Das Militär auf den verschiedenen Bühnen
Fijáte 338 vom 6. Juli 2005, Artikel 7, Seite 5
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Das Militär auf den verschiedenen Bühnen
Guatemala, 29. Juni. Die alten Installationen der Militärbasis in Cobán, Alta Verapaz, wurden dieser Tage auf Isthmus-Ebene als erstes Regionalzentrum für Friedensoperationen der Vereinten Nationen eingeweiht. Hier sollen jene zentralamerikanischen ZivilistInnen und SoldatInnen trainiert werden, die an UN-Friedensmissionen teilnehmen. Ausschlaggebend für die Initiative und Lokalisierung ist die derzeitige Beteiligung guatemaltekischer Truppen an den UN-Missionen in Haiti und in der Demokratischen Republik Kongo. Finanzierung und Kommando des neuen Trainingslagers liegen in den Händen des US-amerikanischen Comando Sur, einer der geostrategischen Militärbasen der US-Armee mit Sitz in Miami, Florida, die für die Region Lateinamerika und Karibik - ausser Mexiko, Kuba und Puerto Rico - und in dieser vornehmlich für die Implementierung von Sicherheitsassistenzprogrammen zuständig ist. Zweifel am Sinn und Zweck der Konstellation "UN-Friedenstrainingslager und Comando Sur" weckt ein Kommentar des Kommandanten der Sur-Brigade, General Bantz Craddock. Er wies nämlich im Pentagon im Zusammenhang mit dem Besuch des US-Verteidigungssekretärs Rumsfeld in Lateinamerika darauf hin, dass die Priorität Nummer Eins der nordamerikanischen Streitkräfte, die er in Lateinamerika kommandiere, der Krieg gegen den Terrorismus und Nummer Zwei der Kampf gegen den Drogenhandel sei. Zum offiziell geplanten sechsmonatigen Lehrprogramm des Trainingszentrums gehören unterdessen ein UNO-Grundkurs, ein Kurs für Offiziere, ein Kurs für MilitärbeobachterInnen und einer für UN-KorrespondentInnen. Gemäss dem guatemaltekischen Verteidigungsminister Carlos Aldana wird mit diesem Regionalprojekt beabsichtigt, die Beteiligung Zentralamerikas an UN-Friedenseinsätzen als Block zu stärken. Ähnliche Trainingseinrichtungen finden sich Lateinamerikaweit in Argentinien, Uruguay und Chile; in diesen wurden die guatemaltekischen Militärs instruiert, die Ende Oktober 2004 nach Haiti und Ende März 2005 in den Kongo entsendet wurden. Nach rund 7 ½ Monaten kehrt das erste guatemaltekische UN-Kontingent derweil aus Haiti zurück und wird durch ein neues ersetzt, das für die nächsten sechs Monate die multinationale UNFriedensmission integrieren wird. ,,Raus aus meinem Land!" war der Begrüssungsruf für die ,,Neuen", mit dem die HaitianerInnen ihren Unmut über die Präsenz der rund fünftausend UN-SoldatInnen ausdrückten, deren Aufgabe es sein sollte, die Ruhe in einem Land zu bewahren, in dem es keine Verfassungsordnung gibt und in dem sich 96 politische Parteien bei den Wahlen Ende des Jahres um die Macht streiten werden. Während die KameradInnen in der Karibik stationiert sind, dominierte in Guatemala in diesen Tagen die Diskussion um den Nationaltag der Armee am 30. Juni. Dieses Datum markierte einst die Liberale Revolution von 1871 und wurde heuer zum 134. Mal, zur Feier des Jahrestages der Militärinstitution begangen. Nichts klingt kurioser als die offizielle Rechtfertigung der Reaktivierung der Militärparade an diesem Tag, die als Konsequenz der Friedensverträge während der Regierung Álvaro Arzús 1997 suspendiert wurde. Verteidigungsminister Aldana erklärte, mit der Parade eine ,,Botschaft der Einheit" an die Mitglieder der Streitkräfte senden zu wollen. Nach oben |
Erst die Kritik aus der Zivilgesellschaft brachte die Zuständigen dazu, den ursprünglichen Marsch durch die Hauptstadt auf eine Präsentation und Zusammenkunft auf dem Platz der Verfassung und einen Umzug in dessen Umgebung zu reduzieren. Früher, so Erwin Pérez in seinem Artikel in Incidencia democrática, dienten die Militärparaden als Demonstration der Macht und wichtiger Bestandteil des psychologischen Kriegs. Dieser suchte in erster Linie die Demotivierung und Demoralisierung der aufständischen KämpferInnen und das Brechen ihres Kampfwillens. Parallel dazu wurde mit der Militärschau die Einschüchterung der Zivilbevölkerung beabsichtigt, damit diese sich nicht dem revolutionären Kampf anschliesse; innerhalb der Militärreihen bezweckte man die Schaffung von Vertrauen, Einheit und Bereitschaft zum Kampf. Schlüsselaspekt der Parade in der heutigen Zeit ist die Tatsache, dass der Krieg vorbei ist und die Unterzeichnung der Friedensverträge partielle Veränderungen herbeigeführt hat, selbst in der Armee. So könnte man die angekündigte Schau als Rückfall in den Befriedungs- und Versöhnungsprozess der guatemaltekischen Bevölkerung verstehen. Ziehe man jedoch die Vorkommnisse der letzten Zeit in Betracht, in die sich die Streitkräfte verwickelt sahen und sehen, könne man auch zu anderen Schlüssen kommen, so Pérez. Die offiziellen Versionen, zum Beispiel über die Ursachen des Brandes eines Schuppens in der Brigadebasis Mariscal Zavala in der hauptstädtischen Zone 17, in dem angeblich unbrauchbare Sprengkörper, Waffenausrüstung und Munition gelagert waren, werfen mehr Fragen auf als sie beantworten. Nicht weniger heikel für das Verteidigungsministerium ist eine Anzeige, die kürzlich der Staatsanwaltschaft eingereicht wurde. Darin wird dem Versorgungsinstitut des Militärs (IPM) vorgeworfen, über das Unternehmen Maya Químicos, an dem das IPM mit 70% der Aktien beteiligt ist, in den Import und illegalen Verkauf von Kaliumchlorat an klandestine Pyrotechnik-Fabriken und kriminelle Gruppen involviert zu sein. An dem dunklen Geschäft sind laut Beschuldigung diverse Militärs beteiligt, die ihren finanziellen Nutzen daraus ziehen. In diesem Rahmen wird darüber spekuliert, inwiefern der erwähnte Schuppenbrand auf dem Militärgelände zur Vernichtung von Beweismaterial gedient habe, die Staatsanwaltschaft hat dies noch nicht endgültig ermittelt. Für niemanden zu übersehen sind einige Verhaltensveränderungen des Militärs seit US-Verteidigungssekretär Rumsfeld im März das Land besuchte. Neuerdings seien sie höchstinteressiert am Kampf gegen den Drogenhandel und der Verfolgung von Jugendbanden, so könne die Parade auch interpretiert werden als Bedürfnis der bewaffneten Institution, sich auf der Bühne der inneren Sicherheit neu zu positionieren, den alten Gepflogenheiten entsprechend, meint Erwin Pérez. Letztendlich resultiere die Parade völlig kontraproduktiv für das Militär, sind doch weder die Wunden ob des vom Militär zu über 90% verübten Mordes an Frauen, Männern, BäuerInnen, Studierenden und Arbeitenden aus der Zeit des bewaffneten Konflikts lange nicht verheilt, noch lässt sich leugnen, dass es gerade Militärs und so genannte Militärs ,,a. D." sind, die in diverse Verbrechen wie Entführung, Drogenhandel, Morde, Korruption und Geldwäsche noch heute involviert sind. Für Francisco Raymundo, Vertreter der Defensoría Maya stellt die Parade denn auch ein Attentat auf die Würde der MärtyrerInnen und Überlebenden des Konflikts dar und zeugt deutlich von dem Versuch bestimmter Sektoren, das Land wieder militarisieren und die Hegemonie über die Zivilmacht bewahren zu wollen. Ganz zum Nachteil der Fortschritte des Aufbaus von Frieden, der Stärkung der Justiz und dem Respekt der Menschenrechte. |
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