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Die Wahrheit ist nichts Absolutes (Teil 2)

Fijáte 343 vom 14. Sept. 2005, Artikel 1, Seite 1

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Die Wahrheit ist nichts Absolutes (Teil 2)

tion mehr und besser respektiert. Bei Bestattungen, die wir begleiten, können die Angehörigen wählen, ob sie ihre Rituale feiern, eine Messe oder einen evangelikalen Kult zelebrieren wollen. Wir sind dem gegenüber offen. Es gibt Platz für die verschiedenen religiösen Ausdrucks- und Glaubensformen. Ich glaube, man muss ,,den Altar zum Volk bringen". Beispielsweise die Messe im Feld feiern, wenn sie das wünschen oder auf dem Berg. Wir müssen den grossen Tempel verlassen und zu den für sie heiligen Orten gehen. Zweifellos gibt es viele fundamentalistische Einstellungen hinsichtlich der Frage, wer die Wahrheit ,,besitzt" und dass es ausserhalb dieser einen Wahrheit keine Erlösung gibt. Aber im Falle der Begräbnisse wird diese Vielfalt auf alle Fälle respektiert. Frage: Und in der Messe? J.H.: Dies findet nicht in einer x-beliebigen Sonntagsmesse statt, sondern bei einem speziellen Anlass: Bei einer Heirat, der Taufe eines Kindes, der Aussaat, bei einer Krankheit, um um Regen zu bitten, oder eben bei einer Bestattung. In Momenten, wo die Leute ihre spirituellen Führer, sei es der Mayapriester oder der Pfarrer, oder eben beide, suchen. Frage: Ist die VGevangelikaleNF Kirche auch offen für solche Prozesse? Es gibt ja massenweise Indígenas, die ,,Evangélicos" sind. J.H.: Eine Erklärung für dieses Phänomen ist sicher die Unterdrückung der Maya-Spiritualität während der Violencia. Es gibt evangelikale Priester die merken, dass es so nicht mehr weitergehen kann und die Versöhnungsprozesse begleiten. Vor allem in Gemeinden, wo es sowohl Evangélicos, VGKatholikInnenNF als auch so genannte Costumbristas gibt, sind das aber schwierige Prozesse, speziell wenn es um Fragen geht wie die Suche nach Wahrheit. Daran muss noch viel gearbeitet werden und zwar mit grosser Sorgfalt. Für viele Vertreter der evangelikalen Kirchen sind Knochen Knochen. Sie interessieren sich mehr für die Lebenden. Damit werden viele Fragen und Prozesse verdeckt und verhindert. Frage: Wenn wir die heutige Situation anschauen, die Arbeitslosigkeit, die Gewalt, die das alltägliche Leben vieler Leute dominieren, glauben Sie nicht, es wäre besser, an diesen Themen zu arbeiten, anstatt an der Vergangenheit? J.H.: Ich verstehe das als etwas In-

tegrales. Politisch gesehen ist es sehr wichtig, dass die Vergangenheit bearbeitet wird, denn wir können nicht erlauben, dass sich die offizielle Version der Geschichte durchsetzt. Wer sich die ganzen Testimonios angehört hat, kann sich dem nicht einfach verschliessen. Ich bin einverstanden damit, dass wir heute viele Probleme haben, die wir angehen müssen. Aber wenn wir keine Fundamente haben, wenn wir die Geschichte nicht verstanden haben ­ in welche Richtung stossen wir diese Gesellschaft? Wie ist es möglich, dass diejenigen, die sich heute dem Volk als politische Optionen anbieten, diejenigen sind, die für die Verbrechen der Vergangenheit verantwortlich sind? Wir können nicht einfach so tun, als wenn nichts gewesen wäre und das Volk weiterhin an der Nase herumführen (lassen). Dazu kommt unser schwaches Justizsystem. Die VGMenschenrechtsverletzungenNF wurden nie untersucht. Mit der Forderung nach Aufklärung dieser Verbrechen fordern wir gleichzeitig, dass sich das Justizwesen verändert. Wir schauen nicht in die Vergangenheit, um dort steckenzubleiben. Wir schauen nicht in die Vergangenheit, um uns in unserem Opferdasein zu gefallen. Wir schauen zurück, um bessere Forderungen, bessere Vorschläge für die Gegenwart machen zu können. Die Ursachen des Krieges in unserem Land sind nichts Isoliertes. Es ging um VGArmutNF, um die VGLandfrageNF etc. Und diese Probleme sind bis heute nicht gelöst. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was die Ursache für den Krieg war, damit die Leute sich fragen können: ,,Und was habe ich dabei gemacht?" Es ist wichtig, einen integralen Blickwinkel einzunehmen. Frage: Es gibt momentan keine politische Kraft, die sich für das einsetzt, was Sie vorschlagen. Die Leute sind verzweifelt, haben keine Hoffnung. Glauben Sie, dass die katholische Kirche diesbezüglich ein politische Rolle spielen könnte? Will sie überhaupt eine politische Rolle spielen? Hätte sie möglicherweise eine Glaubwürdigkeit, die die politischen Parteien nicht haben? J.H.: Die Leute brauchen einen Referenpunkt, sie brauchen eine glaubwürdige Führung. Und die gibt es im Moment nicht. Die grosse Herausforderung, vor der wir stehen ist, die Vergangenheit und die Gegenwart zusammenzubringen. Doch unsere Gesellschaft ist

gespalten. Es gibt unterschiedliche Interessen, es gibt eine starke Individualisierung. Ich glaube schon, dass die katholische Kirche Glaubwürdigkeit besitzt, aber sie hat im Moment keinen Schwung. Vereinzelte Vertreter der katholischen Kirche wie Monseñor Ramizzini haben eine grosse politische Wirkung, ihre Meinungen werden gehört und sie zählen. Genau solche Referenzpunkte brauchen wir. Leider ist es so, dass die katholische Kirche Glaubwürdigkeit besitzt, mehr fast als die sozialen Bewegungen oder die Menschenrechtsorganisationen. SIE sollten dieses Gewicht haben und Vorschläge machen, die von der ganzen Gesellschaft unterstützt werden. Innerhalb der katholische Kirche gibt es Strömungen, die Leute wie Ramazzini schwächen und zum Schweigen bringen wollen, wie das mit Monseñor Cabrera im Departement VGQuichéNF gemacht wurde. Die katholische Kirche verteidigt zwar ihre soziale Rolle, aber sie will als Kirche agieren und duldet keine Einzelinitiativen oder Exponenten wie Ramazzini. Vielen Dank für das Gespräch!


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