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Die Wahrheit ist nichts Absolutes (Teil 1)

Fijáte 342 vom 31. Aug. 2005, Artikel 1, Seite 1

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Die Wahrheit ist nichts Absolutes (Teil 1)

lich. Im VGIxcánNF z. B. wird der Todestag von Pfarrer Guillermo Woods feierlich begangen, aber es werden auch die anderen Massaker erinnert. Es wird erinnert, es wird gewürdigt und es wird nicht vergessen. Es geht ums Verstehen, um den Respekt und um das Recht, diese Momente überhaupt zu erinnern. Solche Prozesse finden aber nicht überall statt und repräsentieren nicht das Gefühl der gesamten katholischen Kirche. Der Impuls muss nicht einmal dringend von der Kirche ausgehen. Im Ixcán ist es die Bevölkerung, welche die jährlichen Erinnerungsfeierlichkeiten organisiert, im Petén hingegen geht der Anstoss, jährlich an das Massaker von VGDos ErresNF zu erinnern, klar von der Kirche aus. Der Jahrestag der Ermordung von Monseñor Gerardi hingegen wird jedes Jahr von der gesamten katholischen Kirche erinnert. Der Fall Gerardi ist für viele Leute ein Präzedenzfall dafür, dass diese Verbrechen nicht in der VGStraflosigkeitNF bleiben dürfen. Die Kirche hat im Zusammenhang mit Gerardi die Themen ,,Erinnerung" und ,,Gerechtigkeit" breit lancieren können. Weiter ist die Kirche bei den Feierlichkeiten am ,,Tag der Würdigung der Opfer" (25. Februar) mit dabei. Die Kirche setzt sich dabei vor allem für eine ökonomische Wiedergutmachung ein, und macht einen Aufruf gegen die Gewalt und für den Respekt des Lebens. Dies ist nicht ein einsamer Ruf gegen die Gewalt, sondern es ist ein Ruf gemeinsam z. B. mit der lutherischen Kirche. Es die Suche nach einem Dialog, nach einem ökumenischen Geist und es

geht auch darum, die aktuell stattfindende Gewalt beim Namen zu nennen. Frage: Wenn nun nach einer Exhumierung die Beerdigung stattfindet, ist die Todesursache ein Thema in der Predigt des Pfarrers? Wird in den Messen über die erlittene Gewalt gesprochen? J.H.: Eine Exhumierung ist ein wichtiges Thema für die ganze Gemeinde. Es werden nicht nur Knochen ausgegraben, es geht um eine Person. Die Beziehung zu dieser Person, sei es seitens den Eltern, der Geschwister oder der VGKinderNF, ist eine Beziehung tiefen Respekts und wird auch so manifestiert. So wird z. B. bei einer Exhumierung zuerst die ,,Person" um Erlaubnis gefragt, bevor ihre Reste angefasst werden. Der Person wird beschrieben, was mit ihr gemacht wird, dass sie angefasst und aus der Erde herausgenommen wird. Es wird erzählt, wie es der Familie geht, dass die Kinder in der Zwischenzeit gewachsen oder dass sie unterdessen Grosseltern geworden sind. Es ist ein tiefer, heiliger, respektvoller Dialog, der mit der toten Person geführt wird, ein Dialog voller Spiritualität. Auch die Erde wird um Erlaubnis gebeten, in ihr zu graben und es wird ihr dafür gedankt, dass sie die Person behütet hat. Die Exhumierungen, die wir als Kirche anregen und begleiten, ist Teil eines Versöhnungsprozesses. Es ist uns wichtig, dass dieser Prozess nicht auf der individuellen Ebene, von Du zu Du bleibt, sondern dass die ganze Gemeinde daran teilnimmt. Denn erst dann wird er als versöhnend, heilend wahrgenommen. Es soll über Hass und Neid, über Macht und Manipulation gesprochen werden und über die Gewalt, die in den Gemeinden geherrscht hat. Dies sind wichtige Elemente des Versöhnungsprozesses und dies aufzuzeigen, ans Licht zu bringen und zu beweisen, ist die Aufgabe des REMHI. Wir begleiten diesen Prozess (mit den Exhumierungen) und es macht uns nichts, wenn sich jemand in einem Detail irrt, wenn das Gedächtnis nicht mehr alles erinnert, die Farbe der Kleider oder das genaue Alter, denn das können wir wissenschaftlich nachweisen. Das sind Nebensächlichkeiten. Wichtig ist, zu sagen, dass niemand lügt, dass das, was die Leute erlebt haben, real ist. Frage: Sie haben sehr eindrücklich beschrieben, dass die Exhumierung ein Prozess ist, an der die ganze Gemeinde teilnehmen kann, ein Moment der Solidarität. Bleibt diese Gemeinschaftlichkeit und Solidarität auf die Vergangenheit beschränkt oder werden solche Momente auch genutzt, um andere gemeinschaftliche Prozesse anzutreiben? Prozesse, die über das OpferTäter-Schemadenken hinausgehen? J.H.: Ich glaube, man sollte die Sachen nicht zu sehr vermischen und an einer Exhumierung nicht zuviel aufhängen wollen. Es kann sein, dass vor einer Exhumierung alles in Ordnung, alles in bester Ruhe war innerhalb einer Gemeinde. Im Moment, wo eine Exhumierung vorgeschlagen wird, öffnen sich Wunden, leben Beziehungsformen auf, die im Laufe der Zeit überdeckt und verdeckt

wurden. Wenn wir nun mit dem Exhumierungsprozess beginnen, wird die Geschichte wiederbelebt und die Leute beginnen vielleicht plötzlich zu verstehen, wo die Widersprüche in ihrer Gemeinde lagen, weshalb es so viele Tote gegeben hat. Ob man will oder nicht, solche Prozesse haben einen Einfluss auf das heutige Zusammenleben innerhalb einer Gemeinde. Ich kenne Gemeinden, wo es zu Spaltungen kam über die Frage, wer das Recht dazu hat, über die Vergangenheit zu sprechen. Wo die einen sagten ,,Ich habe Opfer in meiner Familie und deshalb das Recht, zu sprechen, und du nicht, weil du keine Opfer hast". Oder ,,Du warst in diesen Jahren dort und dort (bei der VGGuerillaNF, beim VGMilitärNF) und deshalb bist du dafür verantwortlich, was in unserer Gemeinde geschehen ist". Dies generiert eine Distanzierung innerhalb der Gemeinde und man darf eine Gemeinde damit nicht allein lassen. Wir können nicht einfach kommen, unsere Arbeit machen, die Knochen ausgraben, wieder eingraben, ein Monument aufstellen und wieder gehen. Wir haben eine ethische, eine historische Verantwortung, der Gemeinde zu helfen. Was wir versuchen ist, zusammen mit der ganzen Gemeinde die Geschichte aufzurollen, die Testimonios anzuhören und zu kennen. Es ist wichtig, die ganze Geschichte zu verstehen und ihre Konsequenzen zu kennen und zu verstehen. Und es ist wichtig, dies mit den Leuten zu diskutieren, ihnen aufzuzeigen, was wirklich geschehen ist. Man kann dies Wiederherstellung des sozialen Gefüges nennen, oder Wiederherstellung der Gemeindestrukuren.


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