NEIN gegen das Wasserkraftwerk in Río Hondo
Fijáte 339 vom 20. Juli 2005, Artikel 4, Seite 4
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NEIN gegen das Wasserkraftwerk in Río Hondo
Guatemala, 4. Juli. Nachdem einige Wochen zuvor die BewohnerInnen von Sipacapa, San Marcos, sich in einer Volksabstimmung gegen den Abbau von Gold durch ein transnationales Unternehmen in ihrer Region aussprachen (siehe ¡Fijáte! 338), wiederholte die Bevölkerung von Río Hondo, Zacapa, Anfang Juli das selbe Prozedere im Fall des Baus eines Flusskraftwerkes im Fluss Colorado (siehe ¡Fijáte! 336). In beiden Fällen griffen die Gemeindemitglieder zum Mittel der in Guatemala bisher fast nie durchgeführten Volksabstimmung, nachdem sämtliche bisherigen Verhandlungen mit den Unternehmen der Projekte und der Regierung gescheitern waren und ihre Proteste nicht gehört wurden. Mit dem Ausnutzen dieses demokratischen Spielraums durch die BürgerInnen wird die unklare und sich zum Teil widersprechende guatemaltekische Gesetzeslage evident, speziell die Inkompatibilität nationaler Gesetze untereinander (z. B. Verfassung, Gesetz über die Dezentralisierung und Autonomie der Gemeinden), aber auch mit internationalen Abkommen (z. B. Artikel 169 der Internationalen Arbeitsorganisation), die von Guatemala unterzeichnet sind. Der Widerstand der Bevölkerung gegen das Wasserkraftprojekt begründet sich unter anderem damit, dass dieses die durch ein entsprechendes Gesetz geschützte Zone der Sierra de las Minas tangiert, die traditionellen Bewässerungssysteme der BäuerInnen zerstört (dazu gibt es eine 150 Jahre alte rechtlich gültige Abmachung) und mit der Angst vor den Konsequenzen eines durch eine Naturkatastrophe (Erdbeben oder Erdrutsch) ausgelösten Staudammbruchs, wodurch das Dorf mit Wasser und Schlamm überflutet würde. Gegenüber diesem partizipativen und demokratischen Prozess, der aus Eigeninitiative der Bevölkerung von Río Hondo stattfindet, stehen die Versuche der nationalen und internationalen Investoren, die Volksabstimmung zu verhindern, ebenfalls unter Berufung auf nationale Gesetze. (Das Unternehmen Hidroeléctrica Río Hondo S.A. besteht zu 60% aus italienischem und zu je 20% aus guatemaltekischem und US-amerikanischem Kapital.) So wird auf der einen Seite damit argumentiert, dass das Wasser, das den Colorado-Fluss hinunterfliesst, dem Staat gehört und die Bevölkerung kein Mitspracherecht hat zu entscheiden, was damit geschieht. Auf der anderen Seite beruft sich ebendiese Bevölkerung auf ihre Verantwortung, die für sie lebenswichtigen Ressourcen zu schützen. Nach oben |
Im Artikel 64 der Gemeindeverordnung heisst es: ,,Die BürgerInnen haben das Recht, vom Gemeinderat die Durchführung einer Volksabstimmung zu verlangen, wenn es um Belange geht, die Auswirkungen auf alle Gemeindemitglieder haben. Die Forderung nach einer Abstimmung muss von mindestens 10% der Stimmberechtigten unterzeichnet sein und ist gültig, wenn mindestens 20% der Stimmberechtigten daran teilnehmen." Mit der Teilnahme von 2831 Personen (28.37% der 9679 Stimmberechtigten) und einer überwältigenden Anzahl von Nein-Stimmen (2735 = 96,6%) sollte der Fall eigentlich klar sein. Ist er aber nicht. Der Energieminister Luis Ortiz gab nach dem Abstimmungswochenende bekannt, dass das Ergebnis wahrscheinlich nicht akzeptiert werde, da erstens die rechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten worden seien und zweitens die Bevölkerung keine Ahnung habe, was eigentlich ein Flusskraftwerk sei. Ebenfalls beruft man sich seitens der Regierung im Zusammenhang mit den weiter ansteigenden Ölpreisen auf die Wichtigkeit von Energiegewinn durch Wasserkraft. Die Hidroeléctrica Río Hondo S.A. ihrerseits übt Druck auf die Regierung aus und verlangt, dass diese endlich ihre Position festlege, habe doch das Unternehmen alle Bedingungen (z. B. das Erstellen einer Umweltverträglichkeitsprüfung) erfüllt. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses reichte das Unternehmen einen Rekurs dagegen ein. Die Debatte über die Rechtsgültigkeit der Abstimmungen sowohl in Sipacapa wie auch in Río Hondo beschäftigt nicht nur die betroffenen Gemeinden sondern auch Rechtsgelehrte und Politanalysten. Bei einer von der Tageszeitung Prensa Libre organisierten Diskussionsveranstaltung waren sich alle TeilnehmerInnen, ob sie nun die Pro- oder die Contra-Meinung vertraten, darüber einig, dass das bestehende rechtliche Vakuum bezüglich der Gültigkeit von Volksabstimmungen dringend gefüllt werden müsse. Ansonsten würden unter der Bevölkerung auf der einen Seite falsche Hoffnung und auf der anderen Frustration über die nichtfunktionierenden demokratischen Mittel genährt. ,,Von welcher Demokratie sprechen wir?" fragt die Überschrift einer Solidaritätsbekundung der Menschenrechtsorganisation GAM mit der Nein-stimmenden Bevölkerung von Río Hondo. Mit dem Zusatz ,,Wenn es den Interessen der Mächtigen entspricht, ist das Ergebnis einer Volksabstimmung gültig, aber im Fall von Río Hondo läuft es den Interessen der in der Regierung vertretenen Unternehmer zuwider, weshalb das Energieministerium das Gesetz dahingehend manipuliert, dass das Abstimmungsergebnis ungültig ist" gibt die Organisation gleich selber die Antwort auf ihre rhetorischeFrage. |
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