Zu hinterfragen, aber wahr: Katastergesetz verabschiedet
Fijáte 337 vom 22. Juni 2005, Artikel 3, Seite 4
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Zu hinterfragen, aber wahr: Katastergesetz verabschiedet
Guatemala, 20. Juni. Nach Jahren der Diskussion hat der Kongress nun endlich mit nationaler Dringlichkeit das Gesetz zur Registrierung von Katasterinformationen (RIC) verabschiedet. Mit Unterstützung der notwendigen 105 Stimmen des Kongresses drei Viertel des Plenums wurde Mitte letzter Woche das RIC-Gesetz gebilligt, mittels dessen die entsprechende Staatsinstitution autonomen Charakters geschaffen wird. Das Gesetz besteht aus insgesamt 96 Artikeln, unterteilt in acht Kapitel. Darin festgelegt ist, dass das zukünftige Katasteramt als juristische Person mit eigenen Ressourcen und Vermögen agieren wird. Sein Hauptbüro wird in der Hauptstadt sein mit Zweigstellen in den Munizipien. Ein Direktionsrat wird das RIC leiten, dem der Landwirtschaftsminister vorsitzen wird. Weitere Mitglieder des siebenköpfigen Rates werden der GeneralGrundbuchführer, der Direktor des Nationalen Geographischen Instituts, Delegierte der Nationalen Vereinigung der Munizipien und der Ingenieurs-, Landwirtschafts- sowie Anwalts- und Notarkammern sein. Dem Höchsten Gerichtshof (CSJ) obliegt die Aufgabe, Agrar-Tribunale zu schaffen, um auftretende Konfliktfälle zu lösen und die Katasterregistrierung zu legalisieren. Mit dem RIC-Gesetz wurde nun eines der am längsten aufgeschobenen Friedensabkommen realisiert, für das bereits in den vorangehenden Legislaturperioden unter der Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) (1996-99) und der Republikanischen Front Guatemalas (FRG)(2000-03) zwar Gesetzes-Initiativen diskutiert wurden, die letztendlich jedoch allesamt in irgendwelchen Schubladen verschwanden. ,,Unabhängig von Genehmigung und Inhalt", so María Isabel Bonilla in der Tageszeitung Prensa Libre, ,,können wir sagen, dass wir endlich über ein grundlegendes Instrument verfügen, um mit grösserer juristischer Sicherheit die Rechte über Immobilien ausstatten zu können, die die GuatemaltekInnen ihr Eigen nennen." Für Otto Zeissig von Incidencia democrática ist diese Tatsache insofern die wichtigste, als dass die Möglichkeit, Informationen zur Situation und Disposition der Ressource Land zu erhalten, die grundlegende Bedingung für die Definition von Agrarpolitiken darstelle. Jedes Mal und heuer erneut wenn die jeweiligen Gesetzesprojekte abgestaubt und in die öffentliche Debatte gebracht wurden, war stets, vornehmlich von Seiten der BäuerInnenorganisationen, das Thema der so genannten Exzesse, also Landbesitzüberschreitungen, das der grössten Polemik. Dieser Punkt geniesst insofern gewisse Bedeutung, da in dementsprechenden Friedensabkommen selbst, im Kapitel zum Zugang zu Land und Produktiven Ressourcen, die Schaffung eines Treuhandfonds festgelegt wird, im heutigen Landfond FONTIERRA realisiert. Dieser sollte gemäss Artikel vii) des Vertragskapitels über Ländereien verfügen, die erworben werden mit Geldern aus dem Verkauf von Landexzessen. Diese sollten vornehmlich stammen aus Privatbesitzen und festgestellt werden durch den Vergleich der realen Ausmasse mit der im Grundbuch registrierten Oberfläche der Immobilie und stehen dem Staat zu. Erst im aktuell verabschiedeten Gesetz wird die Definition dafür festgelegt, dass nämlich bei Liegenschaften mit einer deklarierten Grösse von bis zu 10 Hektar 20% des darüber hinausgehenden realen Besitzes als legal erklärt werden können, währenddessen bei Grundstücken zwischen 10 und 90 ha explizierter Grösse bis zu 10% extra legalisiert werden können. Der Rest geht in die Hände des Staates über. Während der Gesetzesdiskussion in den letzten Monaten wurde versucht, diese Masse mittels eines Revisionsfonds zu ändern, doch die Initiative hatte keinen Erfolg. Genauso wenig wie diverse andere Vorschläge von Seiten der Zivilund BäuerInnengesellschaft, die sich offiziell schon seit 1998 mit dem Thema auseinandersetzt und an zahlreichen Verhandlungstreffen mit der Regierung teilgenommen hat. So vertritt nicht nur Ursula Roldán von der Plataforma Agraria (PA) die Ansicht, dass sich die Regierung mit dem Katastergesetz einmal mehr den Interessen der Grossgrundbesitzenden unterwirft und die der Mehrheit der Gesellschaft ignoriert. Den Umgang mit den Landexzessen bezeichnet Roldán denn auch als einen der Versuche von Seiten der Regierung, den negativen Ruf der Landbesitzüberschreitungen in ,,Mängel" zu verwandeln, womit die Beute aus illegalen Transaktionen, die von Finca-Besitzenden gegen indigene und BäuerInnengemeinden vorgenommen wurden, legalisiert wird. Nach oben |
Natürlich hatte auch die Regierung an diesen Übereignungen seit Jahr und Tag ihr eigenes Interesse. Gemäss eines Kommuniqués der Partei Allianz Neue Nation (ANN) wurde der Grossteil der Ländereien zwischen 1956 und 1983 überschrieben, in diesem Zeitraum waren Carlos Manuel Arana Osorio, Kjell Laugerud und Romeo Lucas García die Machtinhaber. Beispielsweise zwischen 1974 und 1978, in der Legislaturperiode von de Laugerud wurden 315 Hektar übereignet, die am meisten begünstigten Politiker dieser Agrarpolitik waren, wie zu erwarten, der jeweiligen Regierung nahe stehende Militärs und Zivilisten. Während der Kongressabgeordnete Juan Manuel Giordano die Verabschiedung des Gesetzes als wichtigen Erfolg bezeichnet, zum einen, was die Dauer der Diskussion angeht, zum anderen, die Erfüllung der Friedensverträge, speziell den die sozioökonomischen Aspekte und die Agrarsituation betreffend, fühlt sich der Land- und BäuerInnensektor hinter- und übergangen. Die PA weist darauf hin, dass das Katastergesetz in keiner Weise die Eigentumsrechte der BäuerInnen- und indigenen Gemeinden schützt. BäuerInnenführer Juan Tuyuc bedauert: ,,Die Regierung hat sich der Haltung gewidmet, Politiken aufzuzwingen und Unmut in der Gesellschaft zu schaffen. Die Indígenas wurden aus all diesen Prozessen ausgeschlossen, eingeschlossen den vermeintlichen Dialog mit den Regierenden, der überhaupt keinen Ertrag zeitigte, den Direktiosrat nicht einmal erwähnt." Tuyuc warnt davor, dass die Situation die Gemeinden dazu veranlassen kann, tätliche Massnahmen zu ergreifen, um gehört zu werden. ,,Was Guatemala braucht, ist ein klares und präzises Gesetz über den Prozess der Katastererhebung und die Resolution von Landkonflikten auf legalem Wege", fordert Roldán. Die zahlreichen Reformen, die während des Billigungsprozesses von Seiten der ParlamentarierInnen am Katastergesetz vorgenommen wurden, liessen derweil das historische Erbe aussen vor, das der Staat gegenüber den Gemeinden habe. Dieses bestehe in der Regulierung der kommunalen Ländereien, der Aufklärung der illegalen Enteignungen und der Möglichkeit der Verteidigung der indigenen Ländereien innerhalb des Agrargesetzes, so Roldán. Eine weitere Besorgnis der Plataforma Agraria betrifft die Zusammensetzung des Direktionsrates des Katasteramts, in dem eine deutliche Tendenz des UnternehmerInnensektors, repräsentiert durch die Regierung, zu beobachten sei, während die Beteiligung des Zivil- und BäuerInnensektors gleich Null ist. Nicht einmal das Sekretariat für Agrarangelegenheiten (SAA), die vermeintlich tragende Institution des Landthemas, wurde in Betracht gezogen. Zudem wird die geforderte und vermeintliche Autonomie des Katasteramts durch den Vorsitz des Agrarministers mehr als konterkariert. Diese Umstände könnten auch die Privatisierung der Katasterdienste vereinfachen, so die PA, berücksichtige das Gesetz doch ausdrücklich den Sub-Vertragsabschluss mit Dritten in den diversen Munizipien. Ausserdem gebe es einen Artikel, in dem geschrieben stehe, dass die Gemeindeverwaltungen, die ihr Kataster erheben wollen, dafür bezahlen müssten. |
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