegangenen Phasen gereift waren. In der Erinnerung des guatemaltekischen Volkes sind diese Jahre unter dem Stichwort "die Lucas-Zeit" noch immer als eine der schwärzesten Epochen seiner Geschichte präsent. In tragischer Abfolge geriet das Land immer tiefer in eine Spirale der Gewalt, die für das darauf folgende Jahrzehnt kennzeichnend werden sollte." In Lucas Garcías' Regierungszeit fielen unter anderem der Bau des Staudammes von Chixoy und das entsprechende Massaker von Río Negro, ebenso wie der Brand der Spanischen Botschaft. 1982 wurde er vom Militär - unter Teilnahme vom damaligen General Efraín Ríos Montt - aus dem Amt geputscht. Mit seinem Tod "schlich" sich Lucas García aus diversen Justizfällen. Einer der bekanntesten ist wohl die Klage wegen Genozids, eingereicht von 22 Gemeinden bei der guatemaltekischen Justiz. Der Fall steckt in den Schubladen der zuständigen Gerichte fest. Die andere Klage reichte Rigoberta Menchú vor dem Obersten Gericht Spaniens ein und in dieser Sache werden im Laufe dieses Monats spanische RichterInnen zu ersten Beweisaufnahmen und Zeugenvernehmungen nach Guatemala reisen. Auch hier lautet die Anklage auf Genozid und zudem auf Mord an einigen spanischen Priestern und auf Verschwinden unter anderem einer spanischen Journalistin. Der Tod von Lucas García löste in Guatemala verschiedenste Gefühle aus, unter anderem auch eine gewisse Frustration bei Menschenrechtsorganisationen, die während Jahren daran gearbeitet haben, ihn vor Gericht und zur Rechenschaft zu ziehen. In einer Presseerklärung des Menschenrechtszentrums CALDH, das die 22 Gemeinden juristisch begleitet, heisst es, man wolle die Prozesse weiterführen und die entsprechenden Verantwortlichen des damaligen Präsidialen Generalstabs (EMP) sowie weitere Kollaborateure zur Rechenschaft ziehen. Der guatemaltekischen Justiz wirft CALDH Langsamkeit vor, die es möglich macht, dass die Verantwortlichen der Menschenrechtsverletzungen unbestraft sterben können. Nach oben |
Auch Rigoberta Menchú gibt nicht auf, sondern führt ihre Klage vor der spanischen Justiz gegen die verbleibenden sieben Angeklagten weiter (Efraín Ríos Montt, Óscar Mejía Víctores, Germán Chupina Barahona, Donaldo Álvarez Ruiz, Angel Guevara Rodríguez, Pedro García Arredondo sowie gegen den Bruder des verstorbenen Lucas García, Benedicto). Sie hofft, dass ein Urteil noch vor dem Tod der Angeklagten stattfinden kann, sind diese doch unterdessen alle auch über 60 Jahre alt. Einem Einspruch von Ríos Montt, der nicht vor den spanischern Richtern aussagen und vor allem sein Hemd als erneuter Präsidentschaftskandidat nicht "unnötig" beschmutzen wollte, wurde nicht stattgegeben. So wird auch er am 28. Juni nicht nur über die konkreten Fälle, derer er beschuldigt ist, sondern generell über die während der Aufstandsbekämpfung angewandten Strategien aussagen müssen. Ob er es dann auch tut, ist eine andere Frage, seine Kommentare über den abgelehnten Rekurs waren allesamt zynischer Art. Ebenfalls zu einer Aussage vorgeladen ist der flüchtige ehemalige Innenminister von Lucas García, Donaldo Álvarez Ruiz. Gegen ihn ist seit Dezember 2004 von Spanien ein internationaler Haftbefehl verhängt. Just in diesen Tagen ging das Gerücht, in die Welt gesetzt vom US-amerikanischen Büro der spanischen Nachrichtenagentur EFE, aber ohne nähere Details, herum, Álvarez Ruiz sei am 31. Mai von Interpol in den USA verhaftet worden. Der Geschäftsleiter der Rigoberta Menchú-Stiftung erklärte daraufhin, Álvarez Ruiz werde seine Aussage in Spanien machen müssen, da der internationale Haftbefehl und das Auslieferungsgesuch von den Spanischen Gerichten eingeleitet wurde und er dorthin überführt werden wird. In Guatemala gebe es keinen Haftbefehl gegen ihn. Seitens der spanischen Justiz hiess es indes bloss, man hätte von Interpol die Meldung erhalten, dass eine Person dieses Namens und mit dem entsprechenden Geburtsdatum festgenommen worden sei, es sich aber wohl nicht um den gesuchten Guatemalteken handelt. Eine E-Mail von Interpol an die guatemaltekische Zivilpolizei und eine Aussage des Sprechers der US-amerikanischen Botschaft liessen schliesslich die Seifenblase platzen, demnach fehlt vom ehemaligen Innenminister, der sich im Laufe der Jahre über Mexiko und Panama in die USA flüchtete, weiterhin jede Spur. |
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