Rückschritt zur Militärgerichtsbarkeit?
Fijáte 344 vom 28. Sept. 2005, Artikel 7, Seite 5
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Rückschritt zur Militärgerichtsbarkeit?
Guateamala, 22. Sept. Zahlreiche Sektoren der Zivilgesellschaft stellen den Versuch in Frage, mittels neuer Gesetze Mitglieder des Militärs zu begünstigen, die in Fälle von Korruption und anderer gemeiner Delikte verwickelt sind. ExpertInnen weisen derweil darauf hin, dass die vier angestrebten Militärgesetze nicht nur der Verfassung widersprechen, da sie das Recht auf Gleichheit verletzen, sondern zudem eindeutig den Friedensverträgen zuwiderlaufen, die kürzlich noch in einem Rahmengesetz institutionalisiert worden sind. Der derzeit im Kongress diskutierte Gesetzesvorschlag, der den bestehenden Militärkodex ersetzen soll, beinhaltet vier Initiativen: eine davon bezieht sich auf das militärische Gefängnissystem, die zweite auf das Thema des Militärprozesses, die dritte behandelt die Organisation und das Funktionieren der Militärgerichtsbarkeit und der vierte schliesslich das militärische Strafgesetz. Grundlegende Konsequenz aus diesen Initiativen resultierte darin, dass Angehörige des Militärs nicht nur in Militäreigenen Verbrechensfällen, wie dem Verstoss gegen interne Strukturen und Verordnungen, sondern auch wegen ,,ziviler" Delikte vor ein Militärgericht und nicht wie alle anderen BürgerInnen, vor die zivilen Gerichte zitiert werden. Eingeschlossen sind zurückgetretene und pensionierte Mitglieder der Institution. ,,Das ist ein Gesetz der Straflosigkeit, das den Stempel der Feigheit trägt... und die Korruption begünstigt", so Iduvina Hernández von der Organisation Sicherheit in Demokratie (SEDEM). In erster Linie seien es die Militärs, die unter anderem in die Hinterziehung von vermutlich 906 Mio. Quetzales aus dem Verteidigungsministerium und in die Betrügereien im inzwischen aufgelösten Präsidialen Generalstab (EMP) verwickelt sind, die ihren Nutzen aus den vier neuen Gesetzen zögen, inklusive General Efraín Ríos Montt, so Hernández. Während Präsident Oscar Berger sich gegen die Gesetzesvorschläge aussprach, verdichten sich die Anzeichen, dass die Regierungspartei GANA sich unter dem Tisch auf einen Händel mit den Blöcken der Integracionistas und der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) eingelassen hat, die von diesen gewünschten Militärgesetze zu unterstützen, im Gegenzug für die Stimmen dieser Parteien für die Billigung des Baus sowohl der Umgehungsstrasse um die Hauptstadt als auch der im Plan Puebla Panamá (PPP) vorgesehenen Strasse Transversal del Norte, die den Handelsverkehr im Norden des Landes und vor allem mit Mexiko erleichtern soll. Der Versuch einer Abgeordnetengruppe, die vorgestellte Initiative für eine detailliertere Prüfung in die Verteidigungskommission des Kongresses zurückzuschicken scheiterte zunächst an den Gegenstimmen der drei genannten Gruppierungen, dem Antrag wurde schliesslich aber doch nachgegeben. Nach oben |
Zusätzlich machten sich Vertreter der FRG bereits auf den Weg zum Verfassungsgericht, um dessen Rat einzuholen und die Vorwürfe der Verfassungswidrigkeit zu entschärfen. Derzeit verfolgt die Staatsanwaltschaft ein gutes Dutzend Korruptionsfälle gegen Militärs unter der vorhergehenden Regierung, zudem laufen auch einige Gerichtsprozesse wegen Massakern. Gemäss dem präsentierten Vorschlag würden ab sofort all jene Fälle von Militärgerichten betreut, die bislang noch verschlossen sind, was die Mehrheit der Aktenstapel ausmacht. Unter diesen befindet sich auch der genannte Hinterziehungsfall im Verteidigungsministerium, in den neben zehn Militärs auch Ex-Präsident Alfonso Portillo unter Verdacht steht. Zu den beschuldigten Militärs zählt derweil der Sohn von General Ríos Montt, Enrique Ríos Sosa. Die Friedensverträgen, firmiert im Dezember 1996, und speziell das Abkommen zur Stärkung der Zivilen Macht und der Funktion des Militärs in einer demokratischen Gesellschaft, stellten die Schlüssel zur Abschaffung der Privilegien dar, die die Mitglieder der bewaffneten Institution gegenüber der guatemaltekischen Gesellschaft genossen. Vor den Verträgen wurden Verbrechen wie Morde oder Geldhinterziehung allein von Militärtribunalen behandelt, die Information war eingeschränkt und die Ergebnisse der Fälle wurden nicht bekannt gegeben. In einer Analyse der Gesetzesinitiativen, die in der Legislativen diskutiert werden, kommt die Myrna-MackStiftung zu dem Schluss, dass ,,die Notwendigkeit einer Reform der Militärjustiz in Guatemala vornehmlich darauf beruht, dass seine aktuelle Regulierung weit von einem demokratischen Justizmodell entfernt ist, bedingt durch die Tatsache, dass die Gesetzesschriften noch aus dem 19. Jahrhundert stammen, entwickelt unter autoritären Militärregierungen." "Es ist auffällig, dass diese Diskussion mit der um die Sicherheitsgesetze zusammenfällt", schreibt Carmen Rosa de León in der Tageszeitung Siglo XXI. ,,Wir wissen", so de León weiter, ,,dass pensionierte und aktive Militärs in die saftigen Geschäfte der privaten Sicherheitsfirmen und dem Import und der Vermarktung von Feuerwaffen verwickelt sind. Man weiss von dem Druck, den manche im Kongress ausüben, um ihre persönlichen Interessen zu begünstigen und nicht die der Mehrheit. Der VizeInnenminister selbst hat öffentlich die Einmischung der parallelen Mächte in die Diskussion von manchen der im Kongress sich befindenden Gesetzesinitiativen verkündet. Deswegen kommt der Zweifel auf, ob es Zufall ist, jene Militärs von einem gewöhnlichen Rechtsprozess zu befreien, die an gewöhnlichen oder auch nicht ganz so gewöhnlichen Delikten beteiligt sind, wie die Geldwäsche und die Unterstützung des wie Beteiligung am organisierten Verbrechen." Der Leitartikel der Tageszeitung Prensa Libre macht seine Schlussfolgerung deutlich: ,,Es gibt keinen Zweifel: diese Initiativen sind ein tragischer Eingriff in das Justizsystem, und da es offenkundig in einigen Aspekten gegen die Verfassung der Republik verstösst, ist ihr einziger verdienter und dringender Bestimmungsort der Mülleimer." |
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